Der ursprünglich in der Freizeitdroge Ecstasy enthaltene Wirkstoff MDMA (3,4-Methylendioxy-N-Methylamphetamin) ist auch in einer diversen Gruppe von Patientinnen und Patienten mit Posttraumatischer Belastungsstörung (PTBS) – die in klinischen Studien häufig unterrepräsentiert sind – wirksam. Das bestätigt eine Phase-3-Studie, die jetzt im Fachmagazin Nature Medicine veröffentlicht wurde [1].
„Die aktuelle Studie bestätigt die Ergebnisse früherer Studien zur Prüfung der Wirksamkeit und Sicherheit von MDMA bei PTBS, insbesondere die Ergebnisse des gleichen Autorenkonsortiums, die 2021 in Nature Medicine publiziert wurden“, sagt Prof. Dr. Gerhard Gründer, Leiter der Abteilung Molekulares Neuroimaging am Zentralinstitut für Seelische Gesundheit Mannheim. Die 3-malige Gabe von MDMA – eingebettet in einen psychotherapeutischen Kontext – sei über einen Zeitraum von etwa 3 Monaten bei PTBS deutlich wirksamer gewesen als ein Placebo.
Die Bestätigung der damals noch in einem homogenerem Patientenkollektiv erhobenen Daten in einer erweiterten Population müssten für eine Zulassung potenziell ausreichend sein, ergänzt Prof. Dr. Matthias Liechti, Stellvertretender Chefarzt der klinischen Pharmakologie und Toxikologie am Universitätsspital Basel.
MDMA-Anwendung bei PTBS bislang nur in Schweiz und Australien erlaubt
In der Schweiz wird MDMA mittels Ausnahmebewilligungen des Bundesamtes für Gesundheit bereits seit 8 Jahren außerhalb medizinischer Studien eingesetzt. Diese Behandlungen sind aber stark reguliert und auf Patienten beschränkt, die nicht ausreichend auf die üblichen Therapien ansprechen.
Als einziges anderes Land ermöglicht neuerdings Australien die Anwendung von MDMA bei PTBS: Seit diesem Jahr ist es für diese Anwendung nicht mehr verboten. Allerdings wird auch dort die Anwendung stark reguliert und bisher wurden noch keine Patienten behandelt.
MDMA (3,4-Methylendioxy-N-methylamphetamin) ist der ursprüngliche Wirkstoff der Freizeitdroge Ecstasy, in der Wahrnehmung vieler Konsumenten und auch der Medien wird es bis heute als Synonym behandelt. In der Realität enthalten Ecstasy-Pillen heutzutage oft wenig oder gar kein MDMA, sondern verschiedene andere Inhaltsstoffe. Die Droge wirkt auf das Serotonin-System des Gehirns und fördert unter anderem prosoziales Verhalten.
Therapieerfolg auch in diverserer Population
2021 publizierte das Forschungsteam um Dr. Jennifer Mitchell vom Department of Neurology der University of California in San Francisco, USA, die Ergebnisse seiner ersten Phase-3-Studie zur Effektivität einer MDMA-unterstützen Psychotherapie bei moderater bis schwerer PTBS. Die 90 überwiegend weißen Teilnehmerinnen und Teilnehmer erhielten dabei über etwa 18 Wochen mehrere psychotherapeutische Sitzungen. Diese wurden 3-mal entweder mit MDMA oder einem Placebo unterstützt. Die Therapieform war im Allgemeinen gut verträglich und konnte die Schwere der PTBS-Symptome und funktionelle Beeinträchtigungen signifikant verringern.
In der jüngst publizierten 2. Phase-3-Studie wurden gezielt Personengruppen eingeschlossen, die vorher unterrepräsentiert waren. So identifizierten sich zum Beispiel 26,9% der insgesamt 104 Teilnehmenden als hispanisch bzw. Latino und 33,7% als nicht-weiß. Der Ablauf des Experiments war vergleichbar mit dem der Vorgängerstudie aus 2021.
Als Messinstrumente für die therapeutische Wirksamkeit verwendeten Mitchell und ihre Kollegen die Clinician-Administered PTSD Scale for DSM-5 (CAPS-5) für die Beurteilung der Symptomatik und die Sheehan Disability Scale (SDS) für die Beurteilung der funktionellen Beeinträchtigung.
Weniger Symptome, weniger funktionelle Beeinträchtigung
Der CAPS-5-Score nahm in der mit MDMA behandelten Gruppe um 23,7 Punkte ab, ein signifikant besseres Ergebnis als in der Placebogruppe. Wurde statt MDMA ein Placebo verwendet, sank der Score um 14,8 Punkte (p < 0,001).
Und auch was die Reduktion der funktionellen Beeinträchtigung anging, hatte MDMA einen signifikant stärkeren Effekt: Der SDS-Score sank mit MDMA um 3,3 Punkte und mit Placebo um 2,1 Punkte (p = 0,03).
Am Ende der Studie erfüllten 71% der Probanden in der MDMA-unterstützten Therapiegruppe die diagnostischen Kriterien für PTBS nicht mehr, gegenüber 48% der Probanden in der Placebogruppe.
„Die Daten zeigen eine Wirksamkeit, welche im indirekten Vergleich mit anderen bisher verfügbaren Behandlungen – Antidepressiva und Expositionstherapie – aufgrund der Effektgröße klar besser erscheint“, so Liechti. Noch offen sei – wie bei vielen neuen Behandlungsformen – ob sich diese Wirksamkeit auch in einer breiteren Anwendungspraxis bei vielen Patienten bestätigen lasse.
Gute Verträglichkeit, aber nicht nebenwirkungsfrei
Fast alle Teilnehmenden entwickelten mindestens eine Nebenwirkung. In der MDMA-Gruppe am häufigsten – und mindestens doppelt so häufig wie in der Placebogruppe – waren Muskelverspannungen, Übelkeit, Appetitlosigkeit und Hyperhidrose. Diese traten allerdings meist nur vorübergehend auf und waren leicht bis mittelschwer ausgeprägt.
Zu schweren therapiebedingten Nebenwirkungen – unter anderem Palpitationen, Dissoziation, Flashback und Trauerstörung – kam es bei 7 Probanden, 5 (9,4%) in der MDMA-Gruppe und 2 (3,9%) in der Placebogruppe.
Suizidgedanken und Suizidverhalten wurde nicht berichtet. Auch Todesfälle, lebensbedrohliche oder eine signifikante Behinderung nach sich ziehende Nebenwirkungen traten nicht auf. Es gab keine Berichte über Fälle von MDMA-Missbrauch oder körperlicher Abhängigkeit.
Gibt es Missbrauchspotenzial?
„Ob Patienten nach der Therapie privat MDMA konsumieren könnten, hängt von der Auswahl der Patienten ab. Wenn man Patienten nimmt, die gar keine Drogenerfahrung haben und gar keine Suchtprobleme, ist die Gefahr äußerst gering“, sagt Prof. Dr. Gregor Hasler, Ordinarius für Psychiatrie und Psychotherapie, Universität Freiburg, Schweiz.
Ferner sei es „ziemlich schwierig“, MDMA auf dem Schwarzmarkt zu erhalten: „Was unter dem Namen ,Ecstasy‘ läuft, sind [heutzutage] eher Amphetamine mit wenig MDMA. Auch Personen, die auf Partys schon Ecstasy einnahmen, bestätigen, dass das therapeutische MDMA deutlich verschieden ist.“
Allgemein gelte: „Wenn man immer mehr Personen mit Suchtproblemen einschließt, muss man genau prüfen, ob das Suchtverhalten zunimmt oder abnimmt. Eine Abhängigkeit von MDMA ist pharmakologisch möglich“, ergänzt er.
Langfristige Wirksamkeit noch ungeklärt
Die Autorinnen und Autoren weisen darauf hin, dass die Ergebnisse der beiden Phase-3-Studien eine sehr gute Wirksamkeit für den akuten Behandlungsverlauf lieferten – bei im Allgemeinen guter Verträglichkeit. Allerdings könnten noch keine Aussagen über einen langfristigen Erfolg der Therapieform getroffen werden.
Die Probanden wurden nach der letzten Therapiesitzung noch etwa 2 Monate nachbeobachtet. „Es ist möglich, dass sich der Zustand im weiteren Verlauf wieder verschlechtern kann und weitere Behandlungen nötig werden. Darauf weisen Praxisdaten aus der beschränkten medizinischen Anwendung von MDMA in der Schweiz hin, wo in der Regel mehrere Behandlungen über einen längeren Zeitraum erfolgen“, sagt Liechti.
Allerdings sei PTBS allgemein keine wiederkehrende Krankheit, weshalb von 2 Monaten recht gut seien, ergänztHasler. „Dies ist länger als bei einer typischen Antidepressiva-Studie.“ Trotzdem sei es „sicher spannend, die Teilnehmenden nach einem Jahr wieder zu befragen“.
MDMA bei PTBS bald auch in Deutschland?
„Bei der vorliegenden Datenlage ist damit zu rechnen, dass die amerikanische Arzneimittelbehörde FDA MDMA für PTBS in 2024 zulassen wird,“ prognostiziert Gründer. PTBS-Patientinnen und -Patienten in Deutschland werden aber wahrscheinlich nicht so schnell von dieser neuen Therapieoption profitieren.
Wegen der fehlenden Finanzierung hat die Multidisciplinary Association for Psychedelic Studies (MAPS) ihr Studienprogramm in Europa zunächst gestoppt. „Bis zur Verfügbarkeit dieser Therapieform in Europa wird es daher wohl noch Jahre dauern“, so Gründer.
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Credits:
Photographer: © Andrei ASKIRKA
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Diesen Artikel so zitieren: Ecstasy-Pillen nach Trauma? Wirkstoff MDMA hilft im Kontext einer Psychotherapie bei PTBS – Zulassung auch in Europa? - Medscape - 25. Sep 2023.
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