Wenn Arbeitgeber begründete Zweifel an der Krankschreibung haben – Folgen für ausstellende Ärzte

Nadine Ettling

Interessenkonflikte

15. November 2023

Ein Streit darüber, ob ein Arbeitnehmer oder eine Arbeitnehmerin tatsächlich arbeitsunfähig ist und Anspruch auf das Gehalt für den fraglichen Zeitraum besteht, führt die betroffenen Parteien nicht selten vor Gericht. Wie unterschiedlich solche Fälle ausgehen können, erklärt Nadine Ettling, Fachanwältin für Medizinrecht.

Nadine Ettling

Eine ärztliche Krankschreibung ist ein Gesundheitszeugnis, das den Gesundheitszustand von Arbeitnehmenden bescheinigt und eine bestehende Arbeitsunfähigkeit formal bestätigt. Der rechtliche Beweiswert der Krankschreibung ist hoch, doch nicht unumstößlich. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Arbeitsunfähigkeit in zeitlichem Zusammenhang mit Konflikten am Arbeitsplatz steht. Die Folgen einer fingierten Krankschreibung treffen sowohl die Arbeitnehmerin bzw. den Arbeitnehmer als auch die ausstellende Ärztin bzw. den ausstellenden Arzt.

Beweislage vor Gericht

Vor Gericht gilt die ärztliche Krankschreibung als wichtiges Beweismittel, um die Erkrankung und somit den Anspruch auf Lohnfortzahlung zu belegen. Ihr wird zunächst geglaubt.

Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass der Beweiswert der Krankschreibung von den Arbeitgebenden in Frage gestellt werden kann, wenn diese Umstände darlegen und beweisen, die ernsthafte Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit des oder der Krankgeschriebenen aufkommen lassen. Sollte die Arbeitgeberseite erfolgreich Zweifel wecken, liegt die Beweislast auf Arbeitnehmerseite, die nun substantiiert darlegen und beweisen muss, dass sie tatsächlich arbeitsunfähig war.

Möglich ist dies beispielweise durch die Befragung des behandelnden Arztes oder der behandelnden Ärztin nach entsprechender Befreiung von der Schweigepflicht und ist deutlich aufwendiger und unangenehmer als die Vorlage eines einfachen ärztlichen Attests.

Begründete Zweifel an der Krankschreibung

Grundsätzlich sieht das Bundesarbeitsgericht den Beweiswert einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung dann erschüttert, wenn diese den genauen Zeitraum einer Kündigungsfrist abdeckt – also die Zeit von der Kündigungserklärung bis zum tatsächlichen Ende des Arbeitsverhältnisses.

Doch wie immer gibt es Ausnahmen von der Regel. Einige Beispiele der Rechtsprechung zum Beweiswert der Kündigung:

  • Die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung deckt genau die Restlaufzeit des Arbeitsverhältnisses nach Kündigung ab: Der Beweiswert ist erschüttert und die Erkrankung muss anders nachgewiesen werden (Bundesarbeitsgericht BAG, Urteil vom 8.9.2021 5 AZR 149/21 ).

  • Die Krankschreibung erfolgt einen Tag vor Kündigung und wird mit verschiedenen Begründungen bis exakt zum Ende der Kündigungsfrist verlängert: Die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen sind glaubwürdig (Landesarbeitsgericht LAG Niedersachsen, Urteil vom 08.03.2023 8 Sa 859/22 ).

  • Die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung mit gleichzeitiger Eigenkündigung eines Chefarztes und anschließender 10-stündiger Bahnfahrt in die Heimat ist glaubwürdig (Landesarbeitsgericht LAG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 13.7.2023 5 Sa 1/23 ).

Die Folgen

Ob eine Krankschreibung glaubhaft ist, hängt immer von den Umständen des Einzelfalls ab.

Bestehen begründete Zweifel an der bescheinigten Arbeitsunfähigkeit, kann dies nicht nur weitreichende arbeitsrechtliche Folgen für den betroffenen Arbeitnehmer bis hin zur fristlosen Kündigung haben. Auch für die ärztlichen Kolleginnen und Kollegen, die diese Gefälligkeitsatteste ausgestellt haben, kann die Offenlegung dieser strafrechtlich relevanten Handlung schwerwiegende berufliche Konsequenzen haben.

Dieser Artikel ist im Original am 31. Oktober 2023 erschienen auf Coliquio.de.
 

Kommentar

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