
Report zur Job-Zufriedenheit: Was Ärzte in Deutschland frustriert und warum sie trotzdem ihren Beruf so lieben
Arzt als Traumberuf? Dieses Klischee ist wohl überholt. Oder, etwa nicht? Wie zufrieden sind Ärzte in Deutschland eigentlich mit ihrer Arbeitssituation? Nach dem „Gehaltsreport 2018“ befragte Medscape seine Mitglieder diesmal nicht zum Geld, sondern zu ihrer Stimmung. Aus Deutschland haben mehr als 640 Ärzte geantwortet und sich zu ihren Hochs und Tiefs im Job geäußert.
Vergleichen Sie, wieviel Zeit Ihre Kollegen für Verwaltung aufwenden müssen und wie sie ihre Karriere verfolgen. Medscape fragte zum Beispiel: Wo findet man die besten Jobs? Was sorgt für Frust, was sind die größten Zeitfresser und wie gut oder schlecht fühlen sich Ärzte für ihre Mühen belohnt? Die spannenden Antworten zu diesen Themen – ebenso wie interessante Mentalitätsunterschiede zu Kollegen im Ausland – finden Sie auf den folgenden Slides:
Anmerkung zur Methodik (siehe auch Slide 14 und 15): Die internationale Online-Umfrage wurde im November/Dezember 2017 unter den Mitgliedern von Medscape durchgeführt. Teilnehmer für den Ländervergleich: Deutschland (n=549), USA (n=16 474), Großbritannien (n=648) und Spanien (n=526). Wenn nicht anders vermerkt, beziehen sich die Auswertungen auf in Vollzeit tätige Ärzte (n). Die Sample-Größe diese Umfrage ist nicht repräsentativ. Die Standardabweichung beträgt +/- 3,2% (IC 90%). API: Allgemeinarzt, Praktischer Arzt, Internist
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Den Beruf eines Arztes empfinden viele Mediziner als Berufung. Weil der Job so anstrengend ist, hat die Belohnung für das Engagement eine große Bedeutung. Ansonsten schwindet die Motivation. Unzufriedenheit kann sogar zum Burnout führen. Aber was verschafft Ärzten hierzulande Befriedigung? Warum lieben Sie ihren Job?
Jeder 2. Mediziner fühlt sich belohnt, wenn es ihm gelingt, gute Leistungen zu bringen, etwa kompetent Diagnosen und Lösungen zu finden. Die Dankbarkeit der Patienten steht an zweiter Stelle und spielt bei jedem 5. eine wichtige Rolle. Vor allem die Hausärzte nennen diese Form der Belohnung. Das Geld trägt überraschenderweise nur bei 8% als Einflussfaktor zur Job-Zufriedenheit bei.
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Es gibt durchaus kulturelle Unterschiede hinsichtlich der Gründe, warum der Job als Arzt glücklich macht. Für die Deutschen ist die Kompetenz (53%) wichtiger als für die Kollegen der anderen 4 Nationen (31 bis 35%). Dagegen besitzt die Dankbarkeit der Patienten bei Ärzten in den USA, Großbritannien und Frankreich einen höheren Stellenwert als hierzulande.
Viel Geld spielt bei allen Nationalitäten – in Deutschland aber besonders wenig – eine untergeordnete Rolle. Ein weiterer Mentalitätsunterschied: Britische Ärzte sind eher stolz darauf, Arzt zu sein, als ihre Kollegen in den anderen Ländern.
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Eine große Herausforderung des Arztberufs sind die vielen Richtlinien und Vorschriften bei Verwaltung und Abrechnung der Behandlungen. Fast jeder 2. Teilnehmer der Umfrage benennt diese Pflichten als unangenehme Seiten des Jobs. Überstunden und schwierige Patienten gehen nur etwa jedem 10. auf die Nerven. Frauen scheinen mit der Erledigung von Verwaltungsaufgaben weniger Probleme zu haben (30%) als ihre männlichen Kollegen (48% – Daten nicht dargestellt).
Trotz vieler Vorurteile gegen die Digitalisierung empfindet kaum ein Mediziner die Praxis-EDV oder elektronische Patientenakten (6%) als große Herausforderung. Auch die Angst verklagt zu werden (4%), ist hierzulande kaum ein Thema.
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Andere Länder, andere Gesetze. Oder beruhen die Unterschiede in den Antworten eher darauf, dass Franzosen, Spanier, Briten, Amerikaner und Deutsche mit Stolpersteinen im Medizinbetrieb unterschiedlich umgehen?
Vor allem deutsche und französische Ärzte ärgern sich über zu viele Regelungen bei der Verwaltung und Abrechnung. Am lockersten bleiben bei diesem Dauerärgernis die Spanier. Nur jeder 10. fühlt sich durch Papierkram beeinträchtigt.
Die Kollegen dort plagen sich jedoch mit Überstunden (37%) und auch deutlich geringeren Einkommen (siehe Gehaltsreport). Sie fühlen sich noch häufiger als ihre Kollegen in anderen Ländern von schwierigen Patienten genervt. In den USA und Frankreich hat fast jeder 10. Mediziner Angst verklagt zu werden. In den anderen Ländern nur jeder 20. Ärzte in den USA haben am ehesten Probleme damit, ihre Kosten erstattet zu bekommen. Auch international hält sich der Stress mit der Digitalisierung anscheinend allgemein in Grenzen. Vielleicht, weil sie bisher kaum verwirklicht ist?
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Werden Sie fair bezahlt? Sehr viele Ärzte verneinten diese zentrale Frage. 6 von 10 Medizinern fühlen sich nicht leistungsgerecht honoriert. Sie haben dennoch eine klare Vorstellung davon, wieviel sie mehr verdienen sollten. 43% der Unzufriedenen wünschen sich bis zu einem Viertel mehr Gehalt. Fast jeder 3. sogar eine Steigerung um die Hälfte. Jeder 10. wünscht sich sogar das Doppelte! Noch viel unzufriedener als die Deutschen sind Franzosen und Spanier, die aber auch zum Teil deutlich schlechter verdienen.
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Wollen Sie endlich raus aus der Klinik und planen Sie, sich demnächst niederzulassen? Den Traum von der eigenen Praxis wollten zum Zeitpunkt der Umfrage nur 8 von 100 angestellten Krankenhausärzten in naher Zukunft realisieren. Jeder 3. jüngere Arzt ist allerdings noch unentschieden. Jene, die mit über 45 Jahren noch im Krankenhaus arbeiten, wollen auch meist dort bleiben (86%).
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Ob im Ausland das Leben als Arzt besser ist oder nur öfter die Sonne scheint? Über die Gründe von Fernweh kann man nur spekulieren. Immerhin kann sich fast jeder 3. Teilnehmer dieser Umfrage vorstellen, Deutschland zu verlassen, um im Ausland zu praktizieren. Konkret verfolgen nur sehr wenige den Plan. Kaum überraschend ist, dass jüngere Mediziner offener für eine Berufstätigkeit im Ausland sind. Aber auch unter den Älteren scheint noch einer von 5 mit der Idee zu liebäugeln.
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Eine ungeliebte Pflicht ist für nahezu jeden Arzt die Dokumentation und die Verwaltung seiner Tätigkeit. Aber auch Forschung, Lehre, Fortbildung und Engagement in Berufsverbänden zählte in diese Umfrage zu den Tätigkeiten, die Zeit fressen, die wiederum von der Arbeit am Patienten abgeht. Aber ist die Belastung mit dem Drumherum wirklich so schlimm? Für viele schon:
Nahezu die Hälfte aller hier befragten Mediziner verbringt mehr als 15 Stunden pro Woche mit solchen Aufgaben. Das sind 3 Stunden pro Tag. Wer im Krankenhaus (58%) arbeitet, ist doppelt so häufig mit hohem Verwaltungsaufwand belastet wie ein Arzt in einer Praxis (28%). Fast schon beneidenswert sind jene 35% der Niedergelassenen, die weniger als 9 Stunden pro Woche mit Aktenarbeit verbringen. Vor allem die älteren Kollegen mit viel Routine verwenden anscheinend auf administrative Aufgaben eher weniger Zeit.
Besorgniserregend sind dagegen die Antworten von jüngeren Ärzten: Jeder 4. unter 45 Jahren verbringt mehr als 25 Stunden pro Woche mit Arbeiten, die nichts direkt mit Patienten zu tun haben. Das wäre deutlich über die Hälfte ihrer regulären Arbeitszeit. Vor allem im Krankenhaus arbeitet der Nachwuchs als Verwalter: 42% der Ärzte sind mehr als 20 Stunden mit Papierkram und Computerarbeit beschäftigt. Eine positivere Interpretation der Ergebnisse dieser Befragung wäre, dass die Jüngeren teilweise noch mehr Zeit auf Weiterbildung verwenden können.
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Die Zeit mit dem Patienten ist ein wertvolles Gut für beide Seiten. Die Qualität eines Arztes bemessen heute viele Patienten daran, wieviel Minuten er sich für sie Zeit nimmt. Aus wirtschaftlicher Sicht des Mediziners sollte ein Termin dagegen so kurz wie möglich ausfallen. Medscape wollten wissen, zu welchem Resultat dieser Interessenkonflikt in der Praxis führt:
Im Schnitt dauert bei den meisten Ärzten (71%) ein Patientenbesuch weniger als 16 Minuten. Viel Geduld für Patientenkontakte – im Schnitt länger als 25 Minuten – bringt nur jeder 10. Teilnehmer dieser Umfrage mit.
Fachärzte nehmen sich tendenziell etwas mehr Zeit. Der Standard bei Hausärzten liegt dagegen im Schnitt bei 9 bis 16 Minuten. In weniger als 9 Minuten fertigt jeder 6. Arzt seine Patienten ab.
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Sind Sie froh, dass Sie Arzt geworden sind? Mit einem klaren „Ja“ antworten 89% und scheinen damit diese wichtige Lebensentscheidung nicht zu bereuen – trotz der zunehmenden Herausforderungen im Gesundheitswesen. Bei Kollegen in Frankreich und Großbritannien fällt das Fazit fast genauso positiv aus. Eine Empfehlung an die Kinder, den gleichen Beruf zu ergreifen, sprechen 6 von 10 Ärzten aus.
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Stellen Sie sich vor, Sie wären wieder jung? Würden Sie noch einmal die Mühen eines Medizinstudiums auf sich nehmen, die gleiche Fachrichtung wählen? Ein interessantes Gedankenspiel. Ja, ich würde wieder Medizin studieren, sagen 79%. Auch hier ein klares Bekenntnis für die Liebe zu diesem Beruf. Die gleiche Fachrichtung könnten sich sogar 69% vorstellen. Das gleiche Arbeitsumfeld wünscht sich allerdings nur jeder 3. Das heißt wohl, die allermeisten finden ihr Fach zwar noch toll, nur sehnen sie sich nach anderen Arbeitsbedingungen.
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Was die Zukunftsplanung angeht, will jeder 2. Arzt, der an der Umfrage teilgenommen hat, noch Karriere machen. Die andere Hälfte ist zufrieden mit dem, was sie erreicht haben. Unter den Jüngeren (64% – Daten nicht dargestellt) ist der Wunsch nach beruflichem Weiterkommen verständlicherweise noch stärker ausgeprägt.
Ähnlich wie in anderen Berufssparten spielt bei der erfolgreichen Job-Suche das eigene Netzwerk (34%) die wichtigste Rolle. Es rangiert im Stellenwert weit vor der direkten Weiterbeschäftigung nach der Ausbildung (12%) und der Suche mit Hilfe von Stellenanzeigen. In der Medizin scheinen die Angebote in Online-Medien (8%) denjenigen in den Printmedien (9%) den Rang noch nicht abgelaufen zu haben. Allerdings ist ein Digitalisierungstrend deutlich erkennbar, wenn man auf die Altersverteilung blickt: Jüngere Ärzte nützen inzwischen digitale Portale deutlich häufiger als Printmedien.
Informationen zu den Teilnehmern:
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Informationen zu den Teilnehmern:
Krankenhaus oder Praxis? Angestellt oder selbstständig? Viele Ärzte überlegen sich gut, wie sehr der Beruf ihr Leben bestimmen darf und wählen entsprechend ihr Umfeld aus. Fast 2 Drittel der Teilnehmer arbeiten als Angestellte. Mehr als die Hälfte im Krankenhaus, ein Drittel als niedergelassene Ärzte. Nur jeder 5. Mediziner in dieser Umfrage führt in alleiniger Verantwortung eine Praxis. Jeder 6. hat sich mit Kollegen in einer Gemeinschaftspraxis zusammengetan. Teilzeit arbeiten nur 14% der Ärzte.
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Am häufigsten (je 11%) antworteten uns Ärzte aus folgenden Fachgebieten: Allgemeinmediziner, Internisten und überraschenderweise Anästhesisten. Die Allgemeinchirurgen liegen mit 8% knapp dahinter. Auch Kardiologen, Pädiater und Gynäkologen sind stärker vertreten als die meisten anderen Fachgebiete. Unter den weiteren, nicht auf der Liste aufgeführten Fachgebieten, finden sich 2% Neurochirurgen. Basis dieser Auswertung sind in Vollzeit beschäftigte Ärzte. Rund 60% der Befragten arbeiten in Krankenhäusern.
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