Was tun bei subklinischem Vorhofflimmern? Apixaban im Vergleich zu ASS senkt das Schlaganfallrisiko, erhöht aber Blutungsrate

Dr. Susanne Heinzl

Interessenkonflikte

13. November 2023

Philadelphia – Bei Patienten mit subklinischem Vorhofflimmern verringerte Apixaban im Vergleich zu Acetylsalicylsäure das Risiko für einen Schlaganfall oder eine systemische Embolie um 37% (p=0,007). Starke Blutungen waren mit Apixaban häufiger, tödliche oder intrakraniale Blutungen nahmen im Vergleich zu Acetylsalicylsäure (ASS) jedoch nicht zu.

Prof. Dr. Jeff Healey

„Eine Antikoagulation sollte bei den Patienten mit subklinischem Vorhofflimmern in Erwägung gezogen werden, die zusätzliche Risikofaktoren für einen Schlaganfall haben.“ Diese Schlussfolgerung zog Prof. Dr. Jeff Healey, Population Health Research Institute, McMaster University, Hamilton, Ontario, Kanada, aus den Ergebnissen der ARTESIA-Studie, die er bei den Scientific Sessions 2023 der American Heart Association präsentiert und parallel im New England Journal of Medicine publiziert hat [1,2].

Prof. Dr. Christine Albert

Diskutantin Prof. Dr. Christine Albert, Smidt Heart Institute, Cedars-Sinai Medical Center, Los Angeles, wies darauf hin, dass in der NOAH-AFNET-6-Studie bei Patienten mit atrialen Hochfrequenz-Episoden (AHRE) mit Edoxaban im Vergleich zu Placebo kein Effekt auf kardiovaskulären Tod, Schlaganfall oder systemische Embolien gesehen werden konnte, das Blutungsrisiko aber um 30% erhöht war [3,4,5].

 
Eine Antikoagulation sollte bei den Patienten mit subklinischem Vorhofflimmern in Erwägung gezogen werden, die zusätzliche Risikofaktoren für einen Schlaganfall haben. Prof. Dr. Jeff Healey
 

Die ARTESIA-Studie hat sich jedoch nur auf AHRE von weniger als 24 Stunden Dauer konzentriert, und der primäre Endpunkt umfasste nur Schlaganfall und systemische Embolien. Die Sicherheitsendpunkte wurden in der As-Treated-Population erfasst, und die Vergleichsgruppe erhielt Acetylsalicylsäure und kein Placebo.

In der ARTESIA-Studie hat Edoxaban das Schlaganfallrisiko im Vergleich zu Acetylsalicylsäure um 0,44%/Jahr reduziert, was einer Number-Needed-to-Treat (NNT) von 250 entspricht, in der AVERROES-Studie bei Patienten mit klinischem VHF jedoch um 2,1%/Jahr, was eine NNT von 47 bedeutet. Das absolute Blutungsrisiko nahm mit Apixaban um 0,77% pro Jahr zu, was eine Number-Needed-to-Harm (NNH) von 130 bedeutet.

„Angesichts des Nutzen-Risiko-Verhältnisses sollten vor der Implementierung von NOAK bei Device-Patienten mit subklinischem Vorhofflimmern <24 Stunden weitere Überlegungen durch Expertengremien für Leitlinien erfolgen“, so ihre Empfehlung.

Subklinisches Vorhofflimmern und Schlaganfallrisiko

Subklinisches Vorhofflimmern verläuft asymptomatisch oder löst nur kurz dauernde, unspezifische Symptome aus, so dass es nicht ohne weiteres diagnostiziert werden kann, sondern nur mit einem implantierten Herzschrittmacher oder Defibrillator. Es tritt bei mehr als einem Drittel älterer Hypertoniker mit Herzschrittmacher auf und ist mit einem um den Faktor 2,5 erhöhten Risiko für einen ischämischen Schlaganfall oder eine systemische Embolie verbunden. Absolut steigt das Schlaganfallrisiko bei subklinischem Vorhofflimmern jedoch nur um 1 Prozentpunkt pro Jahr und ist damit nur etwa halb so hoch wie bei Patienten mit klinisch nachgewiesenem Vorhofflimmern.

Wegen des Blutungsrisiko gerade bei älteren Menschen ist die Rolle der Antikoagulation unklar. In Leitlinien und Konsensus-Papieren werden randomisierte Studien zur Klärung dieser Frage gefordert.

Design der ARTESIA-Studie

In der randomisierten, doppelblinden ARTESIA-Studie (Apixaban for the Reduction of Thrombo-Embolism in Patients with Device-Detected Subclinical Atrial Fibrillation) wurden 4.012 Patienten mit einem implantierten Schrittmacher, Defibrillator oder kardialen Monitor und subklinischem Vorhofflimmern zwischen 6 Minuten und 24 Stunden im Alter ≥ 55 Jahren und einem CHA2-DS2-Vasc-Score ≥ 3 oder im Alter ≥ 75 Jahren oder mit einem Schlaganfall in der Anamnese aufgenommen. In 27 Zentren in 16 Ländern erhielten 2.015 Patienten Apixaban (5 mg oder 2,5 mg 2°x täglich) und 1.997 Patienten Acetylsalicylsäure (81 mg/Tag) im Double-Dummy-Design.

Primärer Endpunkt der Studie war Schlaganfall oder systemische Embolie, als Sicherheitsendpunkt wurden starke Blutungen erfasst.

Von den 4.012 Patienten erhielten 99% mindestens 1 Dosis der Studienmedikation. Bei 24% der Patienten wurde nach einem medianen Follow-up von 1,5 Jahren die Medikation wegen eines länger als 24 Stunden anhaltenden subklinischen Vorhofflimmerns (VHF) oder wegen eines klinischen VHF gestoppt. 35% der Patienten hörten mit der Einnahme aus anderen Gründen auf. 22% der Patienten starben im Verlauf von 3,5 Jahren, es handelte sich um eine relativ alte Gruppe.

Die demografischen Parameter der beiden Gruppen waren gut vergleichbar. Das Durchschnittsalter der Patienten lag bei knapp 77 Jahren, etwa 1/3 waren Frauen. Der CHA2-DS2-Vasc-Score lag bei 3,9. 57,4% der Patienten verwendeten ASS vor der Randomisierung. Bei 9,4% war die niedrigere Apixaban-Dosis indiziert.

Primärer Endpunkt erreicht

Nach einem Follow-up von im Mittel 3,5 Jahren wurde der primäre Endpunkt erreicht. Apixaban reduzierte das Risiko für Schlaganfall und systemische Embolie signifikant um 37% (Hazard Ratio [HR] 0,63, p=0,007). In der Apixaban-Gruppe kam es zu 55 Ereignissen (0,78% pro Patientenjahr), in der ASS-Gruppe zu 86 Ereignissen (1,24% pro Patientenjahr) (Tab. 1).

 

Tab.1: Primäre Wirksamkeitsanalyse (Intention-To-Treat [ITT]) der ARTESIA-Studie [mod. nach 1, 2].

 

Apixaban
(n°=°2.015)

ASS
(n°=°1.997)

Hazard-Ratio

p-Wert

Schlaganfall oder systemische Embolie

55 (0,78%)

86 (1,24%)

0,63

0,007

Schlaganfall gesamt

55 (0,78%)

84 (1,21%)

0,64

 

Ischämischer Schlaganfall

45 (0,64%)

71 (1,02%)

0,62

 

Hämorrhagischer Schlaganfall

10 (0,14%)

13 (0,18%)

0,76

 

Mod. Rankin-Score 0 – 2

31 (0,44%)

45 (0,65%)

0,68

 

Mod. Rankin-Score 3 – 6

19 (0,27%)

37 (0,53%)

0,51

 

Kardiovaskulärer Tod

105 (1,47%)

108 (1,53%)

0,96

 

 

Das Risiko für schwere Schlaganfälle mit einem Score zwischen 3 und 6 auf der modifizierten Rankin-Skale war in der Apixaban-Gruppe im Vergleich zur ASS-Gruppe um 49% geringer.

In der On-Treatment-Analyse kam es in der Apixaban-Gruppe bei 86 Patienten (1,71%) zu starken Blutungen, was signifikant häufiger war als in der ASS-Gruppe mit 47 Patienten (0,94%; HR 1,8, p=0,001). Tödliche Blutungen und symptomatische intrakraniale Blutungen waren mit Apixaban nicht häufiger als mit ASS.

In der Intention-To-Treat (ITT)-Analyse traten mit Apixaban 31 weniger Schlaganfälle oder systemische Embolien auf als mit ASS. Es kam jedoch nach der On-Treatment-Analyse zu 39 mehr Fällen von schweren Blutungen. Allerdings zieht ein Schlaganfall einen Verlust an Hirngewebe nach sich, während die Patienten sich von einer Blutung meist vollständig erholen.

Deshalb schlussfolgern die Autoren um Healey im NEJM: „Da die verhinderten Schlaganfälle wesentlich schwerer waren als die verursachten Blutungen, sind wir der Meinung, dass diese Ergebnisse dafür sprechen, den Einsatz einer oralen Antikoagulation bei Patienten mit Risikofaktoren für einen Schlaganfall zu erwägen, bei denen sich ein subklinisches Vorhofflimmern entwickelt.“

 

Kommentar

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