Im aktuellen Onko-Blog berichten wir unter anderem über die Prognosesicherheit von Genexpressions-Signaturen beim Mammakarzinom und den Wert der Tastuntersuchung zum Screening auf Prostatakarzinom. Ein erhöhtes Darmkrebs-Risiko lässt sich möglicherweise anhand der Zusammensetzung des Darmmikrobioms erkennen. Erstmals wurde in einer Studie gezeigt, wie körperliche Aktivität auf Entzündungs- und Immunparameter wirkt.
Mammakarzinom: Genexpressions-Signaturen bieten keine vollständige Prognosesicherheit
Lungenkrebs: Eckpunkte eines nationalen Screening-Programms vorgestellt
Prostatakarzinom: Tastuntersuchung zum Screening nicht geeignet
Kolorektales Karzinom: Zusammensetzung des Darm-Mikrobioms weist auf Krebsrisiko hin
Lynch-Syndrom: Körperliche Aktivität verringert entzündliche Reaktion und stärkt Mukosa-assoziierte Immunität im Darm
Mundhöhlenkrebs: Schlechteres Outcome bei Ablehnung der adjuvanten Therapie
Mammakarzinom: Genexpressions-Signaturen bieten keine vollständige Prognosesicherheit
Eine Analyse von Genexpressions-Signaturen mit verschiedenen Modellen des maschinellen Lernens ergab, dass diese in nicht mehr als 80% der Fälle eine korrekte Prognose ermöglichen. Zu dem Ergebnis kommt eine Arbeitsgruppe aus Leipzig und Hamburg in Scientific Reports .
Genexpressions-Signaturen beschreiben die Aktivitätsmuster von Genen. Bei einer Krebserkrankung können sie genutzt werden, um vorherzusagen, wie sich Tumoren entwickeln. Sie können sich damit für die Beurteilung der Prognose und für die Festlegung von Behandlungsstrategien eignen.
Die Arbeitsgruppe analysierte nun etwa 10.000 Signaturen basierend auf Brustkrebs-Datenbanken unter Verwendung verschiedener Modelle des maschinellen Lernens, um die prognostische Kapazität zu bewerten.
Nach den Ergebnissen dieser Analyse führen die untersuchten Genexpressions-Signaturen in nicht mehr als 80% der Fälle zu einer korrekten Prognose. Die Arbeitsgruppe weist jedoch darauf hin, dass in Prognosen, die ausschließlich auf Genexpressions-Signaturen basieren, weniger als 50% der potenziell verfügbaren Informationen berücksichtigt sind. Sie empfiehlt daher, zusätzlich zu Genexpressionstests weitere Parameter heranzuziehen.
„Obwohl unsere Ergebnisse die Bedeutung von Genexpressions-Signaturen für Patientenprognosen bestätigen, zeigt sich die dringende Notwendigkeit eines ganzheitlichen Ansatzes, der molekulare, klinische, histologische und andere ergänzende Faktoren berücksichtigt, um eine genaue Prognose zu erhalten“, heißt es in einer Pressemitteilung.
Lungenkrebs: Eckpunkte eines nationalen Screening-Programms vorgestellt
In einem Positionspapier stellen die am Lungenkrebs-Screening beteiligten Fachgesellschaften erstmals konkrete Eckpunkte für ein einheitliches, strukturiertes,und qualitätsgesichertes Früherkennungsprogramm für Lungenkrebs in Deutschland vor.
Der Prozess zur Implementierung der Lungenkrebsfrüherkennung mit Niedrigdosis-CT (LDCT) in Deutschland hat in den letzten Jahren an Dynamik gewonnen. Der von den Fachgesellschaften kommentierte Referentenentwurf des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV) zur Lungenkrebsfrüherkennung wird voraussichtlich bis Ende 2023 in Kraft treten. Basierend auf dieser Verordnung wird der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) dann ein Programm zur Lungenkrebsfrüherkennung mit LDCT aufsetzten. Das Positionspapier der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP), der Deutschen Röntgengesellschaft (DRG) und der Deutschen Gesellschaft für Thoraxchirurgie (DGT) will zu diesem Prozess konstruktiv beizutragen.
Konkret soll sich das Lungenkrebs-Früherkennungsprogramm laut einer Pressemitteilung der Fachgesellschaften an Menschen im Alter zwischen 50 und 75 Jahren richten, die mindestens 25 Jahre rauchen oder deren Rauchstopp weniger als 10 Jahre zurückliegt. Auch Betroffenen mit mindestens 15 Packungsjahren – beispielsweise eine Packung pro Tag über 15 Jahre hinweg – soll das Screening ermöglicht werden. Dies betrifft rund 3,3 Millionen Männer und etwa 2,2 Millionen Frauen in Deutschland. Die sich jährlich wiederholende Vorsorgeuntersuchung soll von einer zentralen Stelle koordiniert werden.
Prostatakarzinom: Tastuntersuchung zum Screening nicht geeignet
Die rektale Tastuntersuchung ist nicht zur Früherkennung von Prostatakrebs bei Männern im Alter von 45 Jahren geeignet. Sie hat eine zu geringe Empfindlichkeit, eine zu hohe Falsch-Positiv-Rate – und sie verbessert auch die Detektionsrate des PSA-Screenings nicht. Dies zeigen Ergebnisse der PROBASE-Studie (Deutsche Prostatakrebs-Screening-Studie), die teilweise schon im März 2023 bei der EAU-Tagung in Mailand vorgestellt worden waren ( Medscape hat berichtet). Weitere Ergebnisse der vom DKFZ geförderten Studie sind nun in European Urology Oncology erschienen.
PROBASE ist eine bevölkerungsbezogene, randomisierte Prostatakrebs-Screening-Studie, welche die Wirksamkeit eines risikoangepassten PSA-Screenings untersucht, das entweder im Alter von 45 Jahren oder 50 Jahren beginnt.
6.537 Teilnehmer im Kontrollarm von PROBASE, deren PSA-Werte zunächst nicht bestimmt wurden, hatten sich bei Studieneintritt im Alter von 45 Jahren einer rektalen Tastuntersuchung unterzogen. Dabei wurden 57 verdächtige Befunde ermittelt. Bei der Untersuchung einer Prostata-Gewebeprobe fand sich jedoch nur bei 3 Teilnehmern (Detektionsrate 0,05%) tatsächlich ein Karzinom. Die übrigen Befunde erwiesen sich als falsch-positiv, was belastende und unnötige Biopsien nach sich zieht. Bei einem PSA-Test liegt die Detektionsrate 4-mal höher.
Die Aussagekraft der Tastuntersuchung konnte zusätzlich bei denjenigen Studienteilnehmern untersucht werden, deren Prostatakarzinome beim PSA-Test aufgefallen waren. 86% dieser Männer hatten einen unauffälligen Tastbefund, obwohl ihre Tumoren zum großen Teil in potenziell zugänglichen Regionen der Prostata lagen.
„Die rektale Tastuntersuchung als Screening-Test zur Früherkennung von Prostatakrebs kann gleich in zweierlei Richtungen Schaden anrichten“, so Dr. Agne Krilaviciute vom DKFZ, in einer Pressemitteilung. „Aufgrund der geringen Sensitivität könnten sich Teilnehmer bei einem negativen Testergebnis in falscher Sicherheit wiegen. Und durch die hohe Falsch-Positiv-Rate werden viele Männer unnötig in Angst versetzt. Außerdem entstehen vermeidbare Kosten für die diagnostische Abklärung des Krebsverdachts.“
Kolorektales Karzinom: Zusammensetzung des Darm-Mikrobioms weist auf Krebsrisiko hin
Personen mit präkanzerösen Läsionen im Kolon weisen bestimmte Veränderungen im Darm-Mikrobiom auf. Diese Ergebnisse eröffnen nach Aussage der Forscher auf der UEG-Week 2023 in Kopenhagen (OP118) neue Möglichkeiten zur Verbesserung der Erkennung und Prävention von Darmkrebs.
In der prospektiven Studie mit 8.208 Teilnehmern verknüpfte die Arbeitsgruppe Daten des niederländischen Mikrobiom-Projekts und der niederländischen Pathologie-Datenbank, um alle erfassten Dickdarmbiopsien aus den letzten 5 Jahrzehnten zu identifizieren. Sie analysierte Funktion und Zusammensetzung des Darmmikrobioms von Personen, die zwischen 2000 und 2015 vor der Entnahme von Stuhlproben kolorektale Läsionen entwickelten (n = 214), sowie von Personen, die zwischen 2015 und 2022 nach der Entnahme von Stuhlproben Läsionen entwickelten (n = 305). Diese Gruppen wurden dann mit Personen mit normalem Koloskopiebefund (n = 202) und der Allgemeinbevölkerung verglichen.
Personen, die nach der Entnahme von Stuhlproben Kolonläsionen entwickelten, zeigten eine erhöhte Diversität im Darmmikrobiom im Vergleich zu Personen ohne Läsionen. Bei Personen mit Läsionen unterschieden sich auch Zusammensetzung und Funktion des Mikrobioms; sie variierten je nach Art der Läsion. Vor allem Bakterien aus der Familie der Lachnospiraceae und die Gattungen Roseburia und Eubacterium waren mit der Entwicklung von Läsionen assoziiert.
Lynch-Syndrom: Körperliche Aktivität verringert entzündliche Reaktion und stärkt Mukosa-assoziierte Immunität im Darm
Erstmals konnten in der Studie CYCLE-P) biologische Effekte vermehrter körperlicher Aktivität am Immunsystem als Zielorgan bei Patienten mit erhöhtem Krebsrisiko nachgewiesen werden. Dies berichtet eine US-amerikanische Arbeitsgruppe in Clinical Cancer Research .
Sie hatte eine kleine Studie mit 21 Patienten mit Lynch-Syndrom durchgeführt, einer Erbkrankheit, die mit einem hohen Risiko für Kolon- und Endometriumkarzinom assoziiert ist. Die Patienten wurden sequenziell einem 12-monatigen Trainingsprogramm mit 45-minutigem Fahrradtraining 3x pro Woche (n=11) oder keinem speziellen Programm (n=10) zugewiesen.
In der Trainingsgruppe stieg der Sauerstoffverbrauch (VO2peak) signifikant um 21,6%, in der Kontrollgruppe nahm er um 2% ab. Entzündungsmarker wie Prostaglandin E2 sanken in Dickdarm und Blut. Weitere Untersuchungen ergaben eine Zunahme an NK-Zellen und CD8+-T-Zellen in der Dickdarm-Mukosa.
Die Abnahme der PGE-Spiegel in der Mukosa korrelierte mit der verstärkten Aktivierung oder Rekrutierung spezifischer Immunzellpopulationen von NK- und CD8+-T-Zellen. Dies könnte mit einer verstärkten Immun-Überwachung im Dickdarm zusammenhängen, so die Meinung der Autoren.
Patienten mit fortgeschrittenem oralem Plattenepithelkarzinom, die eine adjuvante Therapie verweigerten, hatten ein schlechteres Outcome als Patienten, die adjuvant behandelt wurden. Eine Arbeitsgruppe der Charité-Universitätsmedizin in Berlin hat zu dieser Fragestellung eine retrospektive Kohortenstudie in JAMA Otolaryngol. Head Neck Surg. publiziert.
Sie verglich retrospektiv die Daten von je 41 Patienten mit fortgeschrittenem Mundhöhlenkrebs, die keine oder eine adjuvante Therapie erhalten hatten. Bei Patienten, die die adjuvante Therapie ablehnten, entwickelte sich häufiger ein Rezidiv (61% versus 26,8%, OR 4,26), sie wiesen seltener ein 2-Jahres-Überleben auf (72,7% versus 88,6%) und sehr viel seltener ein rezidivfreies 2-Jahres-Überleben (39,1% versus 74,2%).
Nach Meinung der Autoren könnten die Ergebnisse der Studie Ärzten beim Gespräch mit Patienten helfen, die über die Ablehnung einer adjuvanten Therapie nachdenken.
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Credits:
Photographer: © Patricioj
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Diesen Artikel so zitieren: Das Lungenkrebs-Screening naht; Tastuntersuchung zur Früherkennung von Prostatakrebs ohne Nutzen - Medscape - 17. Okt 2023.
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