Hamburg – Einmal wöchentlich verabreichtes Tirzepatid zusätzlich zu Insulin glargin führte bei Patienten mit nicht ausreichend kontrolliertem Typ-2-Diabetes – verglichen mit prandialem Insulin lispro – zu einer stärkeren Senkung des Blutzuckerspiegels (HbA1c), zu einer stärkeren Gewichtsabnahme und zu weniger Hypoglykämien. Das zeigen Daten aus der randomisierten klinischen Studie SURPASS-6.
Tirzepatid (Mounjaro®, Hersteller: Lilly) führte bis Woche 52 zu einer statistisch und klinisch signifikanten Senkung des mittleren HbA1c-Wertes (-2,1%) im Vergleich zu Insulin lispro (-1,1%; Humalog®, Hersteller: Sanofi). Die Studie wurde auf der Jahrestagung der European Association for the Study of Diabetes (EASD) vorgestellt und gleichzeitig im JAMA veröffentlicht [1,2].
Die Daten zeigen auch, dass der tägliche Verbrauch von Insulin glargin bei den Teilnehmern, die Tirzepatid erhielten, im Vergleich zu Insulin lispro wesentlich geringer war. Insulin glargin wurde in einer Dosierung von 13 IE/Tag verabreicht; Insulin lispro hingegen in einer Dosierung von 62 IE/Tag.
„Bei der höchsten Dosis setzten einige Patienten in der Tirzepatid-Gruppe ihr Insulin glargin ab“, berichtete Dr. Juan Pablo Frias, medizinischer Direktor und leitender Prüfarzt von Velocity Clinical Research, Los Angeles, Kalifornien, bei der Vorstellung der Ergebnisse in Hamburg. „Wir konnten mit Tirzepatid eine klinisch sinnvolle und überlegene Kontrolle des Blutzuckerspiegels und des Körpergewichts im Vergleich zu Insulin lispro erreichen. Dabei war Tirzepatid auch mit weniger klinisch bedeutsamen Hypoglykämien verbunden“, sagte Frias.
Das Gewicht der Teilnehmer, die Tirzepatid erhielten, verringerte sich um -10 kg, während es unter Insulin lispro zunahm: +4 kg. Die Rate klinisch signifikanter Hypoglykämien (Blutzucker <54°mg/dl) oder schwerer Hypoglykämien war unter Tirzepatid 10-mal niedriger als unter Insulin lispro.
Die Sitzung, in der die Studienergebnisse vorgestellt wurden, wurde von Prof. Dr. Apostolos Tsapas, Diabetologe an der Aristoteles-Universität Thessaloniki, Griechenland, und Dr. Konstantinos Toulis, Facharzt für Endokrinologie und Diabetes am Allgemeinen Militärkrankenhaus Thessaloniki, Griechenland, geleitet. Toulis merkte an, dass Management und Therapie-Intensivierung bei chronischen Krankheiten herausfordernd sind.
Der Übernahme in die Routinepraxis stünden häufig Hindernisse im Weg, merkte Toulis an: „Das gilt vor allem dann, wenn es die Behandlung zusätzlich komplizierter macht – wie im Fall der mehrfachen prandialen Insulin-Injektionen zusätzlich zum Basalinsulin bei Patienten, deren Typ-2-Diabetes suboptimal eingestellt ist.“
Schaue man auf das Trio HbA1c-Wert, Gewichtsverlust und Hypoglykämien, „dann ist Tirzepatid Insulin lispro überlegen und bietet sowohl eine wirksamere als auch einfacher umzusetzende Option, die Therapie zu intensivieren“, fasste Toulis zusammen. Er merkte an, dass die Daten zur Langzeitsicherheit zwar noch ausstehen, sagte aber auch: „Die Behandlungsoption scheint in jeder Hinsicht ein eindeutiger Fortschritt zu sein – davon ausgenommen ist wohl nur die Sicht des Steuerzahlers darauf.“
Tsapas betonte: „Diese Daten untermauern die sehr hohe doppelte Glukose- und Gewichtswirksamkeit von Tirzepatid und die primäre Rolle von Inkretin-verwandten Therapien unter den injizierbaren Medikamenten zur Behandlung von Typ-2-Diabetes.“
Tirzepatid versus Insulin lispro in Ergänzung zu Insulin glargin
Die Forscher um Frias hatten die Wirksamkeit und Sicherheit von Tirzepatid (einmal wöchentlich injiziert) im Vergleich zu prandialem Insulin lispro (3-mal täglich) als Zusatztherapie zu Insulin glargin bei Patienten mit Typ-2-Diabetes untersucht, die mit Basalinsulin nur unzureichend eingestellt waren.
Tirzepatid aktiviert die körpereigenen Rezeptoren für glukoseabhängiges insulinotropes Polypeptid und Glukagon-ähnliches Peptid 1 (GLP-1). Die Autoren der Studie weisen darauf hin, dass „die jüngsten Leitlinien eine Inkretin-Therapie zur Blutzuckerkontrolle anstelle eines Basalinsulins empfehlen, wenn orale Medikamente nicht ausreichen.“
Die offene klinische Studie der Phase 3b stützt sich auf Daten aus 135 Prüfzentren in 15 Ländern und schloss 1.428 Erwachsene mit Typ-2-Diabetes ein, die Basalinsulin erhielten. Die Teilnehmer wurden nach dem Zufallsprinzip im Verhältnis 1:1:1:3 einer einmal wöchentlichen subkutanen Injektion von Tirzepatid (5 mg [n=243], 10 mg [n=238] oder 15 mg [n=236]) oder dem dreimal täglich prandial verabreichten Insulin lispro (n=708) zugeteilt.
Beide Arme waren gut aufeinander abgestimmt. Das Durchschnittsalter lag bei 60 Jahren, und 60% der Teilnehmer waren Frauen. Im Durchschnitt waren die Patienten seit 14 Jahren an Typ-2-Diabetes erkrankt. 85% der Teilnehmer nahmen weiterhin Metformin ein. Der durchschnittliche HbA1c-Wert lag zu Beginn der Studie bei 8,8%. Die Patienten wurden als fettleibig eingestuft (durchschnittlicher Body-Mass-Index [BMI] 33 kg/m2). Die durchschnittliche Insulin-glargin-Dosis betrug 46 Einheiten bzw. 0,5 Einheiten/kg.
Zu den primären Endpunkten der Studie gehörten die Nicht-Unterlegenheit von Tirzepatid (gepoolte Kohorte) im Vergleich zu Insulin lispro und die Veränderung des HbA1c-Wertes vom Studienbeginn bis Woche 52 (Nicht-Unterlegenheitsgrenze: 0,3%). Zu den wichtigsten sekundären Endpunkten gehörten die Veränderung des Körpergewichts und der Prozentsatz der Teilnehmer, die ein HbA1c-Ziel von <7,0% erreichten.
90% der Teilnehmer, die das Studienmedikament erhielten, schlossen die Studie ab, berichtete Frias. „Nur 0,5% der Tirzepatid-Patienten benötigten eine Notfalltherapie, während dies bei 2% der Patienten mit Insulin lispro der Fall war.“
Vor der Therapie-Optimierung lag die durchschnittliche Insulin-glargin-Dosis bei 42 IE/kg; während der Optimierung stieg sie auf durchschnittlich 46 IE/kg. „Nach 52 Wochen blieb die Insulin-glargin-Dosis bei denjenigen gleich, die Basal-Bolus-Insulin erhielten, während die Insulin-lispro-Dosis bei 62 Einheiten lag“, berichtet Frias. „Die 3 Tirzepatid-Einheiten führten zu einer Verringerung der Insulin-glargin-Dosis, so dass die gepoolte Dosis im Durchschnitt bei 11 Einheiten lag und 20% ihr Basalinsulin sogar ganz absetzen konnten.“
68% der Patienten, die Tirzepatid (gepoolt) erhielten, erreichten das empfohlene HbA1c-Ziel von <7,0% gegenüber 36% der Patienten mit Insulin lispro. „Einzelne Tirzepatid-Dosen und gepoolte Dosen zeigten eine signifikante Senkung des Blutzuckerspiegels um bis zu 2,5%“, fügte Frias hinzu. „Eine Normoglykämie wurde von einem größeren Anteil der Patienten unter Tirzepatid im Vergleich zu Basal-Bolus-Insulin erreicht: ein Drittel unter der 15-mg-Tirzepatid-Dosis“, betonte Frias.
Gewichtsreduktion von 10 Prozent oder mehr mit Tirzepatid
Darüber hinaus wurde in Woche 52 bei 75,4% der Teilnehmer in der gepoolten Tirzepatid-Gruppe ein Gewichtsverlust von 5% oder mehr erreicht, verglichen mit 6,3% der Teilnehmer in der Insulin-lispro-Gruppe. Die Gewichtsabnahme ging mit klinisch relevanten Verbesserungen der kardiometabolischen Parameter einher.
In einer explorativen Analyse wurde ein Gewichtsverlust von 10% oder mehr von durchschnittlich 48,9% der mit Tirzepatid behandelten Teilnehmer in Woche 52 erreicht, verglichen mit 2% der Teilnehmer, die Insulin lispro erhalten hatten, sagte Frias.
„Es ist möglich, dass der durch Tirzepatid induzierte Gewichtsverlust und die berichtete Reduktion des Leberfetts die Insulinsensitivität verbessert und zu einem geringeren Insulinbedarf geführt haben“, schreiben die Forscher in ihrem Bericht.
Das Hypoglykämierisiko und die Gewichtszunahme, die bei komplexen Insulintherapien, die prandiales Insulin einschließen, beobachtet werden, haben die optimale Hochtitrierung der Insulintherapie in der klinischen Praxis stark eingeschränkt, schreiben die Autoren.
Frias wies darauf hin, dass in dieser Studie 48% der Patienten, die Insulin lispro erhalten hatten, eine klinisch signifikante Hypoglykämie erlitten, während dies nur bei 10% der Patienten unter Tirzepatid der Fall war. „Das waren 0,4 Episoden pro Patientenjahr unter Tirzepatid gegenüber 4,4 unter Insulin lispro.“
Es wurden mehr unerwünschte Ereignisse in der Tirzepatid-Gruppe als in der Insulin-lispro-Gruppe berichtet. „Unter Tirzepatid waren die häufigsten unerwünschten Ereignisse typischerweise gastrointestinalen Ursprungs und leicht bis mittelschwer.“ Die Raten betrugen 14% bis 26% für Übelkeit, 11% bis 15% für Durchfall und 5% bis 13% für Erbrechen.
Dieser Artikel wurde von Ute Eppinger aus www.medscape.com übersetzt und adaptiert.
Fanden Sie diesen Artikel interessant? Hier ist der Link zu unseren kostenlosen Newsletter-Angeboten – damit Sie keine Nachrichten aus der Medizin verpassen.
Credits:
Photographer: © Sherry Young
Lead Image: Dreamstime
Medscape Nachrichten © 2023 WebMD, LLC
Diesen Artikel so zitieren: Verglichen mit prandialem Insulin senkt Tirzepatid mit Insulin glargin HbA1c und Gewicht bei Typ-2-Diabetes besser - Medscape - 12. Okt 2023.
Kommentar