Test auf Hirnschäden durch Kopfbälle und Kollisionen? Biomarker und PET-Bilder decken Entzündungen bei Football-Spielern auf

Michael van den Heuvel

Interessenkonflikte

13. November 2023

Ob bestimmte Sportarten mit Kopfballspiel oder mit erhöhtem Kollisionsrisiko das Gehirn dauerhaft schädigen, ist seit Jahrzehnten Thema der Forschung. Bei American-Football-Spielern treten ähnlich wie bei Boxern symptomatische und asymptomatische Traumata recht häufig auf. Neurologen sprechen von einer chronisch-traumatischen Enzephalopathie (CTE) mit typischen Symptomen wie Gedächtnisstörungen und Depressionen. Eine neue Studie zeigt, wie der Nachweis per PET-Bildgebung gelingt [1].

Was war bisher bekannt?

Zum Hintergrund: In JAMA berichteten Neurologen bereits 2012 von Unterschieden in der Integrität der weißen Substanz zwischen Fußballspielern und Schwimmern. Sie interpretieren ihre Ergebnisse als Hinweis auf eine mögliche Demyelinisierung nach leichten Schädel-Hirn-Traumata.

Eine 2015 im Journal of Neurotrauma publizierte Studie zeigte bei ehemaligen Fußball-Profis signifikant höhere Werte von Cholin, einem Membranmarker, und von Myo-Inositol, einem Marker für die Glia-Aktivierung. Beide Moleküle werden in Zusammenhang mit neuroinflammatorischen Vorgängen gesehen. Als Kontrollen dienten Personen, die körperlich aktiv waren, aber keine Kontaktsportart ausführten.

Wenige Jahre später ergab eine im New England Journal of Medicine publizierte Studie, dass ehemalige Fußballprofis eine 3,5-mal höhere Demenz-bedingte Sterberate haben als die Allgemeinheit. Weitere in JAMA Neurology publizierte Ergebnisse der Studie zeigen, dass das Risiko einer neurodegenerativen Erkrankung bei ehemaligen Profi-Kickern je nach Position und Dauer der Karriere variiert. Während Torhüter, die Bälle nur selten köpfen, ein Risiko haben, das sich statistisch nicht von dem einer Kontrollgruppe unterscheidet, haben Verteidiger – die am häufigsten köpfen – ein 5-fach erhöhtes Risiko für eine neurodegenerative Erkrankung. Dieses Risiko nimmt zu, je länger die Karriere eines Spielers dauert.

Chronisch-traumatische Enzephalopathien nur postmortal nachweisbar

Ehemalige professionelle American-Football-Spieler, die an medizinischen und psychischen Erkrankungen wie Depressionen, Angstzuständen oder Schlafapnoe leiden, erhalten im Vergleich zu Spielern ohne diese Erkrankungen häufiger die Verdachtsdiagnose einer chronisch traumatischen Enzephalopathie (CTE). Befragungen von American-Football-Spielern bringen vor allem Depressionen, Angstzustände und Schlafapnoe mit der Verdachtsdiagnose CTE in Verbindung.

CTE ist eine neurodegenerative Erkrankung, die mit wiederholten Kopfstößen in der Vorgeschichte einhergeht und durch Proteinaggregate und durch eine Degeneration des Gehirngewebes gekennzeichnet ist. Per Definition sind zweifelsfreie CTE-Diagnosen bei einer lebenden Person nicht möglich.

In einer kürzlich durchgeführten Autopsie-Studie der Universität Boston wurden die Gehirne von 376 verstorbenen Spielern der National Football League (NFL) untersucht; 345 (92%) lieferten Hinweise auf eine CTE. Ein Selektions-Bias ist dabei nicht auszuschließen. NFL-Spieler, die ihr Gehirn nach ihrem Tod der Wissenschaft spenden, tun dies wahrscheinlich aus einem bestimmten Grund, womöglich, weil sie an neurologischen Erkrankungen leiden.

„Aber es lässt sich kaum noch leugnen, dass es einen eindeutigen Zusammenhang zwischen NFL-Spielen und Hirnschäden gibt, zumindest in qualitativer Hinsicht“, sagt Dr. F. Perry Wilson in seinem Medscape-Videoblog. Er arbeitet an der Yale School of Medicine, New Haven.

Mit PET-Scans entzündlichen Vorgängen im Gehirn auf der Spur

Bei einer Studie, die jetzt in JAMA Network Open erschienen ist, wählten die Forscher einen anderen Ansatz. Sie arbeiten mit dem Biomarker TSPO (Translocator Protein), einem Transmembranprotein der äußeren Mitochondrienmembran. TSPO erweist sich als empfindlicher Marker für Entzündungen und Reparaturen. Wenn Gewebe geschädigt wird, reguliert der Körper die Expression von TSPO nach oben. Dies lässt sich mit PET-Scans nachweisen, falls ein spezieller Tracer zum Einsatz kommt.

Die Forscher nahmen 27 Personen in ihre Studie auf, die alle mindestens in den letzten 12 Jahren in der NFL gespielt hatten. Die durchschnittliche Spieldauer betrug etwa 6 Jahre. Als Kontrollgruppe dienten 27 Profi-Schwimmer: eine Sportart ohne Körperkontakt.

Nachdem Wissenschaftler beide Gruppen zahlreichen neuropsychiatrischen Tests unterzogen hatten, folgten PET-Scans mit dem spezifischen Tracer. Bei ehemaligen NFL-Spielern wurden durchweg höhere TSPO-Werte festgestellt, verglichen mit den Schwimmern. „Auch dies ist ein Anzeichen für eine Verletzung, eine Reparatur oder beides“, kommentiert Wilson im Blog.

Anhand der TSPO-Werte zeigt sich, dass im frontalen Kortex, im cingulären Kortex und im Hippocampus der ehemaligen NFL-Spieler deutlich mehr Schäden und/oder Reparaturen auftreten, verglichen mit der Kontrollgruppe.  

NFL-Spieler schnitten bei den meisten kognitiven Tests ähnlich ab wie Schwimmer. Bemerkenswerte Defizite gab es bei bestimmten bei Lern- und Gedächtnistests. Die Autoren stellen jedoch fest, dass die Leistung in den kognitiven Tests nicht mit dem Grad der TSPO-Aktivierung bei den NFL-Spielern korreliere. „Also ja, die NFL-Spieler hatten insgesamt mehr TSPO, und ja, die NFL-Spieler hatten insgesamt schlechtere Gedächtnisleistungen, aber es waren nicht dieselben NFL-Spieler, die beide Probleme hatten“, erklärt Wilson. „Dieser neue Scan ist also kein Patentrezept (…).“

Wilson: „Auf makabre Weise werden wir den Wert dieser Scans vielleicht erst viel später erkennen, wenn sich herausstellt, dass Spieler an Demenz leiden oder (hoffentlich) nicht, und noch später bei der Autopsie.“ Er äußerte sich jedoch optimistisch, dass es bald Fortschritte gebe, um CTE schon bei Lebenden zu erkennen.

Mit Material von Medscape.com und Univadis.de .

 

Kommentar

3090D553-9492-4563-8681-AD288FA52ACE
Wir bitten darum, Diskussionen höflich und sachlich zu halten. Beiträge werden vor der Veröffentlichung nicht überprüft, jedoch werden Kommentare, die unsere Community-Regeln verletzen, gelöscht.

wird bearbeitet....