
Gehaltsreport 2019: Immer besser – die finanzielle Situation von Ärzten in Deutschland
Es ist wieder so weit. Ärzte reden offen über Geld und wir haben ihre Einkommen mit Kollegen verglichen. Der neue Medscape-Gehaltsreport ist da!
Wieviel Geld verdient ein Arzt in Deutschland pro Jahr? Wie unterscheiden sich die Gehälter von Fachärzten und von Hausärzten (API)? Wer hat am Ende des Jahres mehr im Geldbeutel? Hat sich die Lage verbessert – auch für die Ärztinnen? Medscape hat wieder, wie schon in den Jahren zuvor, seine Mitglieder und Leser weltweit befragt und viele spannende neue Erkenntnisse gewonnen. Aus Deutschland beantworteten mehr als 530 Ärzte unseren detaillierten Online-Fragebogen. Auf den folgenden Seiten präsentieren wir Ihnen die Auswertung. Sie bietet einen Einblick in die finanzielle Situation von Medizinern in Deutschland. Es tut sich was!
Gehaltsreport 2019: Immer besser – die finanzielle Situation von Ärzten in Deutschland
Die finanzielle Situation von Ärzten in Deutschland hat sich verbessert. Im Schnitt verdienten die Teilnehmer dieser Umfrage im Jahr 2018 148.000 Euro vor Steuern. Überraschend positiv ist die Gehaltsentwicklung. Die Ärzte stehen heute mit einer durchschnittlichen Steigerung von 18% deutlich besser da als vor 2 Jahren. Im letzten Medscape-Report kamen sie für das Jahr 2016 nur auf einen Durchschnittsverdienst über alle Fachgruppen hinweg von 125.000 Euro.
Auch dieses Mal gibt es überraschende Unterschiede: Ärzte in der hausärztlichen Versorgung (API) haben laut dieser Umfrage mit 166.000 Euro ein um 9% höheres Einkommen als ihre Kollegen, die als Fachärzte arbeiten. Diese erreichen im Schnitt als Vollzeit-Arzt 144.000 Euro pro Jahr. Das mag vor allem auch daran liegen, dass die meisten Fachärzte, die an dieser Umfrage teilgenommen haben, in einer Klinik arbeiten (siehe Slide 13) Dort verdienen Ärzte im Schnitt nur 143.000 Euro, weil sie jünger und womöglich noch am Anfang ihrer Karriere sind.
Die Bruttoeinkommen können jedoch je nach Fachrichtung sehr unterschiedlich sein. Andere Erhebungen, wie zum Beispiel vom Statistischen Bundesamt, machen dies deutlich. Ein Allgemeinarzt verdient demnach 167.000 Euro pro Jahr (2015). Ein niedergelassener Radiologe jedoch 373.00 Euro. Ein Oberarzt in einer Klinik bekommt dagegen nur zwischen 100.000 und 130.000 Euro überwiesen.
Gehaltsreport 2019: Immer besser – die finanzielle Situation von Ärzten in Deutschland
Wir fragten auch nach konkreten Gründen, wie Ärzte es schafften, ihr Einkommen deutlich zu steigern. Ein Arzt nannte zum Beispiel eine neue Mitarbeiterin mit Fremdsprachenkenntnissen als Magnet für seine Praxis: „Wir haben im Gegensatz zu Kollegen in der Region keinen Aufnahmestopp, dadurch kommen mehr neue Patienten. Zudem haben wir eine kroatische MFA, das zieht entsprechend Menschen aus diesem Sprachraum an.“ Hier lesen Sie weitere Zitate aus der Online-Befragung – vielleicht ist auch eine Anregung für Sie von den Kollegen dabei.
Gehaltsreport 2019: Immer besser – die finanzielle Situation von Ärzten in Deutschland
Männliche Hausärzte verdienen 20% mehr als ihre weiblichen Kollegen, die auch in Vollzeit arbeiten. Am Ende des Jahres summiert sich der Unterschied auf dem Gehaltszettel auf 29.000 Euro – etwa der Preis für ein neues Auto. Diese Ungerechtigkeit hat sich seit der letzten Umfrage leicht abgemildert – wenn auch wenig. Warum? Frauen verhalten sich häufig defensiver in den Gehaltsverhandlungen, wie Medscape berichtete. Im letzten Report klafften die Gehälter noch um 25% auseinander. Unter Fachärzten sind die Geschlechter-Unterschiede noch viel gravierender. Ein Mann verdient im Schnitt 156.000 Euro pro Jahr. Eine Ärztin nur 106.000 Euro. Das entspricht einer Differenz von 45%!
Gehaltsreport 2019: Immer besser – die finanzielle Situation von Ärzten in Deutschland
Weniger als die Hälfte aller Ärzte dieser Umfrage fühlen sich fair bezahlt. Genau wie in unserer letzten Umfrage (43%) hat die Mehrheit also nach wie vor das Gefühl, dass für sie die Rechnung am Ende nicht aufgeht. In ihrem Frust darüber unterscheiden sich Hausärzte kaum von Fachärzten. Allerdings sind die jungen Ärzte deutlich unglücklicher als ihre Kollegen über 45 Jahren. Unter den Jungen ist nur ungefähr jeder 3. Arzt zufrieden. Bei den Älteren zumindest jeder 2.
Warum fühlen sich viele Ärzte trotz des guten Jahreseinkommens ausgenutzt? Hinweise dafür liefert zum Teil der Medscape-Burnout-Report. Diese Umfrage zeigte kürzlich, dass jeder 2. Arzt in Deutschland 51 und mehr Stunden pro Woche arbeitet. Fast jeder 5. kommt sogar auf mehr als 61 Wochenstunden. Eine Folge davon: Jeder 2. Kollege litt nach eigenen Angaben an Symptomen einer Depression und/oder eines Burnout. 38% gaben an, dass eine bessere Bezahlung den finanziellen Druck und die damit verbundene Belastung reduzieren würde.
Gehaltsreport 2019: Immer besser – die finanzielle Situation von Ärzten in Deutschland
Sind Männer geduldiger im Patientengespräch oder haben Ärztinnen weniger Zeit? Die Beweggründe und die Details für die kleinen Unterschiede in der Dauer der Behandlungstermine von Patienten kennen wir nicht. Unsere Umfrage zeigt aber, dass Hausärzte erwartungsgemäß mit Patienten etwas mehr Zeit verbringen. Männer kommen pro Woche auf 35 Stunden. Frauen auf 3 Stunden weniger. Fachärzte und Fachärztinnen liegen knapp darunter (31 bzw. 28 Stunden). Und wie lange kümmert sich eigentlich der Arzt um einen Patienten pro Termin in der Sprechstunde? Ein Anhaltspunkt dazu lieferte unsere Medscape-Umfrage zur Jobzufriedenheit 2018: Fast jeder 3. Arzt nimmt sich mehr als 16 Minuten Zeit. Ein Drittel investiert allerdings nur 9 bis 12 Minuten.
Gehaltsreport 2019: Immer besser – die finanzielle Situation von Ärzten in Deutschland
Nur ein Fünftel der Ärzte schafft es, die meist ungeliebten Verwaltungsaufgaben in weniger als 10 Stunden zu bewältigen. Stattdessen quälen sich die meisten mit zuviel Papierkram! Der große Rest investiert dafür deutlich mehr Zeit, jeder 4. sogar mehr als 25 Stunden pro Woche. Zählt man dann noch die durchschnittlich mehr als 30 Stunden Arbeitszeit am Patienten hinzu (siehe Slide 5), summiert sich eine normale Arbeitswoche für einen Arzt in Deutschland auf deutlich mehr als 40 Stunden. Im Gesamtdurchschnitt (Daten nicht gezeigt) verbringen Hausärzte mit 15 Stunden etwas weniger Zeit mit der Verwaltung als Fachärzte (18 Stunden pro Woche). Im Vergleich zur Medscape-Umfrage zur Job-Zufriedenheit 2018 ist der Zeitfresser Dokumentation noch mächtiger geworden. Damals mussten 46% der Umfrageteilnehmer über 15 Stunden und mehr pro Woche dafür verwenden. In dieser Umfrage nannten in der Summe sogar 60% der Ärzte diesen hohen Zeitaufwand für Bürotätigkeit.
Gehaltsreport 2019: Immer besser – die finanzielle Situation von Ärzten in Deutschland
Eine gute Nachricht: Ärzte sind mit der eigenen Leistung durchaus zufrieden. Trotz der hohen Arbeitsbelastung, dem lästigen Verwaltungsaufwand und dem Frust über eine unfaire Bezahlung. Als sehr zufrieden mit ihrer Performance im Job bezeichnet sich 29% der Ärzte. 64% der Kollegen sind immerhin zufrieden damit, wie sie den Praxisalltag meistern. Sind sie anpassungsfähiger als die verbleibenden 7%, die mit ihrem Ergebnis am Ende des Tages nicht zufrieden sind? Oder einfach nur genügsamer?
Gehaltsreport 2019: Immer besser – die finanzielle Situation von Ärzten in Deutschland
Als Stressfaktor nennen Ärzte vor allem die Richtlinien bei der Abrechnung und Verwaltung. 39% stufen diese als größte Herausforderung ein. Verständlicherweise nennen vor allem ältere, niedergelassene Kollegen mit eigener Praxis dies als Haupt-Ärgernis im Alltag. An zweiter Stelle monieren Mediziner zuviele Überstunden (18%). Die Unzufriedenheit wegen Überstunden hat seit der letzten Medscape-Befragung zur Job-Zufriedenheit sogar zugenommen. Damals nannten nur 13% der Befragten die Mehrarbeit als Herausforderung. Vor allem leiden darunter jüngere Ärzte, die in einem Krankenhaus arbeiten. Sie klagen zum Beispiel auch darüber, dass die „Vorgaben der Geschäfts- und Klinikleitung oft unrealistisch und unangemessen sind“ und sie dem „wirtschaftlichen Druck alles andere unterordnen müssen.“ Andere Kliniker haben Probleme mit der „Vereinbarkeit von Forschung und Patientenversorgung“, oder „schwierigen Kollegen im akademischen Umfeld“. Die Beschwerden reichen bis hin zu „kollegialer Inkompetenz“. Kein Wunder, dass Ärzte dann an die „Grenzen eigener Belastbarkeit“ stoßen.
Gehaltsreport 2019: Immer besser – die finanzielle Situation von Ärzten in Deutschland
Wer hart arbeitet, möchte auch belohnt werden. Wenn viele Ärzte schon auf die finanzielle Anerkennung verzichten müssen, kommen ideelle Werte ins Spiel, damit die Bilanz stimmt. Ein guter Arzt zu sein, richtige Diagnosen und Lösungen zu finden, das macht Mediziner zufrieden. 62% Prozent der Kollegen sind sich darin einig und nennen diesen Aspekt an erster Stelle. Auch die Dankbarkeit der Patienten (15%) heben sie als Belohnungsfaktor heraus. Vor allem Niedergelassene empfinden das so. Viel Kohle zu verdienen, nennen überraschender Weise nur 7% als Motivation. Für einige ist die Gewissheit, der Welt und den Menschen etwas Gutes zu tun, sinnstiftend. Dieses Gefühl des Weltverbesserers kennt jeder 10. Arzt, vor allem jene, die in einer Klinik arbeiten. Ein Kollege bringt es auf folgende Formel: „Die Mischung aus Dankbarkeit der Patienten und gut in dem zu sein, was ich tue, macht mich zufrieden.“
Gehaltsreport 2019: Immer besser – die finanzielle Situation von Ärzten in Deutschland
Würden Sie es wieder tun? Medizin studieren? Und dann auch die gleiche Fachrichtung wählen? 2 Drittel der Ärzte dieser Umfrage beantworten die beiden Fragen zu ihrer Entscheidung für diesen Berufsweg positiv. Aber nur 32% würden die gleiche Job-Situation wählen. Nicht wenige, nämlich fast jeder 4. Kollege, würde heute lieber in einem anderen Beruf arbeiten.
Gehaltsreport 2019: Immer besser – die finanzielle Situation von Ärzten in Deutschland
Noch einmal neu anfangen? Der Traum von einer Praxis im sonnigen Süden zum Beispiel, ist anscheinend nicht sehr verbreitet. Im Ausland arbeiten wollen nur 7% der Ärzte, die den Fragebogen ausgefüllt haben. 72% fühlen sich in Deutschland wohl und wollen hierbleiben. Ähnlich bodenständig antworteten die Kollegen in der Gehalts-Umfrage vom vergangenen Jahr. Verständlicherweise zieht es jüngere Ärzte eher in die Ferne als Ältere (Daten nicht dargestellt). Als Zeichen von Weltoffenheit und Flexibilität könnte man jedoch den relativ hohen Anteil (21%) jener interpretieren, die mit einem Job im Ausland liebäugeln.
Interessant sind zum Vergleich die Antworten der Brexit-geplagten Briten. Viele Ärzte, die an der Medscape-Umfrage in Großbritannien teilgenommen haben, schielen auch auf Grund der politischen Unsicherheiten durchaus über ihre Landesgrenzen hinaus. Fast jeder 3. englische Arzt überlegt, das Land zu verlassen, um im Ausland zu praktizieren. Weitere 17% liebäugeln mit der Idee. Die ausländischen Ärzte, die in Großbritannien arbeiten, sehen der Zukunft gelassener entgegen als noch in der Umfrage vor 2 Jahren. Womöglich aufgrund der Zusicherungen, dass EU-Bürger vorerst weiter auf der Insel arbeiten dürfen.
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Die meisten der 534 auswertbaren Teilnehmer dieser Online-Umfrage sind im besten Alter, zwischen 45 und 65 Jahren. Die jüngeren Kollegen machen etwa ein Drittel aus. Leider ist der Anteil der Frauen, die sich die 10 Minuten für den Fragebogen Zeit genommen haben, mit 22% relativ gering. Das liegt unter anderem auch daran, dass aus Gründen der Vergleichbarkeit nur in Vollzeit tätige Ärzte mit in die Erhebung einbezogen werden konnten und Frauen häufiger in Teilzeit praktizieren. Etwas mehr als die Hälfte der Teilnehmer arbeitet im Krankenhaus.
Gehaltsreport 2019: Immer besser – die finanzielle Situation von Ärzten in Deutschland
Am häufigsten nahmen Ärzte folgender Fachrichtungen an unserer Gehaltsumfrage teil: Allgemeinmediziner (10%), Chirurgen (9%), Anästhesisten und Internisten (8%). Etwa halb so häufig gaben Pädiater, Psychiater und Gynäkologen (je 5%) sowie Kardiologen und Orthopäden (je 6%) Auskunft über ihr Einkommen.
Anmerkung zur Methodik: Die internationale Online-Umfrage (ca. 10 Minuten Dauer) wurde im Februar bis April 2019 unter den Mitgliedern von Medscape durchgeführt. In Deutschland konnten 534 Fachärzte und Hausärzte in die Auswertung einbezogen werden. Wenn nicht anders vermerkt, beziehen sich die Auswertungen auf in Vollzeit tätige Ärzte. Die Sample-Größe der zufälligen Teilnehmer in dieser Umfrage ist nicht repräsentativ. Die Standardabweichung beträgt +/- 4,24% (IC 95%). Zahlenwerte in den Grafiken können gerundet sein. Die Abkürzung API steht für Allgemeinarzt, Praktischer Arzt, Internist.
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