Das Respiratorische Synzytial-Virus (RSV) ist eine der Hauptursachen für Krankenhausaufenthalte bei Säuglingen. Im vergangenen Winter hatte RSV sehr heftige Erkrankungswellen bei Babys und Kleinkindern verursacht. Für die kommende Saison rechnet Prof. Dr. Folke Brinkmann, Leiterin Sektion Pädiatrische Pneumologie am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein (UKSH), mit einer Entspannung: „Im Moment sehen wir zum Glück nur ganz vereinzelte RSV-Fälle, auf einem ähnlichen Niveau, wie wir das auch vor der Pandemie kennen“, sagte Brinkmann auf einem Press Briefing des Science Media Centers (SMC) [1]. Brinkmann erwartet für diese Saison keinen ausgeprägten Nachhol-Effekt mehr.
Die schwersten Erkrankungsverläufe weisen Säuglinge unter 6 Monaten auf sowie Kinder, die zu früh geboren sind. „Vulnerable Lunge, neonataler Intensivaufenthalt, vorgeschädigte chronische Lungenerkrankung, Patienten mit Herzfehlern – das sind die Hauptrisikogruppen für schwere RSV-Infektionen im jungen Alter“, erklärte Prof. Dr. Bernhard Resch von der Neonatologie der Medizinischen Universität Graz.
Für diese Kinder wird seit 1999 zur Prophylaxe der monoklonale Antikörper Palivizumab empfohlen. Wegen der kurzen Halbwertszeit müssen die Injektionen aber alle 4 Wochen wiederholt werden. Und weil eine Injektion ca. 1.300 Euro kostet, wird die Behandlung in Deutschland derzeit nur für Hochrisiko-Säuglinge angeboten.
2 neue Impfstoffe, 1 neuer Antikörper – noch keine Impfempfehlung
Mit Abrysvo® (Pfizer) und Arexvy® (GlaxoSmithKline, GSK) stehen nun erstmals 2 Impfstoffe und mit Nirsevimab (Beyfortus®, AstraZeneca) ein neuer monoklonaler Antikörper gegen RSV zur Verfügung.
Als maternaler Impfstoff ist Abrysvo® für Schwangere vorgesehen, die den Immunschutz an den Säugling weitergeben; zusätzlich ist das Vakzin zur aktiven Immunisierung von Personen ab 60 Jahren geeignet. Der Impfstoff Arexvy® ist derzeit nur für Erwachsene ab 60 Jahren vorgesehen. Sowohl Abrysvo® als auch Arexvy® sind rekombinante Proteinimpfstoffe, die sich gegen das Fusionsprotein von RSV richten.
Der Bedarf an Immunisierungen ist groß – nicht nur bei Säuglingen, auch bei älteren und immunsupprimierten Menschen kann das Virus zu schweren Atemwegsinfektionen führen. Zwar sind Abrysvo®, Arexvy® und Nirsevimab von der EU-Kommission zugelassen, für die anstehende Saison wird es aber noch keine STIKO-Empfehlung geben, bestätigte Prof. Dr. Klaus Überla, Direktor des Virologischen Instituts am Universitätsklinikum Erlangen und Sprecher der STIKO-Arbeitsgruppe RSV.
Geringfügig vermehrt trat Frühgeburtlichkeit auf
Beim Impfstoff Arexvy® waren in der Vakzin-Gruppe geringfügig vermehrt Frühgeburten aufgetreten, berichtete Brinkmann. Die Frühgeburtlichkeit finde sich tendenziell auch bei dem Abrysvo®-Impfstoff. „Auch da gibt es etwas mehr Frühgeburten in der Vakzin-Gruppe als in der Placebo-Gruppe“, berichtete Überla. Der Effekt sei allerdings nicht statistisch signifikant – es könne sein, dass es sich um zufällige Beobachtungen handele.
Das Sicherheitssignal wurde in erster Linie in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen gefunden, bei Teilnehmerinnen aus Europa und Nordamerika hingegen nicht. „Aber es gibt im Moment eben keine gute Erklärung für dieses Sicherheitssignal. Und das macht es ein bisschen schwierig, jetzt generell diesen Impfstoff für alle Schwangeren zu empfehlen“, sagte Überla. Gerade in Hinblick auf die RSV-Impfung Schwangerer sei zunächst ein ganz klares Sicherheitssignal nötig, stellte Brinkmann klar.
Die Daten zu Abrysvo® zeigen, dass die Schutzwirkung für die Kinder der geimpften Mütter in den ersten 3 Monaten bei etwas über 70% lag. Nach 6 Monaten lag der Schutz vor schweren Infektionen noch bei 57%. Der Schutz vor jeglicher Infektion war etwas geringer, berichtete Brinkmann. „Schaut man auf die Wirksamkeit, ist das wirklich ein toller Impfstoff [Abrysvo®] – das hätte ich so in dem Ausmaß nicht erwartet“, sagte Überla. „Ich habe die Hoffnung, dass wir da gute Einsatzmöglichkeiten etablieren“, fügte er hinzu.
Expertenstatement der AWMF soll Orientierung geben
Bis dahin wird es allerdings noch dauern: Derzeit erarbeitet die STIKO verschiedene für die Empfehlungen nötige Aspekte. Dazu gehört auch eine Transmissions-Modellierung zum möglichen Einfluss der Impfstoffe auf die RSV-Verbreitung in der Bevölkerung. Die STIKO werde sich, so Überla, nicht nur zu den neuen Impfstoffen, sondern auch zu den Einsatzszenarien des neuen Antikörpers äußern – allerdings nicht mehr in diesem Herbst.
Überla kündigte ein Expertenstatement der Arbeitsgemeinschaft Wissenschaftlich Medizinischer Fachgesellschaften (AWMF) zu den beiden Impfstoffen und zum neuen Antikörper an, an dem sich auch STIKO-Mitglieder beteiligt haben. Das Statement soll Ärzten in der kommenden Impfsaison als Orientierungshilfe dienen.
Vorteile von Nirsevimab
Der seit September verfügbare neue monoklonale Antikörper Nirsevimab kann Säuglinge in ihrer ersten RSV-Saison vor dem Erreger schützen. Der Vorteil von Nirsevimab ist, dass er nur einmal pro Saison und nicht alle 4 Wochen injiziert werden muss. Anders als Palivizumab (Synagis®) kommt Nirsevimab nicht nur für Hochrisiko-Kinder, sondern als Schutzoption für alle Neugeborenen infrage.
Wie Resch berichtete, plane der Hersteller, den monoklonalen Antikörper für 300 Euro anzubieten. Das liegt deutlich unter den Kosten von Palivizumab und könnte dazu beitragen, Nirsevimab als Schutzoption für alle Neugeborenen zu etablieren.
Auch wenn der monoklonale Antikörper als Option für alle Neugeborenen infrage kommt – Überla sieht seinen Einsatz im Wesentlichen bei den Risikokindern zur Prophylaxe. „Auf individueller Basis kann ich mir die Impfung [mit Nirsevimab] noch sehr gut bei Senioren vorstellen, besonders bei multimorbiden Senioren mit hohem Risiko.“ Zu Beginn der Saison würde man dann – ähnlich wie bei der Grippeimpfung – eine RSV-Impfung vorsehen. Eine Impfung gegen RSV könnte gleichzeitig mit einer Grippeimpfung und/oder einer Impfung gegen COVID-19 erfolgen.
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Medscape Nachrichten © 2023
Diesen Artikel so zitieren: RSV-Prävention mit neuen Impfstoffen und monoklonalem Antikörper – wem sie nützt und was Experten derzeit raten - Medscape - 22. Sep 2023.
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