Im Medscape-Corona-Newsblog finden Sie regelmäßig eine Auswahl von klinisch relevanten Kurzmeldungen zu COVID-19.
Corona-Newsblog, Update vom 26. Oktober 2023
COVID-19 – die Lage in Deutschland
USA: Deutlich weniger Krebsdiagnosen während der Pandemie
Nirmatrelvir und Molnupiravir zur Prävention von Post-COVID-Symptomen?
Psychotherapie: Weniger Unterbrechungen durch die Telemedizin
Cocktail aus Adjuvanzien erzeugt Immunität – ganz ohne Antigene
COVID-19-Impfung in der Schwangerschaft: Forscher geben einmal mehr Entwarnung
Schweres COVID-19: Diese Rolle spielen Mykosen
COVID-19 – die Lage in Deutschland
Im Corona-Pandemieradar berichtet das Bundesministerium für Gesundheit über aktuelle Zahlen. Derzeit liegt die 7-Tage-Inzidenz bei 16 COVID-19-Fällen pro 100.000 Einwohner (Vorwoche: 13). Die Zahl der Arztbesuche wegen einer akuten Atemwegserkrankung mit einer COVID-19-Diagnose beträgt 113 je 100.000 Einwohner und ist damit 49 % höher als in der Vorwoche (76). Die Hospitalisierungsinzidenz liegt bei 3,7 COVID-19-Fällen pro Woche und pro 100.000 Einwohner. Sie ist damit 20 % höher als in der Vorwoche (3,1). Momentan befinden sich 526 Patienten mit SARS-CoV-2-Infektion in intensivmedizinischer Behandlung. Das sind 23 % mehr als in der Vorwoche (427).
„Wir sehen seit den Sommermonaten zunehmend Übertragungen, aber das ging bisher eher schleichend“, kommentiert der neue RKI-Präsident Prof. Dr. Lars Schaade. Die Zahl der Personen, die wegen COVID-19 im Krankenhaus sei, steige nicht in gleichem Maß. Das liege „an der guten Immunität in der Bevölkerung“. Und das sei „auch der Grund, warum wir entspannter als in den Vorjahren in den Herbst gehen können“.
Schaade: „Ich sehe im Moment keine Situation auf uns zukommen, die auch nur annähernd vergleichbar wäre mit den vergangenen Jahren.“ Er rechne eher nicht damit, dass erneut Maßnahmen von staatlicher Seite erforderlich sein würden.
USA: Deutlich weniger Krebsdiagnosen während der Pandemie
In den USA ging Anfang 2020 bei Darmkrebs, Brustkrebs, Lungenkrebs, Bauchspeicheldrüsenkrebs, Prostatakrebs und Schilddrüsenkrebs die Zahl an neuen Diagnosen zurück, verglichen mit den zu erwartenden Werten. Damals hatten viele Praxen und Kliniken ihren Betrieb stark eingeschränkt, um COVID-19 zu kontrollieren.
Laut der 2. Ausgabe des Annual Report to the Nation on the Status of Cancer, der Daten der North American Association of Central Cancer Registries zusammenfasst, war der Rückgang der Diagnosen bei Fällen im Frühstadium am größten. Auch die Zahl der pathologischen Befundungen mit Nachweis von Malignität von Pathologie ging in diesem Zeitraum zurück. Bis September 2020 erreichten die Neudiagnosen für viele Krebsarten wieder das zu erwartende Niveau.
„Die verpassten Chancen zur Krebsfrüherkennung sind alarmierend, insbesondere für gefährdete Bevölkerungsgruppen, die weiterhin mit erheblichen Hindernissen beim Zugang zur Krebsbehandlung konfrontiert sind“, sagte Dr. Monica M. Bertagnolli, Direktorin des National Cancer Institute, in einer Erklärung. Auch reechnet sie in den nächsten Jahren mit mehr fortgeschrittenen malignen Erkrankungen.
Nirmatrelvir und Molnupiravir zur Prävention von Post-COVID-Symptomen?
Zwar klingt die COVID-19-Pandemie ab. Ihre Auswirkungen sind für Millionen von Menschen weltweit, die an Post-COVID (PCC) leiden, noch spürbar. Direkt nach einer Infektion erhalten Risikopatienten mitunter Nirmatrelvir/Ritonavir (Paxlovid®) oder Molnupiravir (Lagevrio®). Die Wirkstoffe scheinen laut einer Studie auch die Inzidenz von Long- bzw. Post-COVID zu verringern. Nur fällt der Effekt recht schwach aus.
Die Kohorte bestand aus Medicare-Teilnehmern im Alter von mindestens 65 Jahren, bei denen zwischen Januar und September 2022 eine COVID-19-Erkrankung diagnostiziert worden war. Post-COVID-Beschwerden definierten die Forscher anhand der klinischen Konsensdefinition der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Den Impfstatus konnten die Wissenschaftler jedoch nicht berücksichtigen: eine Limitation ihrer Arbeit.
Insgesamt erfüllten von den 3.975.690 ambulanten Patienten mit COVID-19 aus der Kohorte 57% die Einschlusskriterien. Von ihnen erhielten 19,5% Nirmatrelvir und 2,6% Molnupiravir. Die PCC-Inzidenz lag bei 11,8% unter Nirmatrelvir, 13,7% unter Molnupiravir und 14,5% ohne einen dieser Pharmaka.
Die absolute Risikoreduktion betrug 2,7% für Nirmatrelvir, 0,8% für Molnupiravir, mit Hazard Ratios (HRs) von 0,87 (95%-KI 0,86-0,88; p<0,001) für Nirmatrelvir und 0,92 (95%-KI 0,90-0,94; p<0,001) für Molnupiravir im Vergleich zu keiner Behandlung.
In einer Interaktionsanalyse fanden die Autoren deutlich geringere Effektstärken bei Frauen als bei Männern (HRs für Nirmatrelvir: 0,89 vs. 0,84; Molnupiravir: 0,95 vs. 0,88). Damit bestätigen sie ältere Arbeiten. „Nirmatrelvir und Molnupiravir waren nur mit einer geringfügigen Verringerung der PCC-Inzidenz verbunden“, lautet ihr Fazit. Trotz dieser Einschränkungen sehen die Autoren eine gewisse Bedeutung der Wirkstoffe, um das Risiko von Post-COVID-Symptomen zu verringern.
Psychotherapie: Weniger Unterbrechungen durch die Telemedizin
Durch die rasche Umstellung von Psychotherapien nach Ausbruch der Pandemie gab es weniger Unterbrechungen bei der Versorgung von Patienten, so das Ergebnis einer retrospektiven Studie.
Grundlage waren Daten aus elektronischen Gesundheitsakten und Versicherungsunterlagen. Die Stichprobe umfasste 110.089 Patienten mit psychischen Erkrankungen, die zwischen 14. Juni 2019 und 15. Dezember 2020 mindestens 2 Kontakte zu Psychotherapeuten hatten – persönlich oder virtuell. Das Ergebnis war eine Unterbrechung der Psychotherapie, definiert als eine Lücke von mehr als 45 Tagen zwischen den Kontakten.
Vor der Pandemie fanden 96,9% der Psychotherapiebesuche persönlich statt und bei 35,4% folgte eine Pause von mehr als 45 Tagen.
Nach Ausbruch der Pandemie waren mehr als die Hälfte der Besuche (51,8%) virtuell und nur auf 17,9% folgte eine Pause von mehr als 45 Tagen.
Vor der Pandemie betrug die durchschnittliche Zeit zwischen den Besuchen 27 Tage.
Nach der Pandemie sank sie auf 14 Tage, was darauf hindeutet, dass die Wahrscheinlichkeit höher ist, dass Einzelpersonen nach der Umstellung auf virtuelle Pflege eine regelmäßige, engmaschige Versorgung erhalten.
„Diese Ergebnisse unterstützen den weiteren Einsatz virtueller Psychotherapien als Behandlungsoption, wenn eine entsprechende Infrastruktur vorhanden ist“, schreiben die Autoren.
Cocktail aus Adjuvanzien erzeugt Immunität – ganz ohne Antigene
Wissenschaftler haben per Zufall eine immunitätsverstärkende Formulierung entdeckt, als sie versuchten, einen traditionellen Impfstoff gegen Methicillin-resistenten Staphylococcus aureus (MRSA) zu entwickeln. Der Cocktail aus Aluminiumhydroxid, Glucan-Partikeln aus den Zellwänden von Pilzen und Monophosphoryllipid A, einem Bestandteil bakterieller Zellmembranen, aber ohne MRSA-Antigene, verbesserte bei Mäusen das Überleben nach MRSA-Infektionen. Eigentlich handelte es sich um eine Kotrollgruppe, nur eben mit überraschendem Effekt.
Als die Forscher die Adjuvanzien gegen andere Bakterien testeten und die Rezeptur im Laufe der Zeit optimierten, stießen sie auf eine weitere Kombination – Aluminiumhydroxid, Monophosphoryllipid A und eine Pilzverbindung namens Mannan –, die einen noch besseren Schutz gegen MRSA bot. Einen Monat nach der Immunisierung verschwanden Unterschiede in den Überlebensraten zwischen behandelten und unbehandelten Mäusen.
Weitere Experimente legten nahe, dass das angeborene Immunsystem der Mäuse der Schlüssel zur Schutzwirkung des Cocktails war. Mäuse, die so manipuliert wurden, dass reife B- und T-Zellen fehlen, wurden dennoch durch die Adjuvans-Kombination geschützt.
Noch sind viele Fragen offen – auch die Frage, ob das neue Prinzip Schutz vor Infektionen mit SARS-CoV-2 bieten könnte. Der Vergleich mit unspezifischen Effekten des BCG-Impfstoffs liegt nahe. Hier waren Studien zum Schutz vor COVID-19 enttäuschend verlaufen.
COVID-19-Impfung in der Schwangerschaft: Forscher geben einmal mehr Entwarnung
Sind Impfungen von Schwangeren für Mutter und Kind sicher? Diese Frage beschäftigt Forscher nach wie vor. Doch neue Daten bestätigen, was bekannt ist: Laut einer bevölkerungsbasierten Studie aus Ontario waren mRNA-Vakzine mit einem geringeren Risiko für neonatale Mortalität, Neugeborenentod und Behandlung auf die neonatologische Intensivstation verbunden. Darüber hinaus war bei Säuglingen von Müttern, die während der Schwangerschaft geimpft wurden, die Zahl der stationären Aufenthalte von Neugeborenen und nach 6 Monaten nicht erhöht.
Insgesamt wurden 142.006 Säuglinge (72.595 männlich [51%]; mittleres Gestationsalter bei der Geburt 38,7 Wochen) eingeschlossen; 85.670 Personen waren in der Gebärmutter einer oder mehreren Dosen des COVID-19-Impfstoffs ausgesetzt (60%).
Säuglinge geimpfter Mütter hatten ein geringeres Risiko für neonatale Mortalität (impfstoffexponiert 7,3% vs. impfstoffunexponiert 8,3%; angepasstes RR [aRR]: 0,86; 95%-KI: 0,83-0,90), für Neugeborenentod (0,09% vs. 0,16%; aRR: 0,47); 95%-KI: 0,33-0,65) und für stationäre Behandlungen (11,4% vs. 13,1%; aRR: 0,86; 95%-KI: 0,83-0,89).
Schweres COVID-19: Diese Rolle spielen Mykosen
Laut einer neuen Studie breiten sich bestimmte Pilze bei schwerem COVID-19 im Darm aus, verstärken die Entzündung und verursachen längerfristige Veränderungen im Immunsystem. Die Ergebnisse könnten dazu beitragen, Patienten zu identifizieren, die von speziellen Therapien profitieren.
Anhand von Patientenproben und präklinischen Modellen stellte das Forschungsteam fest, dass das Wachstum von Pilzen im Darmtrakt, insbesondere von Candida albicans, was zum Anstieg der Titer verschiedener Immanuelen geführt – was Lungenerkrankungen verschlimmern könnte. Patienten haben bis zu einem Jahr nach dem Abklingen der SARS-CoV-2-Infektion eine erhöhte Immunantwort und ein erhöhtes Immungedächtnis gegen diese Pilze.
Forscher stellten den Zusammenhang erstmals her, als sie Blutproben eines Patienten mit schwerem COVID-19 untersucht haben. Sie fanden Antikörper gegen Pilze, die im Darm zu finden sind. Die Hefepopulation, insbesondere Candida albicans, kolonisierte den Darm im Verlauf einer schweren COVID-19-Erkrankung immer stärker.
Als Ärzte das Immunsystem der Patienten untersucht haben, stellten die Forscher einen parallelen Anstieg von Immunzellen, sogenannten Neutrophilen, fest. Bei schwerem COVID-19 treten übermäßig viele Neutrophile in der Lunge auf, was Entzündungsreaktion verschlimmert.
Anhand präklinischer Modelle stellten die Forscher fest, dass Mäuse, die Pilze von Patienten mit schwerem COVID-19 trugen, mehr Neutrophile in ihrem Blut und ihrer Lunge produzierten und bei einer Infektion mit SARS-CoV-2 Anzeichen einer verstärkten Entzündung aufwiesen. Die Gabe eines Antimykotikums verringerte den Effekt.
In den Blutproben von Patienten entdeckten die Forscher auch Hinweise auf anhaltende Veränderungen des Immunsystems, die ihrer Meinung nach mit Long-COVID zusammenhängen könnten.
Als das Team bis zu einem Jahr später das Blut der Patienten untersucht hat, waren antimykotische Antikörper immer noch zu finden. Darüber hinaus stellten die Forscher bei der Untersuchung der Stammzellen, aus denen Neutrophile entstehen, fest, dass diese Vorläufer darauf vorbereitet sind, auf Pilze zu reagieren. Sie fanden heraus, dass IL-6 eine Schlüsselrolle spielt. Weitere Experimente zeigten, dass die Blockierung von IL-6 bei Patienten oder Mäusen dieses immunologische Gedächtnis schwächte.
Obwohl diese Ergebnisse keine unmittelbaren Auswirkungen auf die Behandlung von schwerem COVID-19 oder von Long-COVID haben, deuten sie den Autoren zufolge auf neue Möglichkeiten zur maßgeschneiderten Therapie hin. Beispielsweise könnten Antikörper gegen Candida potenziell als Marker dienen, um Patienten zu identifizieren, die von einer antimykotischen Therapie profitieren – oder sie möglicherweise ein erhöhtes Risiko für Long-COVID haben.
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Credits:
Photographer: © Marion Meyer
Lead Image: Dreamstime
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Diesen Artikel so zitieren: Darmpilze und schweres COVID; RKI-Chef: keine Angst vor Winter; weniger Krebsdiagnosen in Pandemie-Zeit; Virustatika gegen Post-COVID? - Medscape - 26. Okt 2023.
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