So sieht die ideale Prostatakrebs-Früherkennung aus – mit PSA und Algorithmus: Die Wünsche der Urologen an die Politik

Ute Eppinger

Interessenkonflikte

26. September 2023

Leipzig – Quo vadis PCa-Früherkennung? Seit Jahren setzt sich die Deutsche Gesellschaft für Urologie (DGU) für eine verbesserte Früherkennung des Prostatakarzinoms (PCa) ein und fordert, endlich ein zeitgemäßes Verfahren auf den Weg zu bringen. Favorisiert wird der Test auf das prostataspezifische Antigen (PSA) gekoppelt mit einer multiparametrischen Magnetresonanztomografie (mpMRT) als weiterführende Untersuchung bei Karzinomverdacht – ein vielversprechender Ansatz, der auch die häufig kritisierten Übertherapien vermeiden kann. 

Entsprechend wurde die Empfehlung des Europäischen Rates vom 9. Dezember 2022, ein modernes Screeningprogramm für Prostatakrebs zu prüfen, von der DGU begrüßt. Zeitnah unterbreitete die Fachgesellschaft dem Bundesministerium für Gesundheit (BMG) und dem Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) einen Vorschlag für eine diagnostische Kaskade zur Risikostratifizierung. Der EU-Rat hatte empfohlen, „[…] die Durchführbarkeit und Wirksamkeit eines systematischen Prostatakrebs-Screenings für Männer auf der Grundlage von PSA-Tests in Kombination mit einer Magnetresonanztomografie (MRT) als Folgeuntersuchung zu bewerten“. 

In einem Schreiben hatte die DGU am 14. Dezember 2022 eindringlich an Bundesgesundheitsminister Prof. Dr. Karl Lauterbach appelliert, die Bestimmung eines Basis-PSA-Wertes und bei Krebsverdacht eine mpMRT als Früherkennungsleistung zu etablieren – und in einer Pressemitteilung ihr Anliegen öffentlich gemacht.

Kommt bald die PCa-Früherkennung mit PSA und mpMRT?

Wie ist der Stand der Dinge? „Wir möchten jetzt die EU-Ratsempfehlung nutzen, um erneut auf die Politik zuzugehen und um nachhaltig die Früherkennung des Prostatakarzinoms in Deutschland zu verbessern“, sagte Prof. Dr. Maurice Stephan Michel. Auf der Eröffnungspressekonferenz des Kongresses der DGU in Leipzig umriss der DGU-Generalsekretär und Sprecher des Vorstands den Vorschlag der Fachgesellschaft für eine risikoadaptierte PSA-basierte Prostatakarzinom-Früherkennung [1]

 
Wir möchten jetzt die EU-Ratsempfehlung nutzen, um erneut auf die Politik zuzugehen und um nachhaltig die Früherkennung des Prostatakarzinoms in Deutschland zu verbessern. Prof. Dr. Maurice Stephan Michel
 

Die Ratsempfehlung, so Michel, beruhe u.a. auf der aktuellen Datenlage der ERSPC-Studie, in der sich ein signifikanter Vorteil für das Prostatakarzinom-spezifische Überleben in der Screening-Gruppe im Langzeitverlauf gezeigt hat. Infolge der Ratsempfehlung wurden in mehreren europäischen Ländern Pilotprojekte gestartet.

Michel berichtete, dass die DGU „Signale“ auf ihren Vorschlag erhalten habe. Hinter den Kulissen werde emsig gearbeitet und man werde den Druck hochhalten. „Ich bin zuversichtlich, dass wir das bis zum Ende der Legislaturperiode abschließen können“, sagte Michel.

Algorithmus für risikoadaptierte PSA-basierte PCa-Früherkennung

Der DGU-Vorschlag an BMG und G-BA – ein Algorithmus für eine risikoadaptierte PSA-basierte PCa-Früherkennung – stützt sich auf hochwertige Screening-Studien und Pilotprojekte anderer europäischer Länder, berichtete Michel. Übergeordnetes Ziel ist die Detektion klinisch signifikanter Prostatakarzinome bei gleichzeitiger Verringerung von Überdiagnostik und Übertherapie. Entsprechend den Empfehlungen des EU-Rats und den Ergebnissen der 1. Screening-Runde der PROBASE-Studie werden für das Screening v.a. ein PSA-Test und die mpMRT herangezogen, die digital-rektale Untersuchung spielt hingegen eine untergeordnete Rolle. 

Der G-BA war vor 3 Jahren zu dem Schluss gekommen, dass ein generelles PSA-Screening keinen Vorteil bringt. Entsprechend zahlt die Gesetzliche Krankenversicherung (GKV) die Bestimmung des PSA-Wertes nicht. Auch in den USA hatte man 2012 die PSA-Bestimmung ausgesetzt – mit der Folge, dass in den folgenden 10 Jahren sehr viel seltener lokal begrenzte und sehr viel häufiger fortgeschrittene und metastasierte Prostatakarzinome diagnostiziert wurden.

Die Ergebnisse der ersten PROBASE-Screening-Runde zeigen aber: Im Studienarm „immediate PSA“ mit einem PSA >°3°ng/ml und einer bioptischen Abklärung mittels mpMRT wurden mittels Biopsie 48 Prostatakarzinome entdeckt (Detektionsrate 0,2%). Im Kontrollarm „deferred PSA“ hingegen, in dem auf die initiale PSA-Bestimmung verzichtet und die Indikation zur Prostatastanzbiopsie allein nach digital-rektaler Untersuchung gestellt wurde, konnten nur 2 Karzinome entdeckt werden (2/6.537; Detektionsrate 0,03%). 

„Der Unterschied in der Detektionsrate mit und ohne Basis-PSA-Wert ist offensichtlich und unterstützt unsere Fortschrittsforderung in der Früherkennung des Prostatakarzinoms mittels PSA-Wert und multiparametrischer MRT der Prostata (mpMRT) als adäquate Folgeuntersuchung“, kommentierte Prof. Dr. Peter Albers, Leiter der PROBASE-Studie, die Ergebnisse. 

Beratung und Einladung zum PSA-Test für Männer zwischen 50 und 65

Der Algorithmus gibt einen klar definierten Pfad vor: 50- bis 65-jährige Männer erhalten eine Einladung zur Beratung beim Facharzt und zu einem PSA-Test. 

Abhängig von der Höhe des PSA-Werts werden die weiteren Testintervalle festgelegt und bestimmt, ob direkt eine mpMRT erfolgen muss. Der PSA-Schwellenwert für die Durchführung einer mpMRT wird auf 3 ng/ml festgelegt. Bei einem PSA >1,0 ng/ml soll der Test nach 5 Jahren wiederholt werden, bei 1-3 ng/ml nach 2 bis 4 Jahren.

Nach der mpMRT entscheidet sich dann entsprechend der PI-RADS-Klassifizierung, ob eine Prostatabiopsie durchgeführt werden sollte. Bei einer PI-RADS-III-Läsion ist in dem Algorithmus nicht per se die Indikation zur Biopsie gegeben. Stattdessen erfolgt die erneute Risikostratifizierung in niedrigem bzw. hohem Risiko. Während Patienten mit hohem Risiko eine Biopsie empfohlen wird, werden Patienten mit niedrigem Risiko zunächst weiter klinisch beobachtet. 

Hierdurch können erwartungsgemäß circa 20% mehr signifikante Karzinome erkannt werden, während gleichzeitig unnötige Biopsien reduziert werden. Das ist bedeutsam, weil die Mortalität des Prostatakarzinoms nach wie vor an 2. Stelle der Krebserkrankungen des Mannes steht und jährlich ca. 15.000 Männer daran sterben. 

 
Der PSA-Wert führt nicht zu Überdiagnostik und Übertherapie, sondern ist der Einstieg in eine Kaskade der Risiko-Stratifizierung zur besseren Krebsfrüherkennung. Prof. Dr. Maurice Stephan Michel
 

„Der PSA-Wert führt nicht zu Überdiagnostik und Übertherapie, sondern ist der Einstieg in eine Kaskade der Risiko-Stratifizierung zur besseren Krebsfrüherkennung“, betonte Michel. Die DGU appellierte erneut an den G-BA und an das BMG, ein organisiertes Prostatakarzinom-Früherkennungsprogramm als Kassenleistung zu verankern. „Es darf nicht sein, dass Deutschland zum Schlusslicht in der Früherkennung des Prostatakarzinoms in Europa wird“, sagte Michel. 

 
Es darf nicht sein, dass Deutschland zum Schlusslicht in der Früherkennung des Prostatakarzinoms in Europa wird. Prof. Dr. Maurice Stephan Michel
 

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