Im Medscape-Corona-Newsblog finden Sie regelmäßig eine Auswahl von klinisch relevanten Kurzmeldungen zu COVID-19.
Corona-Newsblog, Update vom 28. September 2023
Auslieferung von Vakzinen für Kinder verschiebt sich
Nach SARS-CoV-2: Steht das nächste Coronavirus schon in den Startlöchern?
Defizite der Forschung: Ist Long-COVID seltener als gedacht?
COVID-19: Inhalatives Glukokortikoid bleibt bei ambulanten Patienten ohne Effekt
Paxlovid® wirkt auch gegen aktuelle COVID-19-Varianten
SARS-CoV-2: Mutationsrisiken durch Molnupiravir
Hilft Kreatinin gegen das Post-COVID-Syndrom?
Auslieferung von Vakzinen für Kinder verschiebt sich
Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) informiert Ärzte, dass die neuen, an XBB.1.5 angepassten COVID-19-Impfstoffe für 5- bis 11-Jährige von BioNTech/Pfizer (Comirnaty®) erst am 23. Oktober zur Verfügung stehen. Ursprünglich sollten sie ab 2. Oktober zum Einsatz kommen. Praxen können das Vakzin erstmals für die Woche ab 23. Oktober anfordern. Es wird zur Grundimmunisierung und zum Boostern eingesetzt.
Comirnaty® 3 Mikrogramm/Dosis Omicron XBB.1.5 Konzentrat zur Herstellung einer Injektionsdispersion“ für Mädchen und Jungen im Alter von 6 Monaten bis 4 Jahren ist laut KBV davon nicht betroffen. Praxen konnten das Vakzin erstmals bis 19. September für die Woche ab 25. September bestellen.
Nach SARS-CoV-2: Steht das nächste Coronavirus schon in den Startlöchern?
Shi Zhengli, eine der bekanntesten Virologinnen Chinas, hat davor gewarnt, dass es „sehr wahrscheinlich“ sei, dass in Zukunft ein weiteres Coronavirus (CoV) auftauchen werde. Sie leitet das Zentrum für neuauftretende Infektionskrankheiten am Wuhan Institute of Virology (WIV).
Zhengli, die wegen ihrer Forschung auch „Fledermaus-Frau“ genannt wird, schreibt, dass die Welt auf eine weitere Krankheit wie COVID-19 vorbereitet sein müsse. „Wenn ein Coronavirus schon einmal Krankheiten ausgelöst hat, besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass es auch in Zukunft Ausbrüche verursachen wird“, so ihre Einschätzung. Die Forscherin meint explizit ein anderes Coronavirus, also nicht eine neue Variante von SARS-CoV-2.
Zhengli hat zusammen mit Kollegen 40 verschiedene Coronaviren untersucht. „Unsere Analyse ergab 20 CoV-Spezies mit hohem Risiko, darunter 6, die auf den Menschen übergesprungen sind, 3 mit Hinweisen auf ein Überspringen, aber nicht auf den Menschen, und 11 ohne solche Hinweise“, schreibt sie. Was sagen Experten dazu?
„Ja, es gibt noch weitere Corona-Viren, die möglicherweise das Potenzial haben, aus dem Tierreservoir auf den Menschen überzugehen und sich dann von Mensch zu Mensch auszubreiten“, sagt Prof. Dr. Timo Ulrichs von der Akkon-Hochschule für Humanwissenschaften, Berlin. „Diese Bedrohung hatten wir schon immer, und SARS-1 und SARS-CoV-2 sind zwei Fälle, wo es den Coronaviren gelungen ist“, so der Wissenschaftler weiter.
Defizite der Forschung: Ist Long-COVID seltener als gedacht?
In BMJ Evidence-Based Medicine gehen Forscher hart mit der Long-COVID-Forschung ins Gericht. Als methodische Schwächen nennen sie zu breite Definitionen der Krankheit und das Fehlen geeigneter Kontrollen. Dies habe zu Verzerrungen der Inzidenz und Prävalenz geführt, schreiben die Forscher. Das Paper ist als Meinungsbeitrag zu verstehen. Eine detaillierte Untersuchung liegt der Publikation nicht zugrunde.
Das Problem verschärfe sich, weil schlecht durchgeführte Studien in systematische Überprüfungen und gepoolte Datenanalysen einbezogen würden, was letztendlich dazu führe, dass das Risiko von Long-COVID überbewertet werde, heißt es im Artikel. Das führe zu mehr Ängsten in der Bevölkerung, zu Fehldiagnosen und letztlich zu höheren Kosten im Gesundheitswesen.
Keine der Arbeitsdefinitionen von Long-COVID, etwa der US-amerikanischen Centers for Disease Control and Prevention (CDC), der Weltgesundheitsorganisation (WHO) oder des britischen National Institute for Health and Care Excellence (NICE), fordere einen kausalen Zusammenhang zwischen dem Nachweis von SARS-CoV2 und einer Reihe von Symptomen, kritisieren die Autoren. Zu Beginn der Pandemie, als SARS-CoV-2-Tests noch nicht allgemein verfügbar waren, wurden Patienten oft nur anhand ihrer Symptome eingeschlossen.
In Long-COVID-Studien sollten Kontrollgruppen nicht nur einbezogen werden, was häufig nicht der Fall sei. Sie sollten auch ordnungsgemäß den Fällen zugeordnet werden, idealerweise nach Alter, Geschlecht, Geografie, sozioökonomischem Status und, falls möglich, nach Vorerkrankungen und nach Lebensstil-Faktoren.
„Unsere Analyse zeigt, dass zusätzlich zur Einbeziehung entsprechend abgestimmter Kontrollen ein Bedarf an besseren Falldefinitionen und strengeren Long-COVID-Kriterien besteht“, schreiben die Forscher.
„Ich stimme den in der BMJ-Analyse beschriebenen Mängeln zu, etwa das initiale Fehlen von Kontrollgruppen, das Fehlen einer klaren Definition der Erkrankung, die Verwechslung von Symptomen im Zusammenhang mit einem postviralen Syndrom und solchen, die auf postpandemische Umstände (psychoreaktiv) zurückzuführen sind, sowie die Tatsache, dass die Datengrundlage oft auf subjektiven Selbstauskünften in Apps beruht, die nicht validiert sind“, kommentiert Prof. Dr. Clara Lehmann. Sie ist Leiterin des Infektionsschutzzentrums, der Infektionsambulanz sowie der Post-Covid-Ambulanz, Uniklinik Köln.
Als mögliche Folgen nennt sie „überhöhte Schätzungen der Anzahl der Betroffenen, eine mögliche Ausrichtung der Forschung in die falsche Richtung und politische Entscheidungen, die auf emotionalen, nicht sachlichen Grundlagen getroffen werden“.
Lehmann: „Ich möchte an dieser Stelle betonen, dass Long- oder Post-COVID kein Hirngespinst ist. Bei einigen Patienten sehen wir auch mehrere Wochen nach der Infektion krasse inflammatorische Reaktionen. Doch dies trifft nicht auf das Gros der Patienten zu.“
COVID-19: Inhalatives Glukokortikoid bei ambulanten Patienten ohne Effekt
Eine 14-tägige Behandlung mit inhalativem Fluticasonfuroat führte bei ambulanten Patienten mit COVID-19 nicht zur schnelleren Rekonvaleszenz als Placebo. Das hat eine neue Studie ergeben.
Forscher haben nicht hospitalisierte Erwachsene im Alter von mindestens 30 Jahren, die mindestens 2 Symptome einer akuten Infektion hatten und die nicht länger als 7 Tage erkrankt waren, randomisiert. Patienten erhielten entweder mit inhalativem Fluticasonfuroat in einer Dosis von 200 μg 1-mal täglich über 14 Tage oder Placebo. Der primäre Endpunkt war die Zeit bis zur nachhaltigen Besserung, definiert als 3 Tage ohne Symptome. Zu den sekundären Endpunkten gehörten Krankenhausaufenthalt oder Tod bis zum 28. Tag und ein zusammengesetzter Endpunkt aus diesen Parametern.
Von den 1.407 Teilnehmern, die randomisiert wurden, erhielten 715 inhalatives Fluticasonfuroat und 692 Placebo. 656 bzw. 621 Teilnehmer wurden in die Analyse einbezogen.
Es gab keine Hinweise darauf, dass die Verwendung von Fluticasonfuroat zu einer kürzeren Erholungszeit als Placebo führte (Hazard Ratio 1,01; 95%-KI 0,91 bis 1,12; Wahrscheinlichkeit eines Nutzens, definiert als Hazard Ratio >1: 0,56).
Insgesamt mussten 24 Teilnehmer (3,7%) in der Fluticasonfuroat-Gruppe, verglichen mit 13 Teilnehmern (2,1%) in der Placebo-Gruppe, als Notfall stationär behandelt werden (Hazard Ratio 1,9; 95%-KI 0,8 bis 3,5). 3 Teilnehmer in jeder Gruppe wurden ins Krankenhaus eingeliefert und es gab keine Todesfälle. Unerwünschte Ereignisse traten in beiden Gruppen nur selten auf.
Paxlovid® wirkt auch gegen aktuelle COVID-19-Varianten
Nirmatrelvir/Ritonavir (Paxlovid®) und Molnupiravir (Lagevrio®) werden in vielen Ländern zur Behandlung von nicht hospitalisierten Patienten mit leichtem bis mittelschwerem COVID-19 verordnet, bei denen ein hohes Risiko für einen schweren Verlauf besteht. Wissenschaftler zeigen, dass diese Medikamente bei SARS-CoV-2 Omikron-Subvarianten, insbesondere BQ.1.1 und XBB.1.5, wirksam sind.
Sie haben in ihre Kohortenstudie Patienten der Cleveland Clinic, Cleveland, eingeschlossen. Bei allen Teilnehmern wurde zwischen dem 1. April 2022 und dem 20. Februar 2023 COVID-19 diagnostiziert. Im Zeitraum waren BA.2 zu BA.4/BA.5, dann BQ.1/BQ.1.1 und schließlich zu XBB/XBB.1.5, vorherrschend.
68.867 Patienten (29.386 [42,7%] im Alter von ≥ 65 Jahren; 26.755 [38,9%] männliche Patienten) wurden eingeschlossen. 30 von 22.594 Patienten, die mit Nirmatrelvir behandelt wurden, 27 von 5.311 Patienten, die mit Molnupiravir behandelt wurden, und 588 von 40.962 Patienten, die keine Behandlung erhalten hatten, starben innerhalb von 90 Tagen nach der Omikron-Infektion.
Die bereinigten HRs für den Tod betrugen 0,16 (95%-KI 0,11-0,23) für Nirmatrelvir und 0,23 (95%-KI 0,16-0,34) für Molnupiravir. Die bereinigten HRs für Krankenhausaufenthalte oder Tod betrugen 0,63 (95%-KI 0,59-0,68) für Nirmatrelvir und 0,59 (95%-KI 0,53-0,66) für Molnupiravir.
„Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Anwendung von Nirmatrelvir oder Molnupiravir mit einer Verringerung der Sterblichkeit und der Krankenhauseinweisungen bei Omikron-infizierten Patienten verbunden ist, unabhängig von Alter, ethnischer Zugehörigkeit, Virusstamm, Impfstatus, vorherigem Infektionsstatus oder Begleiterkrankungen“, schreiben die Autoren. „Beide Medikamente können daher zur Behandlung von nicht hospitalisierten Patienten eingesetzt werden, die ein hohes Risiko haben, eine schwere COVID-19-Infektion zu entwickeln.“
SARS-CoV-2: Mutationsrisiken durch Molnupiravir
Das antivirale Medikament Molnupiravir löst im Genom von SARS-CoV-2 bei der Replikation Mutationen im Virusgenom aus. Die meisten Mutationen sind schädlich bis tödlich für das Virus. Wenn jedoch einige mit Molnupiravir behandelte Patienten SARS-CoV-2-Infektionen nicht vollständig kurieren, besteht die Möglichkeit einer Weitergabe von mit Molnupiravir mutierten Viren – so das Ergebnis einer genetischen Analyse.
Wissenschaftler haben jetzt anhand globaler Sequenzierdatenbanken Mutationen im SARS-CoV-2-Virus im zeitlichen Verlauf kartiert. Sie analysierten einen Stammbaum von 15 Millionen SARS-CoV-2-Sequenzen, so dass sie an jedem Punkt der Entwicklungsgeschichte des Virus sehen konnten, welche Mutationen aufgetreten waren.
Obwohl Viren ständig mutieren, identifizierten Forscher Mutationsereignisse, die sich deutlich von typischen Mustern unterschieden und stark der Einnahme von Molnupiravir assoziiert waren.
Mutationen dieser Muster nahmen im Jahr 2022 zu, zeitgleich mit der Einführung von Molnupiravir. Sie waren häufiger bei älteren Patienten zu finden, was mit dem Einsatz der Virostatika zur Behandlung von Menschen mit höherem Risiko zusammenhängt. Ein Alter von 60 Jahren oder mehr gilt als unabhängiger Risikofaktor.
In England analysierten die Forscher Behandlungsdaten. Sie stellten fest, dass mindestens 30% der Ereignisse mit der Einnahme von Molnupiravir zusammenhingen.
Sie sahen auch kleine Mutationscluster, was auf eine Weitergabe von einer Person zur anderen schließen lässt, obwohl derzeit noch keine bedenklichen Varianten mit dieser Signatur bekannt sind.
Christopher Ruis von der medizinischen Fakultät der Universität Cambridge kommentiert: „Wir haben festgestellt, dass dieser Prozess [die Therapie mit Molnupiravir] bei einigen Patienten nicht alle Viren abtötet und dass sich einige mutierte Viren weiter verbreiten können. Dies muss bei der Bewertung des Gesamtnutzens und der Risiken von Molnupiravir und ähnlichen Medikamenten berücksichtigt werden.“
Hilft Kreatinin gegen das Post-COVID-Syndrom?
Kreatin wird in den Muskeln gebildet, kann aber auch über die Nahrung aufgenommen werden. Eine randomisiert-kontrollierte Studie hat ergeben, dass das Supplement als Intervention bei Post-COVID bieten. Zahlreiche Internet-Portale hatten das Nahrungsergänzungsmittel schon länger bei diesen Beschwerden ins Gespräch gebracht.
In dieser randomisierten, placebokontrollierten Parallelgruppen-Doppelblindstudie untersuchten Forscher Effekte einer 6-monatigen Kreatin-Gabe (4 g Kreatinmonohydrat pro Tag). Die Supplementation führte zu einem signifikanten Anstieg der Kreatinwerte im Gewebe des Musculus vastus medialis und der rechten parietalen weißen Substanz im Vergleich zu den Ausgangswerten sowohl bei der 3-monatigen als auch bei der 6-monatigen Nachuntersuchung (p < 0,05).
Die Kreatin-Supplementierung führte nach 3 Monaten zu einer signifikanten Verringerung der allgemeinen Müdigkeit im Vergleich zu den Ausgangswerten (p = 0,04) und zu einer signifikanten Verbesserung der Werte für mehrere Symptome (z.B. Schwäche, Atembeschwerden, muskuloskelettale Schmerzen, Kopfschmerzen und Konzentrationsschwierigkeiten) bei der 6-monatigen Nachuntersuchung (p < 0,05).
„Die Einnahme von Kreatin über einen Zeitraum von 6 Monaten scheint die Bioenergetik des Gewebes zu verbessern und die klinischen Merkmale des Post-COVID-19-Müdigkeitssyndroms abzuschwächen“, resümieren die Autoren. „Weitere Studien sind erforderlich, um unsere Ergebnisse in verschiedenen Post-COVID-19-Kohorten zu bestätigen.“
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Credits:
Photographer: © Vadimgozhda
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Diesen Artikel so zitieren: Vakzine für Kinder später verfügbar; Long-COVID häufig falsch diagnostiziert; Forscherin aus Wuhan warnt vor anderen Coronaviren - Medscape - 28. Sep 2023.
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