Eine 60-jährige Frau aus Beer Sheva in Israel isst bei einer Hochzeitsfeier versehentlich eine große Menge an Wasabi, den sie für eine Avocadocreme gehalten hat. Danach kommt es zu starken Schmerzen in der Brust [1].
Die Patientin und ihre Geschichte
Wenige Minuten nach der verhängnisvollen Verwechslung fühlt die Frau einen starken Druck in der Brust, der in die Arme ausstrahlt und mehrere Stunden anhält. Trotz der Beschwerden bleibt sie auf der Hochzeit und die Schmerzen lassen nach. Am nächsten Tag fühlt sich die 60-Jährige schwach und unwohl, weshalb sie die Notaufnahme der örtlichen Klinik aufsucht.
Körperliche und apparative Untersuchungen
Bei der Ankunft stellen Ärzte folgende Vitalparameter fest:
Blutdruck: 174/95 mmHg
Puls: 81 /Minute
Sauerstoffsättigung: 100% bei Raumluft
Kein Fieber
Es gibt keine Anzeichen einer Herzinsuffizienz. Die Herzgeräusche sind normal und ohne Auffälligkeiten, die Lungen sind bei der Auskultation ebenfalls unauffällig und es bestehen keine Ödeme. Eine Ultraschalluntersuchung zeigt eine moderate linksventrikuläre Dysfunktion.
Noch in der Notaufnahme wird ein erstes EKG durchgeführt, das einen normalen Sinusrhythmus, 65 Schläge pro Minute, eine signifikante ST-Streckenhebung (bei V1-V2) und keine Segmentverlängerungen zeigt.
Ein weiteres EKG wird etwa 12 Stunden nach der Aufnahme angefertigt. Dieses zeigt ebenfalls einen normalen Sinusrhythmus, 67 Schläge pro Minute, T-Welleninversionen bei V1-V2 und eine QT-Zeitverlängerung (QTc=490 ms).
Bei einer Angiographie finden Ärzte eine nicht-obstruktive koronare Herzkrankheit. Eine Ventrikulographie des linken Ventrikels offenbart eine reduzierte Funktion mit akinetischen anterobasalen, anterioren und apikalen Segmenten, sowie hypokinetischen inferoapikalen und inferobasalen Bereichen.
Die Echokardiographie, welche 2 Tage nach der Aufnahme in die Klinik durchgeführt wird, zeigt eine moderate bis schwere linksventrikuläre systolische Dysfunktion, mit einer geschätzten linksventrikulären Ejektionsfraktion von 35%. Es werden keine auffäligen Wandbewegungen bei der Untersuchung festgestellt.
Diagnostik und Therapie
Die behandelnden Ärzte diagnostizieren eine Takotsubo-Kardiomyopathie, auch Broken-Heart-Syndrom genannt. Insbesondere die Befunde der Ventrikulographie sind ausschlaggebend.
Die Patientin erhält daraufhin ACE-Hemmer, Beta-Blocker und Aldosteron-Antagonisten zur Behandlung der schweren linksseitigen systolischen Dysfunktion. Die Frau wird in eine kardiologische Rehabilitationseinrichtung überwiesen. Eine Echokardiographie einen Monat nach den Ereignissen zeigt eine normale linksventrikuläre systolische Funktion, mit einer Auswurffraktion von 60%.
Die Größe und Funktion des linken Ventrikels liegen im normalen Bereich. Es gibt keine auffälligen Wandbewegungen.
Diskussion
Es gibt mehrere bekannte Auslöser einer Takotsubo-Kardiomyopathie, vor allem körperlicher oder emotionaler Stress, neurologische Erkrankungen, Phäochromozytome oder Medikamente und Drogen. Der einzige beschriebene Fall in Zusammenhang mit Nahrungsmitteln wurde durch eine anaphylaktische Reaktionausgelöst. Dies ist bei der 60-Jährigen nicht der Fall gewesen.
Die Pathophysiologie der Takotsubo-Kardiomyopathie sind noch unklar. Die am häufigsten vertretene Hypothese geht von einer hohen Konzentration an Katecholaminen und einer Hyperaktivität des Nervensystems aus, was zu einer Kardiotoxizität führt. Diese lässt sich auf eine erhöhte Sensitivität der koronaren Mikrozirkulation und Kardiomyozyten auf Stresshormone erklären.
Im beschriebenen Fall war die konsumierte Wasabi-Menge ungewöhnlich hoch; die Frau hat 1 Teelöffel der Paste gegessen. Dies führte zu einer Stresssituation mit extremer Ausschüttung von Katecholaminen.
In verschiedenen Studien konnten für die wirksamen Inhaltsstoffe von Wasabi neuroprotektive, antioxidative und antitumorgene Effekte gezeigt werden. Dabei bestand ein Dosis-abhängiger Zusammenhang; Effekte waren jedoch bereits bei geringen Dosen vorhanden.
Die Schärfe von echtem Wasabi wird durch Senföle mit den Bestandteilen Glucocochlearin und Sinigrin verursacht. Sie wirken zudem antibakteriell und schleimlösend. In Japan wird Wasabi auch als Heilpflanze eingesetzt und soll traditionell gegen Pilzbefall, sowie Verdauungs- und Durchblutungsstörungen helfen. Hierfür liegen jedoch keine wissenschaftlichen Studien vor.
Der Beitrag ist im Original erschienen auf Coliquio.de.
Credits:
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Diesen Artikel so zitieren: Fall: Schmerzen in der Brust nach dem Verzehr von Wasabi-Paste – wie helfen Sie dieser 60-jährigen Frau? - Medscape - 16. Nov 2023.
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