Philadelphia – Frauen, die bedingt durch eine akute Herzinsuffizienz einen kardiogenen Schock erleiden, haben schlechtere Outcomes und mehr vaskuläre Komplikationen als Männer, wie eine neue Analyse von Registerdaten zeigt.
„Diese Daten zeigen, dass wir weiter daran arbeiten müssen, Barrieren in den Bereichen Diagnose, Management und technologische Innovationen für Frauen mit kardiogenem Schock zu identifizieren, um diese Probleme zu eliminieren und die Outcomes zu verbessern“, sagte Seniorautor Dr. Navin Kapur vom Tufts Medical Center in Boston, USA, gegenüber Medscape.
Die Studie gilt als eine der größten zeitgenössischen Analysen von Real-World-Registerdaten zu den Charakteristika und Outcomes von Frauen und Männern mit kardiogenem Schock. Sie zeigt geschlechtsspezifische Unterschiede bei den Ergebnissen, die primär auf Unterschiede beim Herzinsuffizienz-bedingten kardiogenen Schock zurückgehen.
Frauen mit einem Herzinsuffizienz-bedingten kardiogenen Schock hatten einen schwereren kardiogenen Schock, ein schlechteres Überleben bei Entlassung und mehr vaskuläre Komplikationen als Männer. Die Ergebnisse beim kardiogenen Schock in Folge eines Myokardinfarkts waren dagegen bei Frauen und Männern größtenteils vergleichbar.
Die bei den Scientific Sessions der American Heart Association (AHA) in Philadelphia präsentierte Studie wurde auch in JACC: Heart Failure veröffentlicht [1,2].
Register, um Unterschiede zwischen Frauen und Männern mit kardiogenem Schock herauszufinden
Kapur gründete 2017 die Cardiogenic Shock Working Group, um qualitativ hochwertige Daten zum kardiogenen Schock zu sammeln. „Wir mussten feststellen, dass unsere Patienten starben, und wir hatten nicht genug Daten dazu, wie man sie am besten behandelt. Also starteten wir dieses Register. Und jetzt haben wir detaillierte Daten zu fast 9.000 Patienten mit kardiogenem Schock aus 45 Krankenhäusern in den USA, Mexiko, Australien und Japan“, erklärte er.
„Das Hauptziel [des Registers] ist, die offenen Fragen zum kardiogenen Schock untersuchen, deren Beantwortung die Behandlung verbessern kann. Und eine der wichtigsten Fragen war, welche Unterschiede es zwischen Frauen und Männern mit kardiogenem Schock gibt und wie ihre Outcomes aussehen. Darüber berichten wir in diesem Paper“, ergänzte Kapur.
Der kardiogene Schock sei definiert als Schock, der durch eine kritische Verminderung der kardialen Pumpleistung ausgelöst werde. Die häufigsten Ursachen seien ein Myokardinfarkt oder eine akute Herzinsuffizienz, sagte Kapur. Identifiziert würden Patienten mit kardiogenem Schock anhand des niedrigen Blutdrucks oder der Minderdurchblutung, die sich bei der klinischen Untersuchung zeigten. Auch Biomarker, wie erhöhte Laktatwerte, könnten auf einen kardiogenen Schock hinweisen.
„In dieser Analyse untersuchten wir nicht die Inzidenz des kardiogenen Schocks bei Frauen versus Männern“, sagte Kapur. „Aber wir glauben, dass der kardiogene Schock möglicherweise bei Frauen unterrepräsentiert ist. Es ist wahrscheinlich, dass die Inzidenz bei Frauen und Männern gleich ist, aber der kardiogene Schock bei Frauen oft nicht oder erst spät diagnostiziert wird.“
Registerdaten von über 5.000 Patienten analysiert
In der beim Kongress präsentierten Studie analysierten die Autoren Registerdaten von 5.083 Patienten mit kardiogenem Schock, 1.522 (30%) davon waren Frauen. Im Vergleich zu den Männern hatten die Frauen einen etwas höheren Body-Mass-Index (BMI) und eine kleinere Körperoberfläche.
Die Ergebnisse zeigten, dass Frauen mit Herzinsuffizienz-bedingtem kardiogenen Schock ein schlechteres Überleben bei Entlassung hatten als Männer (69,9% vs. 74,4%). Sie hatten außerdem häufiger einen refraktären Schock (SCAI-Stadium E; 26% vs. 21%). Bei Frauen wurde darüber hinaus seltener eine Katheterisierung der Lungenarterie (52,9% vs. 54,6%) oder eine Herztransplantation (6,5% vs. 10,3%) durchgeführt oder ein linksventrikuläres Unterstützungssystem (LVAD) implantiert (7,8% vs. 10%).
Unabhängig von der Ätiologie des kardiogenen Schocks hatten Frauen mehr vaskuläre Komplikationen (8,8% vs. 5,7%), Blutungen (7,1% vs. 5,2%) und Extremitätenischämien (6,8% vs. 4,5%).
„Diese Analyse ist ziemlich erhellend. Wir haben einige wichtige Unterschiede zwischen Frauen und Männern identifiziert“, sagte Kapur.
Bei den Patienten, die einen Herzinfarkt-bedingten kardiogenen Schock gehabt hätten, seien die Ausgangscharakteristika bei Frauen und Männern ziemlich ähnlich gewesen, sagte er. „Aber beim Herzinsuffizienz-bedingten kardiogenen Schock sahen wir mehr Unterschiede. Typische Komorbiditäten des kardiogenen Schocks, sprich Diabetes, chronische Nierenerkrankung und Hypertonie, waren bei den Frauen seltener als bei den Männern. Dies deutet darauf hin, dass es phänotypische Unterschiede geben könnte, weshalb Frauen versus Männer einen Herzinsuffizienz-bedingten kardiogenen Schock erleiden.“
Mögliche Gründe für unterschiedliche Behandlungen
Kapur hob hervor, dass die Unterschiede von BMI und Körperoberfläche zwischen Frauen und Männern bei der Entscheidung über die Behandlung des kardiogenen Schocks eine Rolle spielen könnten.
„Dass Frauen von kleinerer Statur sind, könnte zu einem Selektionsbias beitragen: Aus Sorge, Komplikationen zu verursachen, wollen wir keine großlumigen Pumpen und Katheter verwenden. In der Analyse fanden wir, dass vaskuläre Komplikationen wie Blutungen oder Ischämien der unteren Extremitäten, wo diese Devices üblicherweise zum Einsatz kommen, bei Frauen häufiger waren“, merkte er an.
„Wir stellten zudem fest, dass Frauen generell seltener invasive Therapien wie Katheterisierungen der Lungenarterien, temporäre mechanische Unterstützung und Herzersatzsysteme wie LVAD oder Transplantate erhielten“, fügte er hinzu.
Nach einem Propensity-Score-Matching waren einige der Unterschiede zwischen den beiden Geschlechtern nicht länger nachweisbar. Aber Frauen hatten weiterhin mehr vaskuläre Komplikationen als Männer (10,4 vs. 7,4%).
Kapur warnte aber, dass die Propensity-Score-gematchte Analyse einige Einschränkungen gehabt habe. „Beim Propensity-Score-Matching schaffen wir 2 Populationen, die sich so ähnlich wie möglich sind, und das reduzierte die Zahl der Patienten in der Analyse auf 25% der Originalpopulation“, sagt er. „Einer der Faktoren, die wir matchen mussten, war die Körperoberfläche, und indem wir das taten, eliminierten wir einen der wichtigsten Unterschiede zwischen Frauen und Männern. Und in der Folge verschwanden viele der Unterschiede bei den Outcomes.“
„In dieser Hinsicht kann das Propensity-Score-Matching ein zweischneidiges Schwert sein“, fügte er hinzu. „Ich denke, dass die Resultate der Analyse ohne Propensity-Score-Matching interessanter sind, da sie die echte Welt besser widerspiegeln.“
Kapur schlussfolgerte, dass diese Ergebnisse stringent genug seien, um davon auszugehen, dass es zwischen Frauen und Männern mit kardiogenem Schock Unterschiede bei den Outcomes und den Komplikationsraten gebe.
„Unsere Entscheidungsfindung bei weiblichen Patienten scheint anders zu sein als bei männlichen Patienten. Ich denke, dieses Paper sollte dazu beitragen, das Bewusstsein dafür zu schärfen.“ Kapur betonte auch, wie wichtig es sei, bei Frauen auf vaskuläre Komplikationen zu achten.
„Die höheren Raten an Blutungen und Ischämien in den Extremitäten bei Frauen könnten die Rationale für ein weniger aggressives Vorgehen im Hinblick auf invasive Therapien erklären“, sagte er. „Aber wir brauchen bessere Lösungen oder Technologien, damit sie bei Frauen effektiver eingesetzt werden können. Das könnten Anpassungen für kleinere Gefäße sein, was zu besseren Ergebnissen und weniger Komplikationen bei Frauen führen könnte.“
Kapur ergänzte, dass weitere Kerndaten zu diesem Problem nötig seien. „Wir haben sehr begrenzte Datensätze zum kardiogenen Schock. Es gibt nur wenige randomisiert-kontrollierte Studien, und Frauen waren in diesen unterrepräsentiert. Wir müssen sicherstellen, dass wir Frauen in randomisierte Studien einschließen.“
Geschlechtsspezifische Ungleichheit
In einem Editorial zur Publikation der Studie schreiben Dr. Sara Kalantari und Dr. Jonathan Grinstein von der University of Chicago und Dr. Robert O. Roswell von der Zucker School of Medicine at Hofstra, New York, dass die Ergebnisse „wertvolle Informationen zu geschlechtsbedingten Ungleichheiten bei Versorgung und Outcome des kardiogenen Schocks liefern, auch wenn die genauen Mechanismen, die für diese Unterschiede verantwortlich sind, erst noch geklärt werden müssen“ [3].
„Vereinfacht gesagt bestehen die Barrieren in der Versorgung von Frauen mit Herzinsuffizienz und kardiogenem Schock in einem mangelnden Bewusstsein auf Patienten- und Behandlerseite, einem Defizit an geschlechtsspezifischen, objektiven Kriterien für die Therapiesteuerung und ungünstigen Devices für die Kreislaufunterstützung, die bei Frauen mehr vaskuläre Komplikationen verursachen“, ergänzen sie.
„Im Zeitalter multidisziplinärer Schock-Teams und Schock-Pfaden mit protokollierten Managementalgorithmen ist es unerlässlich, dass wir immer noch Platz für eine individuelle Versorgung lassen, um den physiologischen Bedürfnissen der Patienten gerecht zu werden. Nur so können wir die Lücke zwischen Frauen und Männern in der Versorgung von Patienten mit kardiogenem Schock schließen“, schlussfolgern Kalantari und Roswell.
Dieser Artikel wurde von Nadine Eckert von www.medscape.com übersetzt und angepasst.
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Diesen Artikel so zitieren: Frauen mit Herzinsuffizienz im Nachteil: Bei kardiogenem Schock haben sie schlechteres Outcomes als Männer – muss das sein? - Medscape - 20. Nov 2023.
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