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Autor
Dr. Franz Jürgen Schell
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Dr. Franz Jürgen Schell | 15. April 2016
In unserem Lifestyle-Report analysieren wir das Privatleben und die Ansichten in Deutschland lebender Ärzte, und vergleichen die Ergebnisse mit Kollegen aus aller Welt. In diesem Jahr sind dabei zum Beispiel ein paar erstaunliche Ergebnisse zur beruflichen Zufriedenheit und zu Vorurteilen gegenüber Patienten herausgekommen. Zudem zeigen die kommenden Slides, dass es zwischen den verschiedenen Ländern teilweise deutliche Unterschiede in Bezug auf Burnout und Gesundheit von Ärzten gibt.
In diesem Jahr haben wir deutsche Ärzte zu 5 Themenkategorien befragt: Burnout bei Ärzten, eigener Lebensstil, Vorurteile gegenüber Patienten, Ansichten zu Marihuana, sowie politische und religöse Überzeugungen. Dabei zeigten sich Unterschiede in Bezug auf das Alter, die Herkunft, und die Fachdiszplin. Die einzelnen Themen-Komplexe werden auf den kommenden Slides chronologisch abgebildet.
Gemeinsam mit französischen Kollegen zeigen deutsche Ärzte die geringste Rate an Burnout unter allen Vergleichsländern. Bei britischen Medizinern ist er mit 57% dagegen fast doppelt so häufig. Kaum weniger Ärzte fühlen sich in den Vereinigten Staaten überarbeitet: Jeder 2. US-Arzt gibt an, unter den Symptomen eines Burnout zu leiden.
Die Ausprägung des Burnouts ist unter deutschen Ärzten – ähnlich wie in Frankreich und Spanien – vergleichsweise moderat, wohingegen US-amerikanische Ärzte über etwas höhere Schweregrade berichten. Die Ausprägung in Deutschland erreicht ziemlich genau die Mitte zwischen “keine Beeinträchtigung” und “sehr schwer”. Zudem fühlen sich deutsche und spanische Ärzte am seltensten stark durch die Überbelastung beeinträchtigt. In Großbritannien und den USA gibt dahingegen etwa jeder 4. Arzt an, dass der Burnout bei ihm stark ausgeprägt sei.
Deutsche Ärzte fühlen sich abhängig vom Alter unterschiedlich stark vom Burnout beeinträchtigt – ältere Ärzte berichten über ein stärkeres Maß an Burnout als ihre jüngeren Kollegen. Das klingt grundsätzlich schlüssig: Je länger jemand einen so verantwortungsvollen Beruf ausübt, desto eher kann es zu einem Burnout kommen.
Entscheidend für Burnout und Stress bei deutschen Ärzten ist die hohe Zahl bürokratischer Aufgaben, denen sie sich ausgesetzt sehen. An zweiter Stelle folgt mit deutlichem Abstand die hohe Zahl an Arbeitsstunden. Die Erkenntnis, dass die Bürokratie in Deutschland Ärzten den Spaß an der Arbeit nehmen kann, ist nicht neu, wohl aber, dass sie damit vielleicht indirekt zu Krankheiten führt.
Die meisten deutschen Ärzte schätzen sich als recht glücklich ein – sowohl bezogen auf ihr Privat- wie auch ihr Berufsleben. Interessanterweise gibt es zwischen beiden Kategorien leichte Unterschiede. Das positive Ergebnis ist für ein Volk, das – anders als seine dänischen Nachbarn – nicht gerade für sein Glücksempfinden bekannt ist, hervorragend. Es könnte auch ein Hinweis darauf sein, dass der Arztberuf trotz aller Widrigkeiten noch viel zum persönlichen Glück beitragen kann.
Die große Mehrheit deutscher Ärzte bewertet die eigene Gesundheit mit exzellent bis gut – ähnlich wie die französischen Kollegen, aber etwas geringer als spanische oder US-Ärzte. In der Kategorie “exzellent” liegen deutsche Kollegen an letzter Stelle. Das kann aber auch an der deutschen Zurückhaltung gegenüber Superlativen liegen. Die US-Kultur ist da bekanntlich anders – und liegt wenig überraschend mit weitem Abstand bei “exzellent” vorne.
Jüngere Ärzte schätzen ihre eigene Gesundheit im Wesentlichen ähnlich gut oder exzellent und nur gering besser ein als ältere Kollegen. Da bekanntlich aber mit zunehmendem Alter mehr Krankheiten auftreten, darf man vermuten, dass deutsche Ärzte nicht nur auf die Gesundheit ihrer Patienten, sondern auch auf die eigene achten, um ein so gutes Ergebnis zur erreichen.
Beim Anteil Normalgewichtiger (BMI 18,5 – 24,9) liegen deutsche Ärzte nach den Franzosen fast gleichauf mit Spaniern. Anglo-amerikanische Ärzte geben zu einem höheren Anteil Übergewicht an, aber auch jeder dritte deutsche Arzt schätzt sich selbst so ein. Liegt es an der mediterranen Kost? Franzosen und Spanier haben das gesündeste Körpergewicht. Aber: Bei 64 % übergewichtigen Männer und 49 % übergewichtigen Frauen in der Gesamtbevölkerung Deutschlands sehen die Zahlen der Ärzte vergleichsweise gut aus.
Frauen können ihr Gewicht zu einem größeren Anteil unter Kontrolle halten als Männer. Ältere Ärzte tendieren mehr zu Übergewicht als ihre jüngeren Kollegen. Beide Befunde passen zu bekannten Ergebnissen. So liegen die Werte in der Gesamtbevölkerung bei Frauen ebenfalls deutlich unter denen der Männer – und mit zunehmendem Alter wird es schwieriger, das Körpergewicht zu halten, weil der Kalorienverbrauch sinkt.
Gemeinsam mit ihren französischen Kollegen sind deutsche Ärzte im internationalen Vergleich die größten Sportmuffel. Ein Viertel von ihnen trainiert nie und ein Drittel nur einmal pro Woche. Obwohl Bewegungsmangel inzwischen als Risikofaktor für Herz-Kreislauf-Erkrankungen diskutiert wird, scheinen selbst viele Ärzten daraus noch keine Konsequenzen zu ziehen. Ein kleiner Trost: Verglichen mit der Gesamtbevölkerung ist das noch relativ viel Sport, denn dort bewegt sich die Hälfte gar nicht.
Während beide Geschlechter sich etwa gleich viel sportlich betätigen, bewegen sich ältere Ärzte (56+) deutlich mehr als ihre jüngeren Kollegen. Das überrascht insofern, als dass die älteren auch zu mehr Übergewicht tendieren. Andererseits sahen wir auf Slide 11, dass die Gesundheitseinschätzung über die Jahre etwa gleich bleibt. Schaffen Ärzte dies durch mehr Bewegung mit zunehmendem Alter?
Im Alkoholkonsum unterscheiden sich deutsche Ärzte kaum von ihren Kollegen in Europa und den USA. Am meisten trinken die Briten, bei denen knapp ein Drittel mindestens 1-2 alkoholische Getränke täglich konsumiert. Gut jeder fünfte deutsche Arzt trinkt gar keinen Alkohol, was im internationalen Vergleich allerdings der geringste Anteil ist. Überraschend wie wenig in unserem westlichen Nachbarland getrunken wird: Von wegen Wein zum Mittagessen!
Interessanterweise ist der Alkoholkonsum der Allgemeinmediziner deutlich niedriger als der von Fachärzten, denn ein Drittel der Erstgenannten lebt abstinent. Ältere Ärzte genehmigen sich etwas mehr als ihre jüngeren Kollegen. Für ein Viertel der Kollegen dürfen es ab 46 Jahren mindestens 1-2 Getränke am Tag sein. Die Ergebnisse dürften die Gepflogenheiten der deutschen Gesellschaft widerspiegeln.
Deutsche Ärzte zeigten den höchsten Grad an Vorurteilen verglichen mit ihren Kollegen aus Europa und den USA. Diese hohe Quote, die zudem alle anderen Länder deutlich übertrifft, ist überraschend und wirft die Frage auf, wie es bei deutlich mehr als der Hälfte der deutschen Ärzte zu Vorurteilen kommt. Gerade in Vereinigten Staaten, die z.T. seit vielen Jahren eine heterogenere Bevölkerung aufweisen, liegt der Anteil deutlich darunter. Ob hier ein Zusammenhang besteht?
Der Grad an Vorurteilen gegenüber bestimmten Patientengruppen scheint mit zunehmendem Alter abzunehmen. Fast zwei Drittel der jüngeren Ärzte geben Vorurteile an, bei den älteren Kollegen sind es nur noch knapp die Hälfte. Eine ausgesprochen interessante Entwicklung: Mit der beruflichen Erfahrung, die natürlich auch Patientengruppen umfassen dürfte, gegenüber denen ursprünglich Vorurteile bestanden, nimmt die Neigung zu Vorurteilen insgesamt deutlich ab.
Deutsche Ärzte, die Vorurteile gegenüber bestimmten Patientengruppen zugeben, lassen sich durch Intelligenz, emotionale Probleme, das Gewicht und Sprachschwierigkeiten am meisten beeinflussen. Zu seltener berichteten Auslösern zählen Attraktivität, Herkunftsland und Alter. Interessant ist dabei: Geschlecht, Rasse und Herkunftsland spielen eine untergeordnete Rolle. Individuelle Faktoren dominieren also als Auslöser.
Deutsche und französische Ärzte geben häufiger als ihre Kollegen aus Europa und den USA an, dass Vorurteile die Patientenbehandlung beeinflussen können. Prinzipiell kann ein solcher Einfluss die Therapie negativ oder positiv beeinflussen. So könnte ein Arzt bei einem besonders intelligenten Patienten auch mehr Anstrengung in die Behandlung investieren. Denkbar wäre auch, dass Franzosen und Deutsche selbstkritischer das eigene Handeln reflektieren als ihre Kollegen in anderen Ländern.
Die Behandlung allgemeinmedizinischer Patienten in Deutschland wird eher von Vorurteilen beeinflusst als die von Fachärzten. Eine mögliche Erklärung: Behandlungen durch Fachärzte sind sehr weit festgelegt durch Leitlinien der Fachgesellschaften – und viele Patienten “vorselektiert”. Zu Hausärzten kommen hingegen alle Bevölkerungsgruppen und sie haben vielleicht etwas mehr Spielraum in ihren Therapie-Entscheidungen.
In Deutschland haben, verglichen mit anderen Ländern, Vorurteile eher negativen Auswirkungen auf die Behandlung. Ausnahme: Spanien. Hier zeigen Ärzte ebenfalls eher eine negative Haltung. Aber deutlich weniger spanische Ärzte geben an, sich von Vorurteilen beeinflussen zu lassen. Natürlich lassen sich Vorurteile nicht einfach abschalten, aber dieses Ergebnis könnte Anlass geben, das eigene Handeln in dieser Hinsicht immer wieder kritisch zu hinterfragen.
Deutsche Ärzte haben im europäischen Vergleich die meiste Erfahrung mit der Verschreibung von Marihuana für den medizinischen Gebrauch. Die große Mehrheit der Ärzte glaubt, dass es nicht verschrieben werden kann, ein Drittel ist anderer Meinung. Das zeigt die große Unsicherheit, die bei diesem Thema noch herrscht. Tatsächlich haben die 44 % recht, die eine Verschreibung für möglich halten – allerdings bislang nicht zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen.
Einer von fünf deutschen Ärzten hat schon einmal Marihuana für den persönlichen Gebrauch geraucht. Das entspricht etwa dem Schnitt in der Bevölkerung. Von den Cannabis-Erfahrenen hat es aber nur ein kleiner Teil auch für medizinische Zwecke eingesetzt. Die Erfahrungen deutscher Ärzte mit Marihuana sind vergleichbar mit denen ihrer spanischen und amerikanischen Kollegen. Interesssant dabei: US-Ärzte haben mit ganz knappem Vorsprung am meisten selbst gekifft, während sie beim Alkoholkonsum mit einem Drittel strikten Abstinenzlern die größte Zurückhaltung zeigten. Obwohl öffentlich viel mehr diskutiert, spielt der medizinische Gebrauch von Marihuana in den USA eine viel geringere Rolle als hierzulande – zumindest was die ärztliche Beteiligung betrifft.
Wenig überraschend ist, dass ältere deutsche Ärzte bezogen auf Einkommen und ihren Besitz in einer komfortableren Situation als ihre jüngeren Kollegen sind. Wahrscheinlicher Grund: Ab 45 Jahren haben sich Ärzte niedergelassen, sind Ober- oder Chefarzt und verdienen entsprechend besser als in jüngeren Jahren. Dazu passt auch die positive Erwartungshaltung der jüngeren Kollegen.
Wie auch in anderen europäischen Ländern hat gut die Hälfte deutscher Ärzte – und damit ein deutlich geringerer Prozentsatz als in den USA – religiöse oder spirituelle Überzeugungen. Aber weniger als die Hälfte von ihnen praktiziert ihren Glauben oder nimmt an Messen oder ähnlichen Veranstaltungen teil. Als spirituell oder religiös praktizierend kann somit nur ein Viertel der deutschen Ärzte bezeichnet werden. Mit geringen Unterschieden ist das europäischer Durchschnitt.
Religiöse oder spirituelle Überzeugungen verändern sich nicht viel in den verschiedenen Altersgruppen, obwohl ältere Ärzte ihren Glauben eher praktizieren oder zu Veranstaltungen wie Messen gehen als ihre jüngeren Kollegen. Es scheint, als würden Ärzte mit zunehmendem Alter ihren Überzeugungen Handlungen folgen lassen.
Übereinstimmend mit anderen europäischen Ländern tendieren deutsche Ärzte sowohl finanziell als auch sozial eher zu einer liberalen Selbsteinschätzung. Früher galten deutsche Ärzte als konservativ. Davon ist hier wenig zu sehen, sondern zeigt sich eher in den USA: Dort dominieren die Kombinationen finanziell konservativ/sozial liberal und in beider Hinsicht konservativ.
Die Ergebnisse basieren auf einer robusten Auswahl mit mehr als 25 Fachdisziplinen. Unter den Teilnehmern der Umfrage finden sich auffallend viele Anästhesisten. Operative Fächer sind etwas weniger vertreten, ansonsten bietet die Gruppe der Befragten einen bunten Querschnitt sämtlicher Fachdisziplinen.
Unabhängig von der Fachrichtung arbeitet die Mehrheit der Ärzte mehr als 40 Stunden pro Woche, wobei für knapp jeden Fünften die typische Arbeitswoche sogar mehr als 60 Stunden umfasst. Eine “reguläre” Arbeitszeit von knapp 40 Stunden ist für Ärzte immer noch Utopie. Wichtig in diesem Zusammenhang: Die hohe Arbeitszeit ist der zweitwichtigste Faktor beim Entstehen eines Burnout (siehe Slide 6)!
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