Antibiotikaresistenzen sind ein großes Problem der öffentlichen Gesundheit. Im Jahr 2019 wurden weltweit 4,95 Millionen Todesfälle mit bakterieller Antibiotikaresistenz in Verbindung gebracht, darunter 1,27 Millionen Todesfälle, die direkt auf bakterielle Antibiotikaresistenz zurückzuführen sind. Wenn sich dieser Trend fortsetzt und es keine neuen Medikamente zur Behandlung von bakteriellen Infektionen gibt, werden im Jahr 2050 schätzungsweise 10 Millionen Menschen pro Jahr an Antibiotikaresistenzen sterben.
Nur wenige neue Substanzen befinden sich in der Entwicklung, aber ein neues Antibiotikum namens Clovibactin macht Hoffnung. Dieses Medikament, das aus bisher nicht untersuchten Bakterien isoliert wurde, scheint dank eines ungewöhnlichen Wirkmechanismus in der Lage zu sein, multiresistente „Superkeime“ zu bekämpfen.
Das Medikament wurde von Wissenschaftlern der Universität Utrecht in den Niederlanden, der Universität Bonn in Deutschland, des Deutschen Zentrums für Infektionsforschung, der Northeastern University in Boston und von NovoBiotic Pharmaceuticals in Cambridge, Massachusetts, entdeckt und untersucht. Die Forschungsergebnisse wurden in Cell veröffentlicht [1].
„Da Clovibactin aus Bakterien isoliert wurde, die zuvor nicht gezüchtet werden konnten, haben pathogene Bakterien ein solches Antibiotikum noch nie gesehen und hatten keine Zeit, eine Resistenz zu entwickeln“, sagt Dr. Markus Weingarth, Wissenschaftler in der Chemieabteilung der Universität Utrecht.
Isolation der mikrobiellen „dunkle Materie“
Die Wissenschaftler isolierten Clovibactin aus Sandböden in North Carolina und untersuchten es mit dem 2015 entwickelten iCHip-Gerät. Diese Technik ermöglichte es ihnen, „bakterielle dunkle Materie“ zu züchten: nicht kultivierbare Bakterien, zu denen 99% der Bakterien gehören.
Das Gerät ebnete auch den Weg für die Entdeckung des Antibiotikums Teixobactin im Jahr 2020. Teixobactin ist gegen grampositive Bakterien wirksam. Es gilt als eines der ersten wirklich neuen Antibiotika seit Jahrzehnten. Sein Wirkmechanismus ähnelt dem von Clovibactin.
Resistente Bakterien im Fokus
Die Wissenschaftler haben gezeigt, dass Clovibactin über mehrere Mechanismen wirkt. Sie haben Mäuse, die mit dem Superbazillus Staphylococcus aureus infiziert waren, erfolgreich behandelt.
Clovibactin zeigt antibakterielle Aktivität gegen ein breites Spektrum grampositiver Krankheitserreger, einschließlich methicillinresistenter S. aureus, daptomycinresistenter und vancomycinresistenter S. aureus-Stämme sowie schwer zu behandelnder vancomycinresistenter Enterococcus faecalis und E. faecium (vancomycinresistente Enterokokken).
Escherichia coli wurde nur geringfügig geschädigt, was die Forscher mit einer unzureichenden Penetration der Verbindung erklären.
Ein Blick auf den Wirkmechanismus
Clovibactin wirkt nicht auf ein, sondern auf 3 Moleküle, die alle für den Aufbau von Bakterienwänden wichtig sind: C55PP, Lipid II und Lipid IIIWTA. Sie stammen aus verschiedenen Zellwand-Biosynthesewegen. Clovibactin bindet an den Pyrophosphat-Anteil dieser Vorstufen.
„Clovibactin wickelt sich um das Pyrophosphat wie ein enger Handschuh, wie ein Käfig, der sein Ziel umschließt“, sagt Weingarth. Daher komme auch der Name Clovibactin, der sich vom griechischen Wort klouvi (Käfig) ableite.
Der bemerkenswerte Aspekt des Mechanismus von Clovibactin ist, dass es nur an das unveränderliche Pyrophosphat bindet, das den Zellwandvorläufern gemeinsam ist. Den variablen Zucker-Peptid-Teil der Zielstrukturen ignoriert es. Die Bakterien haben es daher viel schwerer, eine Resistenz dagegen zu entwickeln. „Tatsächlich haben wir in unseren Studien keine Resistenz gegen Clovibactin festgestellt“, bestätigt Weingarth.
Nach der Bindung an die Zielmoleküle baut es sich selbst zu großen Fibrillen auf der Oberfläche der Bakterienmembranen auf. Diese Fibrillen sind lange Zeit stabil und sorgen dafür, dass die Zielmoleküle so lange eingeschlossen bleiben, wie es für die Abtötung der Bakterien notwendig ist.
Kaum Nebenwirkungen
Aufgrund des speziellen Wirkmechanismus des Antibiotikums sind nur wenige Nebenwirkungen zu erwarten. „Da sich diese Fibrillen nur auf bakteriellen und nicht auf menschlichen Membranen bilden, sind sie vermutlich auch der Grund dafür, dass Clovibactin selektiv Bakterienzellen schädigt, für menschliche Zellen aber nicht toxisch ist“, sagt Weingarth.
Weitere Studien – insbesondere am Menschen – sind nun erforderlich, bevor das Antibiotikum als potenzielle Behandlung in Betracht gezogen werden kann. In der Zwischenzeit müssen die Vorschriften für den ordnungsgemäßen Einsatz von Antibiotika weiter berücksichtigt werden, um Resistenzen gegen Antibiotika zu begrenzen.
Der Artikel ist im Original erschienen auf Medscape.fr.
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Credits:
Photographer: © Stanislau V
Lead Image: Dreamstime
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Diesen Artikel so zitieren: Mehr und mehr Antibiotikaresistenzen: Schließt Clovibactin, ein Molekül mit neuem Wirkmechanismus, therapeutische Lücken? - Medscape - 3. Nov 2023.
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