Im zweiten Teil unserer Ethikumfrage geht es um ein Thema, über das lange Zeit keiner sprechen wollte: Interessenskonflikte. Wir haben 285 deutsche Ärzte gefragt, wie Sie über finanzielle Zuwendungen von Pharmafirmen, Liebesbeziehungen zu Patienten und die Aufklärungspflicht über Fehler von befreundeten Kollegen denken.

Hier geht es um den Konflikt Solidarität mit einem Kollegen oder Verantwortung gegenüber dem eigenen Patienten: Vier von zehn deutschen Ärzten würden einen Patienten über die begrenzten Fähigkeiten eines Kollegen informieren. Mindestens die gleiche Zahl macht es von den Umständen abhängig. Ältere Ärzte würden im Vergleich zu jüngeren Kollegen ihre Patienten eher informieren.

Über ein Drittel der deutschen Ärzte würde einen Kollegen melden, wenn er erkennbar durch Drogen, Alkohol oder Krankheit beeinträchtigt wäre. Diese Quote liegt deutlich über der in Frankreich, bleibt aber unter der im Rest Europas. Das kann damit zusammenhängen, dass Deutschland keine positive Tradition für „Whistleblower” hat, sie gelten hierzulande als Denunzianten.

Natürlich konsumieren auch manche Ärzte - ebenso wie viele andere Menschen - Drogen und Alkohol. Stichprobenartige Tests könnten einen solchen Substanzgebrauch aufzeigen und Fehler durch Rauschzustände verhindern. In Deutschland plädiert nur ein Drittel der Befragten für solche Tests, die Hälfte hält hingegen nichts davon. In Frankreich ist es genau umgekehrt und im Rest Europas ist die Rate der Testbefürworter noch höher.

Kritiker behaupten, die enge Zusammenarbeit von Ärzten mit der Pharmaindustrie beeinflusse das Verschreibungsverhalten von Ärzten. Knapp die Hälfte der deutschen Ärzte, vor allem Fachärzte, ist überzeugt, sich durch Interaktionen mit pharmazeutischen Unternehmen nicht im eigenen Verschreibungsverhalten beeinflussen zu lassen.

Jüngere Ärzte sind eher überzeugt, durch Verbindungen mit der pharmazeutischen Industrie im Verschreibungsverhalten unbeeinflusst zu bleiben. Allerdings könnte sich eine reine Geschäftsbeziehung, bei der Leistung und Honorar klar getrennt sind, von Gefälligkeiten wie einer Essenseinladung unterscheiden.

Deutsche Ärzte sind für Misshandlungen sensibilisiert und würden sie in der überwältigenden Mehrheit melden oder ihnen nachgehen. Nur einer von fünf deutschen Ärzten hatte schon einmal den Verdacht auf Misshandlung, ohne etwas zu unternehmen.

Deutsche Ärzte sind deutlich offener als ihre französischen Koillegen, wenn es um eine private Beziehung zu Patienten geht. Während 71 % der Franzosen eine solche Beziehung ablehnen, sind es in Deutschland nur 46 %. Eine Beziehung zu einem aktuellen Patienten finden in Deutschland 11 % akzeptabel, in Frankreich nur 4 %. Auch ein halbes Jahr nach Ende der therapeutischen Beziehung ist der Unterschied noch doppelt so groß: In Frankreich findet das jeder zehnte Arzt in Ordnung, in Deutschland jeder fünfte.

Ein Klassiker der gesundheitspolitischen Diskussionen: Sollen Menschen mit ungesundem Lebensstil höhere Beiträge in die Krankenversicherung zahlen? Deutsche Ärzte plädieren mit einer deutlichen Mehrheit und eindeutiger als ihre französischen Kollegen für höhere Versicherungsbeiträge. Und auch für geringe Compliance sollen sie zur Kasse gebeten werden.

Ärzte aus den USA und aus Europa, sowohl Mitglieder als auch Nichtmitglieder von Medscape, wurden eingeladen, an einer 15-minütigen Online-Umfrage teilzunehmen. Teilnahmevoraussetzung war eine Approbation. Insgesamt beteiligten sich 21.531 Ärzte aus mehr als 25 Fachgebieten, darunter 285 aus Deutschland und 3.984 aus Europa. Die Irrtumswahrscheinlichkeit betrug +/- 0,72% für die US-Teilnehmer und +/- 1,55% für die europäischen Teilnehmer.

Die Innere Medizin ist nur auf den ersten Blick unterrepräsentiert, denn sie ist zusätzlich in 7 Unterspezifikationen vertreten. Insgesamt stellen die Internisten so rund ein Drittel der Teilnehmer. Auch die operativen Fächer sind einzeln aufgeführt. Sie kommen alle zusammen auf 20%.

Während die Altersverteilung mit einem Peak um das 50. Lebensjahr ansonsten recht ausgeglichen und repräsentativ ist, fällt das Übergewicht der Männer auf. Rund drei Viertel der Teilnehmer sind männlich. Dies ist nicht mehr repräsentativ, denn im bundesdeutschen Alltag stellen Frauen 45% der Ärzte – mit steigender Tendenz. (BÄK 2013)

Laut BÄK arbeitet etwa je die Hälfte der Ärzte in Kliniken und in einer Praxis. Somit dürften diese Ergebnisse einem typischen Querschnitt unter deutschen Ärzten entsprechen.
Der Anteil der teilzeittätigen Ärzte (und v.a. Ärztinnen) steigt kontinuierlich, er lag bei der letzten Erhebung der BÄK bei einem Siebtel. Hier ist er niedriger, was möglicherweise auch mit der geringeren Beteiligung von Frauen zu tun hat.

Mitarbeiterinformationen
Autor
Dr. Franz Jürgen Schell
Freiberuflicher Autor
Schell FJ: Finanzielle Zuwendungen als Berater für Novo Nordisk und als Sprecher bzw. Gremienmitglied für Asklepios Klinik; Aktienanteile von Novo Nordisk
Grafik
Jonathan Gomez
Front-End Developer, Medscape
Redakteur
Shari Langemak
Editorial Director, Medscape Deutschland
Langemak S: Es liegen keine Interessenskonflikte vor.
