
Ärzte haben gute Freunde: Der neue Report liefert erstmals Einblicke in das Sozialleben und die Freundschaften von Medizinern
Ärzte sind im Job den ganzen Tag in Kontakt mit Patienten und Kollegen. Aber haben sie auch noch Zeit und den Nerv für Freundschaften? Wie managen sie Ihr Sozialleben, damit sie einen guten Ausgleich zum stressigen Job bekommen?
Die neue Medscape-Umfrage, an der rund 1.100 Personen online teilnahmen, bietet zum ersten Mal einen Einblick in diese „private“ Welt von Ärzten.
„Es bleibt neben der Arbeit kaum Zeit, um Freundschaften zu pflegen“, schreibt ein Intensivmediziner zum Beispiel. „Meine Freunde akzeptieren jedoch, dass ich oft keine Zeit habe.“
Und eine Kollegin aus dem Bereich Rehabilitation ergänzt: „Durch Bereitschaftsdienste fehlt die Möglichkeit, sich zu speziellen Events zu treffen.“ Teilweise müsse sie kurzfristig Dienste für Kollegen übernehmen und eigene Interessen hintenanstellen.
Trotz der Hürden, die der Job mit sich bringt, schaffen es doch sehr viele Kollegen, Freundschaften zu schließen und diese auch zu Pflegen. Sie profitieren davon in jeder Hinsicht. Lesen Sie auf den nächsten Seiten die Ergebnisse unserer Freundschaftsumfrage:
Ärzte pflegen viele Freundschaften trotz der knappen Zeit
Ärzte haben gute Freunde: Der neue Report liefert erstmals Einblicke in das Sozialleben und die Freundschaften von Medizinern
Ärzte pflegen viele Freundschaften trotz der knappen Zeit
Die Umfrage hat ergeben, dass Ärzte zahlreiche Freundschaften im realen Leben pflegen; Social-Media-Freunde zählen hier nicht dazu. Die Mehrzahl hat bis zu 5 Freunde (34%) oder 6 bis 10 Freunde (37%). Seltener sind 11 bis 15 Freunde (14%) und 16 oder mehr Freunde (14%).
Die Befragten rechnen meist 1 bis 5 Personen, seltener 6 bis 10 Freunde, zum engeren Freundeskreis. Eine beste Freundin bzw. einen besten Freund hat rund jede 3. Medscape-Leserin oder Leser (Daten nicht grafisch dargestellt).
Doch was sagen die Zahlen wirklich aus? Dazu ein Benchmarking, das auf repräsentativen Befragungen aller Einwohner und Berufsgruppen Deutschlands beruht – allerdings mit anderem Studiendesign. Demnach hatten 9% der Deutschen keine Freunde, 17% einen Freund, 26% 2 Freunde, 21% 3 Freunde und 27% 4 oder mehr Freunde. Einer anderen Umfrage zufolge liegt die Zahl an engen Freunden bei 3,7 Menschen – plus 11 Personen als erweiterter Freundeskreis.
Zwar lassen sich die Befragungen aufgrund ihres unterschiedlichen Designs nicht 1:1 vergleichen. Sie liefern aber Hinweise, dass Ärzte tendenziell sogar mehr Freunde haben als die Durchschnittsbevölkerung.
So lernen Ärzte neue Freunde kennen
Ärzte haben gute Freunde: Der neue Report liefert erstmals Einblicke in das Sozialleben und die Freundschaften von Medizinern
So lernen Ärzte neue Freunde kennen
Wenig überraschend kommt ein Großteil aller engen Freunde aus der Hochschulzeit (25%) oder aus dem Kollegenkreis (18%), seltener aus der Schulzeit (17%) oder aus der Kindheit (6%). Auch Hobbies, speziell über den Sport, Kontakte über die Familie, Kinder, oder über Nachbarschaften spielen eine Rolle. Die Leser wählten hier eine Kategorie aus, die ihnen am wichtigsten war fürs Kennenlernen von Freunden.
Zum Vergleich wieder ein Blick auf die Allgemeinbevölkerung: Am häufigsten kennengelernt haben Deutsche ihre aktuellen Freunde im Job (45%), auf weiterführenden Schulen bzw. während der Ausbildung (jeweils 22%) und bei Hobbies (21%).
Nicht drauf angelegt: Gerne Mediziner als Freunde
Ärzte haben gute Freunde: Der neue Report liefert erstmals Einblicke in das Sozialleben und die Freundschaften von Medizinern
Nicht drauf angelegt: Gerne Mediziner als Freunde
Überraschend ist, dass Ärztinnen und Ärzte häufig auch im Privatbereich unter sich bleiben: Die meisten Freunde von Medizinern und Medizinerinnen sind selbst Ärzte (76%), seltener Pflegefachkräfte (8%).
Bei genauerem Nachfragen stellt sich heraus, dass dies nicht Absicht ist: 47% legen es nicht darauf an, dass Freundschaften im beruflichen Umfeld entstehen – und nur 9% geben an, dies auch zu mögen. 36% trennen lieber Beruf und Privatleben. Nur 9% schätzen es, Freunde am Arbeitsplatz kennenzulernen (Daten der Umfrage nicht grafisch dargestellt).
Wie häufig Kollegen auch Freunde werden
Ärzte haben gute Freunde: Der neue Report liefert erstmals Einblicke in das Sozialleben und die Freundschaften von Medizinern
Wie häufig Kollegen auch Freunde werden
Immerhin geben 71% der Umfrageteilnehmer an, einige Kollegen aus dem Joballtag seien auch Freunde; 27% der Ärzte gehen aber eher auf Distanz und pflegen unter Kollegen keine Freundschaften.
Wer Freunde im Kollegenkreis hat, interagiert ständig bzw. häufig (25%), gelegentlich (40%) oder nie (35%) mit ihnen.
Oft haben Freunde der befragten Medscape-Leser ähnliche Abschlüsse und einen ähnlichen sozialen bzw. finanziellen Status (74% Zustimmung). Sie sind meist auch im gleichen Alter (73% Zustimmung; Daten hier nicht grafisch dargestellt). Das Ergebnis erstaunt nicht wirklich, denn viele Freundschaften entstehen während des Studiums oder im Beruf.
Wirkt Vitamin B?
Ärzte haben gute Freunde: Der neue Report liefert erstmals Einblicke in das Sozialleben und die Freundschaften von Medizinern
Wirkt Vitamin B?
54% der Befragten werde zwar im Joballtag von Freunden unterstützt (Daten nicht dargestellt). Doch nur 6% schreiben, dass ihre Karrierechancen sich durch Freundschaften ständig bzw. häufig verbessern würden. Bei 21% ist das immerhin ab und zu der Fall. Berufliche Vorteile bei Jobangeboten oder Nebenjobs durch befreundete Kollegen sehen die meisten nicht (73%).
Woran scheitern Ärzte, wenn sie Freundschaften knüpfen?
Ärzte haben gute Freunde: Der neue Report liefert erstmals Einblicke in das Sozialleben und die Freundschaften von Medizinern
Woran scheitern Ärzte, wenn sie Freundschaften knüpfen?
74% schreiben, dies liege sehr häufig bzw. häufig am Job – 24% sehen hier wenige bis keine Probleme.
An der Frage, ob auch familiäre Verpflichtungen eine Rolle spielen, scheiden sich die Geister. 43% sehen hier sehr häufig bzw. häufig Schwierigkeiten durch die fehlende Zeit, während 55% das dementieren.
Eine Psychiaterin erzählt in den Kommentaren: „Der Tag hat nur 24 Stunden – und wenn ein Großteil die Arbeit einnimmt, dann geht noch ein Teil der übrigen Zeit für familiäre Verpflichtungen drauf und damit bleibt einfach weniger Zeit für die Freundschaftspflege.“ Ihre Strategie: „Ich prüfe, bevor ich neue Freundschaften eingehe, ob ich denen zeitlich gerecht werden kann.“
Die Herausforderungen: Wenig Zeit, weite Entfernungen, wenig Energie
Ärzte haben gute Freunde: Der neue Report liefert erstmals Einblicke in das Sozialleben und die Freundschaften von Medizinern
Die Herausforderungen: Wenig Zeit, weite Entfernungen, wenig Energie
Woran scheitern Freundschaften mitunter? Die befragten Ärzte nennen (Mehrfachantworten waren möglich) vor allem 2 Gründe: fehlende Zeit (73%) und große Entfernungen (47%). Beides mag berufliche oder familiäre Gründe haben. Und am Abend oder am Wochenende schätzen Kollegen die arbeitsfreie Zeit; 27% der Medscape-Leser der Studie fehlt einfach Energie, um soziale Bindungen aufrechtzuerhalten.
Freundschaften haben in der Pandemie überlebt
Ärzte haben gute Freunde: Der neue Report liefert erstmals Einblicke in das Sozialleben und die Freundschaften von Medizinern
Freundschaften haben in der Pandemie überlebt
Recht überraschend ist, dass COVID-19 mit seinen Lockdowns und mit Social Distancing nur geringe Effekte auf soziale Bindungen unter Ärzten hatte. 84% der Umfrageteilnehmer geben an, sie hätten durch die Pandemie weder Freunde verloren noch gewonnen. Lediglich 14% haben weniger Kontakte als zu früheren Zeiten; 2% berichten sogar über mehr Freunde als vor der Pandemie.
Unterschiedliche Meinungen gefährden Freundschaften
Ärzte haben gute Freunde: Der neue Report liefert erstmals Einblicke in das Sozialleben und die Freundschaften von Medizinern
Unterschiedliche Meinungen gefährden Freundschaften
Die Pandemie hat Freundschaften dennoch auf eine harte Probe gestellt. Verschiedene medizinische oder gesundheitspolitische Ansichten können schnell in einer Kontroverse enden.
Aus dem Freundeskreis berichten 41% der Teilnehmer von verschiedenen Ansichten zur Prävention (z.B. Impfung) oder zur Therapie von COVID-19. Tatsächlich haben sich heiß diskutierte Themen bei 35% der Medscape-Umfrageteilnehmer negativ auf die Freundschaft ausgewirkt.
Lieber Harmonie
Ärzte haben gute Freunde: Der neue Report liefert erstmals Einblicke in das Sozialleben und die Freundschaften von Medizinern
Lieber Harmonie
Bei anderen Themen herrscht mehr Einigkeit. Viele der Befragten harmonieren nicht nur bei medizinischen, sondern auch bei politischen Themen mit ihrem Freundeskreis mehr oder minder stark (60%). Nur 10% scheinen andere Ansichten zu haben als ihre Freunde.
79% streiten sich selten oder nie im Freundeskreis; nur bei 19% kommt es manchmal zum Disput. Harmonie wird groß geschrieben in Freundschaften.
Wie mit befreundeten Patienten umgehen?
Ärzte haben gute Freunde: Der neue Report liefert erstmals Einblicke in das Sozialleben und die Freundschaften von Medizinern
Wie mit befreundeten Patienten umgehen?
In dieser Umfrage haben wir unsere Leser auch nach persönlichen Erfahrungen gefragt. Eine Freundschaft mit Patienten würden sie nicht emfpehlen, schreiben viele Ärzten in den Kommentaren. Aber andere haben überhaupt keine Probleme damit. „Durch eine langjährige Behandlung bei äußerst ungünstiger Prognose hat sich eine Freundschaft zur gesamten Familie entwickelt, welche auch noch nach dem Tod der Patientin seit Jahren anhält“, schreibt eine Gynäkologin aus Nordrhein-Westfalen.
Eine Fachkollegin aus Baden-Württemberg hat sogar ihr persönliches Lebensglück durch eine Ex-Patientin gefunden: „Über eine Freundschaft mit einer ehemaligen Patientin habe ich meinen Partner kennengelernt. Die Dame gehört jetzt zum engen Freundeskreis und war unsere Trauzeugin.“
Und wie reagieren Ärzte und Ärztinnen, wenn Freunde sie um einen Rat fragen?
„Manchmal habe ich das Gefühl, dass die mich nur anrufen nur wenn es um einen medizinischen Rat geht, sonst haben sie keine Zeit für mich“, klagt eine Anästhesistin aus Hessen. Ein Neurologe aus Rheinland-Pfalz sieht solche Anfragen eher pragmatisch: „Ich versuche, eine Perspektive zu geben und erkläre, wie ich in ähnlicher Situation Hilfe finden würde.“ Locker sieht die Sache auch ein Allgemeinmediziner aus Berlin: „Ich beantworte diese Fragen gerne, auch, wenn sie nicht meine Patienten sind.“
Freunde behandeln – geht das gut?
Ärzte haben gute Freunde: Der neue Report liefert erstmals Einblicke in das Sozialleben und die Freundschaften von Medizinern
Freunde behandeln – geht das gut?
Dass sich Ärztinnen und Ärzte sich mit ihren Patienten anfreunden, ist anscheinend keine Seltenheit. Fast jeder 3. Teilnehmer kennt dies.
Aber entsteht daraus ein Gewissenskonflikt, wenn Freunde in die Sprechstunde kommen und behandelt werden möchten? Zumindest die Teilnehmer der Medscape-Umfrage haben damit kaum Probleme (siehe Grafik rechts). Nur 17% vertraten die Meinung, dies sei generell abzulehnen. 46% haben nur Bedenken, falls die Objektivität des Behandlers gefährdet wird. 37% sind jedoch strikt dagegen.
Eine Ärztin oder Arzt im Freundeskreis ist doch praktisch, oder?
Ärzte haben gute Freunde: Der neue Report liefert erstmals Einblicke in das Sozialleben und die Freundschaften von Medizinern
Eine Ärztin oder Arzt im Freundeskreis ist doch praktisch, oder?
Macht man sich als Freund oder Freundin unbeliebt, wenn man einen Arzt zum Beispiel am Stammtisch nach einem medizinischen Rat fragt und sich vielleicht den Gang in die Praxis sparen will?
Die Gefahr ist nicht so groß: Fast jeder Arzt hält es für eine gute Sache, Freunden ärztliche Ratschläge zu erteilen (links). Und nur 14% empfinden medizinische Fragen aus dem Freundeskreis als störend (rechts).
Kommentar