Therapiefehler mit Folgen: Diese 5 Medikamentenverwechslungen kommen oft vor – und gefährden Patienten immens

Marina Urbanietz

Interessenkonflikte

9. November 2023

Medikamentenverwechslungen mit zum Teil fatalen Folgen kommen vor allem in Kliniken immer wieder vor. Eine der besten Gegenstrategien ist die Kenntnis über die häufigsten Fehlerquellen. Hier finden Sie 5 Medikamentenkombinationen mit hohem Verwechslungspotenzial.

Oxytocin und Dexamethason

Oxytocin (u.a. für die Förderung der Wehentätigkeit) und Dexamethason (zur Prophylaxe von Übelkeit und Erbrechen nach einem Kaiserschnitt) werden als Standardmedikamente während der Geburt vorgehalten. Im Fehlerberichtssystem CIRSmedical wird von der Gefahr von Medikamentenverwechslung im Kreißsaal gewarnt. Die beiden Medikamente sind mit gelb/braunen DIVI-Spritzenetiketten versehen und sehen sich dadurch sehr ähnlich.

Eine Verwechslung könnte die Gesundheit des Neugeborenen gefährden. So kann das zu frühe Spritzen von Oxytocin zu schwerwiegenden Problemen bei einem Kaiserschnitt führen und das Kind gefährden. Eine unmittelbare Gefährdung des Neugeborenen durch Dexamethason besteht unabhängig vom Zeitpunkt der Injektion hingegen nicht.

Im dazugehörigen CIRS-Kommentar werden einige Strategien zur Reduktion der Verwechslungsgefahr genannt. So könnte zum Beispiel zusätzliche, gut sichtbare Kennzeichnung einer der Spritzen mittels eines wasserfesten Stiftes angebracht werden. Man könnte auch Verschlusskonen mit unterschiedlicher Farbe verwenden (z. B. Oxytocin rot, Dexamethason blau).

Ephedrin und Epinephrin

Die Verwechslung der beiden Medikamente wurde bereits einige Male in CIRS-Berichten erwähnt. Während Ephedrin als Sympathomimetikum unter anderem für die Behandlung von Hypotonie, chronischer Bronchitis und Asthma bronchiale eingesetzt wird, findet Epinephrin (Adrenalin) bei Herz-Kreislauf-Stillstand oder schweren anaphylaktischen Reaktionen Anwendung. Eine Verwechslung könnte somit – vor allem in einer Notfallsituation – verheerende Folgen haben.

Wie bereits bei Oxytocin und Dexamethason, werden auch hier die beiden Spritzen nach DIVI gekennzeichnet und sehen sich dadurch farblich sehr ähnlich. Im CIRS-Kommentar wird die Problematik folgendermaßen beschrieben: „Dem Farbkonzept der DIVI-Kennzeichnung liegt der Gedanke zugrunde, dass Verwechselungen innerhalb einer Wirkungsgruppe weniger schwerwiegende Folgen haben als Verwechselungen zwischen unterschiedlichen Gruppen (z. B. Verwechselung eines Hypnotikums mit einem Relaxans)“.  

In diesem Fall haben die beiden Spritzen nicht nur eine ähnliche farbliche Kennzeichnung, sondern auch einen ähnlichen Namen, was eine Verwechslung noch wahrscheinlicher macht.

Cotrim forte und Calcium forte

In einem weiteren Bericht aus dem CIRS-Fehlerberichtssystem kam es zu einer Verwechslung aufgrund einer unleserlichen, handschriftlichen Anordnung und ähnlicher Medikamentennamen („sound-alike”). Bei einem älteren Patienten wurde Cotrim forte (Cotrimoxazol, Kombinationspräparat aus den Antibiotika Sulfamethoxazol und Trimethoprim) statt Calcium forte (Nahrungsergänzungsmittel) gelesen. Der Patient kam jedoch nicht zu Schaden, da er nach Erhalt des falschen Medikaments noch einmal nachfragte und es nicht einnahm.

Metamizol- und Laxanstropfen

In einem Fall aus dem Netzwerk CIRS Berlin kam es zu einer Verwechslung von Metamizol- und Laxanstropfen aufgrund von ähnlich aussehenden Verpackungen. Wegen unklarer Durchfälle hätte der Fehler bis zu einer Isolierung der betroffenen Patienten führen können.

Zudem sollte die versehentliche Gabe von Laxantien laut dem CIRS-Kommentar zu dem vorliegenden Fall grundsätzlich nicht unterschätzt werden: So könne eine Dehydratation zu Verwirrtheit und Stürzen führen.

Urapidil und Tranexamsäure

Urapidil ist ein Antihypertensivum und wird als Soforttherapie bei einer akuten Bluthochdruckkrise eingesetzt, während die Tranexamsäure (TXA) ein hochpotentes Antifibrinolytikum ist, das bei schweren Blutungen zur Anwendung kommt. Eine Verwechslung der beiden Medikamente könnte fatale Folgen haben. Zudem werden die beiden Medikamente vor allem in einer Notfallsituation verwendet, dementsprechend sind auch der Zeitdruck und Stresslevel hoch.

Über die Gefahr solcher Verwechslungen bereits beim Einsortieren im Krankenwagen berichten Kollegen aus der Anästhesiologie in einem Fall aus dem Netzwerk CIRS Berlin. So seien beide Verpackungen identisch im Aussehen. Auch die Ampullen-Aufkleber sähen sich zum Verwechseln ähnlich. Zudem stünden sie im Schrank nebeneinander, da alle Medikamente alphabetisch sortiert würden.

Als Lösungsstrategie wird in diesem Fall empfohlen, Urapidil nicht bei „U“, sondern bei „E“ als Ebrantil® (Handelsname) einzusortieren, um die beiden Mittel schon einmal räumlich zu trennen.

Erfahrungen der Kollegen

Im Kommentarbereich von Coliquio kamen einige Erfahrungsberichte Ihrer Kolleginnen und Kollegen zu Medikamenten- oder Dosisverwechslungen zusammen. 

Morphiumpflaster: Falsche Dosis verabreicht. Das Komma wurde als Punkt geschrieben und deshalb übersehen: Bei 125 anstatt 12.5µg ist die Patientin (in diesem Fall die Ehefrau von „petebbgton“) beinahe nicht mehr aufgewacht. Daraufhin wurde in der Patientenakte vermerkt: „Frau D verträgt Morphiumpflaster wohl nicht so gut...“

Avastin® vs. Atorvastatin: Ein Patient gibt an, Avastin® (Krebsmittel) einzunehmen. Erst nach einer intensiven Recherche seitens des coliquio-Mitglieds „alex-k“ stellt sich heraus, dass Atorvastatin (Statin) gemeint ist.

Dipi: Dipidolor® oder Dipiperon®? Ein anderesColiquio-Mitglied berichtet von einem spektakulären Fall einer missglückten Abkürzung und einer schnellen Falschannahme seitens des Stationspersonals. Der Stationsarzt verschreibt „Dipi b. Bed“ gegen Schmerzen. Daraufhin kommt die Stationsschwester mit einem Medikamentenbecher gefüllt, während die Patientin – selbst Angehörige der Heilberufe – eine subkutane Gabe erwartet. Auf Nachfrage kommt prompt: „Das ist der Dipi-Saft, den gebe ich immer so, wenn es angeordnet ist“. Schell wird klar, dass der Stationsschwester der Unterschied zwischen Dipidolor® (Wirkstoff Piritramid, Analgetikum aus der Gruppe der Opioide) und Dipiperon® (Wirkstoff Pipamperon, Neuroleptikum) schlicht nicht bekannt ist. Ihre Antwort klingt trotzdem selbstsicher: „Dipi ist Dipi, die Patienten haben keine Schmerzen mehr“.

Der Beitrag ist im Original erschienen auf Coliquio.de.

 

Kommentar

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