Corona-Impfsaison: Tipps für Ärzte zur Bestellung, Dokumentation und Abrechnung; Praxen im Winter wieder überlastet?

Michael van den Heuvel

Interessenkonflikte

21. September 2023

Im Medscape-Corona-Newsblog finden Sie regelmäßig eine Auswahl von klinisch relevanten Kurzmeldungen zu COVID-19.

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach erhält eine COVID-Auffrischungsimpfung. (C) Karl Lauterbach / X (ehemals Twitter)

Corona-Newsblog, Update vom 21. September 2021

  • Die Lage in Deutschland

  • „COVID ist keine Erkältung“: BMG und RKI raten zur Auffrischungsimpfung 

  • Tipps für Ärzte zur Bestellung, Dokumentation und Abrechnung

  • Hausärzteverband warnt vor überlasteten Praxen

  • CDC-Experten befürchten Triple-Infektionen

  • Ursprung von SARS-CoV-2: WHO drängt China, mehr Informationen bereitzustellen

  • Long- oder Post-COVID erkennen – mit einer Augenuntersuchung

  • Post-COVID bei Kindern ist selten, kommt aber vor

  • Post-COVID: Evidenz für die physikalische Reha – Ärzte sollten auf unerwünschte Effekte achten

Die Lage in Deutschland

Laut Corona-Pandemieradar des Bundesministeriums für Gesundheit liegt die 7-Tage-Inzidenz bei 9 COVID-19-Fällen pro 100.000 Einwohner. Die Zahl der Arztbesuche wegen einer Atemwegserkrankung mit COVID-19-Diagnose liegt aktuell bei 60 je 100.000 Einwohner und ist damit 107 % höher als in der Vorwoche (29). Allerdings entwickelt sich die Hospitalisierungsinzidenz rückläufig – mit derzeit 1,8 COVID⁠-⁠19-Fällen pro Woche und pro 100.000. Das sind 9 % niedriger als in der Vorwoche (2,0). Bundesweit befinden sich momentan 241 Patienten mit einer Corona-Infektion in intensivmedizinischer Behandlung  – 5% mehr als in der Vorwoche (230).

„COVID ist keine Erkältung“: BMG und RKI raten zur Auffrischungsimpfung 

Pünktlich zum Beginn der Impfsaison hat Prof. Dr. Karl Lauterbach (SPD) – er ist mittlerweile 60 und zählt damit zu den Risikogruppen – medienwirksam einen Booster Shot erhalten. Deutschland gehe wieder ohne Beschränkungen in die kalte Jahreszeit, sagt der Gesundheitsminister und warnt gleichzeitig: „Wir können den Verlauf kommender Coronawellen nicht vorhersagen, aber klar ist, dass ältere Personen und Menschen mit Vorerkrankungen weiterhin ein höheres Risiko haben, an COVID-19 schwer zu erkranken.“

Auch wenn schwere Verläufe durch die erreichte Basisimmunität in der Bevölkerung deutlich seltener geworden seien, gelte: „COVID ist keine Erkältung.“ Personen ab 60 Jahren und Risikogruppen sollten sich impfen lassen, „am besten auch gleich gegen Influenza“. Denn auch hier seien Ältere oder Personen mit Vorerkrankungen am stärksten gefährdet. 

Prof. Dr. Lars Schaade, kommissarischer RKI-Präsident, ergänzt: „Bei Symptomen einer akuten Atemwegsinfektion sollte man generell 3 bis 5 Tage zu Hause bleiben.“ Eine Maske helfe zum Fremdschutz. Das sei besonders wichtig, wenn man trotz Symptomen den Kontakt zu Risikopersonen nicht völlig vermeiden könne.

Tipps für Ärzte zur Bestellung, Dokumentation und Abrechnung

Seit 18. September stehen Arztpraxen angepasste Vakzine von BioNTech/Pfizer zur Verfügung. 14 Millionen Dosen des Präparats sollen während der aktuellen Saison zum Einsatz kommen. Die wichtigsten Tipps der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV): 

Welche Vakzine können derzeit verimpft werden? Neben den Omikron-angepassten Vakzinen (Comirnaty® bzw. Spikevax®) stehen momentan auch nicht angepasste Vakzine (Comirnaty®, COVID-19 Impfstoff von Janssen, Valneva®, Vidprevtyn Beta®) zur Verfügung. Vidprevtyn Beta® wird von der STIKO nicht genannt; er kann nur bei ärztlicher Indikation zu Lasten der GKV abgerechnet werden. 

Wie werden Impfstoffe bestellt? Apotheken liefern die Vakzine an Arztpraxen. Ärzte bestellen den Impfstoff auf dem Rezept-Formular (Muster 16) – spätestens bis Dienstag 12:00 Uhr für die nächste Woche. Sie geben den Impfstoffnamen und die Anzahl der Dosen an. Vials von BioNTech/Pfizer enthalten 6 Dosen. Kostenträger ist in allen Fällen das Bundesamt für Soziale Sicherung (BAS) mit dem IK 103609999. Hier ist nicht zwischen GKV und PKV zu unterscheiden. Der Impfstoff wird derzeit vom Bund finanziert. 

Welche Patienten haben Anspruch auf eine Impfung? Details zur Kostenübernahme regelt die Schutzimpfungs-Richtlinie. Sie basiert auf Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO) am Robert Koch-Institut. Auffrischungsimpfungen sollten demnach erhalten: 

  • Personen im Alter von mindestens 60 Jahren,

  • Personen ab 6 Monaten, die aufgrund einer Grundkrankheit besonders gefährdet sind, schwer an COVID-19 zu erkranken,

  • Bewohner in Einrichtungen der Pflege,

  • Personen mit einem erhöhten Risiko für schweres COVID-19 in Einrichtungen der Eingliederungshilfe,

  • Personal in medizinischen Einrichtungen und in Pflegeeinrichtungen mit direktem Kontakt zu vulnerablen Menschen,

  • Familienangehörige und enge Kontaktpersonen von Personen, bei denen eine COVID-19-Impfung vermutlich keine schützende Immunantwort erzielt.

Alle Patienten haben bis 29. Februar 2024 über die Schutzimpfungs-Richtlinie hinaus Anspruch auf COVID-19-Impfungen, falls dies behandelnde Ärzte für sinnvoll halten. 

Wer weder zu den Risikopersonen gehört noch eine ärztliche Empfehlung bekommt, muss die Kosten selbst tragen. 

Welcher zeitliche Mindestabstand ist einzuhalten? Die Auffrischimpfung soll in einem Mindestabstand von 12 Monaten zur letzten COVID-19-Impfung oder SARS-CoV-2-Infektion durchgeführt werden. Bei Personen mit Einschränkung der Immunantwort kann dies früher sinnvoll sein. 

Wie lange können die Vials verwendet werden? Ungeöffnet sind sie 10 Wochen im Kühlschrank bei 2°C bis 8°C verwendbar; geöffnet müssen sie Innerhalb von 12 Stunden verimpft werden. Details hat die KBV zusammengestellt

Wie sind Nebenwirkungen zu erfassen? Praxen melden jeden Verdacht auf Nebenwirkungen namentlich dem zuständigen Gesundheitsamt. Die Meldung an die Arzneimittelkommission sind online möglich. 

Wie sind Impfungen zu dokumentieren? Laut Vorgaben des BMG müssen Praxen COVID-19-Impfungen tagesgenau über das ImpfDokuPortal dokumentieren. Weitere Impfdaten für das RKI werden mit der Abrechnung erfasst. Wie bisher ist die Patientenakte und der Impfausweis zu aktualisieren. 

Hausärzteverband warnt vor überlasteten Praxen

Der Hausärztinnen- und Hausärzteverband ruft Menschen ab 60 Jahren auf, sich speziell vor Grippe zu schützen. Die in Australien bereits beendete Saison deute darauf hin, dass auch hier mit einer deutlich spürbaren Welle zu rechnen sei, sagte der Verbandsvorsitzende Markus Beier.

„Mit Herbstbeginn füllen sich unsere Wartezimmer wieder mit Impfwilligen und Infektfällen“, befürchtet er. „Wir haben im vergangenen Winter gesehen, was passiert, wenn wir durch zeitgleiche Infektwellen sehr viele Menschen auf einmal betreuen müssen – die Hausarztpraxen sind dann schnell am Limit.“ Schon heutzutage seien „immer mehr Praxen gezwungen, neue Patientinnen und Patienten, die kein Notfall sind, abzuweisen“. 

CDC-Experten befürchten Triple-Infektionen

Die US Centers for Disease Control and Prevention (CDC) warnen, dass die Gesamtzahl der Krankenhauseinweisungen aufgrund von COVID-19, Infektionen mit dem Respiratorischen Synzytialvirus (RSV) und mit Influenza könne in diesem Jahr ähnlich hoch sein wie im letzten Jahr – und über dem Niveau vor der Pandemie liegen wird.

CDC-Experten erwarten, dass Grippe- und RSV-Infektionen im Herbst und Winter zunehmen werden. Eine höhere Durchimpfungsrate in der Bevölkerung könne dazu beitragen, die Zahl der Krankenhausaufenthalte und das Risiko einer Überlastung der Krankenhäuser des Landes zu verringern, so die CDC.

Ein sprunghafter Anstieg der RSV-Infektionen, der mit einer Zunahme der COVID-Übertragung und einer früher als normal verlaufenden Grippesaison zusammenfällt, hat in den Vereinigten Staaten und in vielen anderen Ländern Angst vor einer 3-Fach-Welle aufkommen lassen. 

Ursprung von SARS-CoV-2: WHO drängt China, mehr Informationen bereitzustellen

Der WHO-Generaldirektor Tedros Adhanom Ghebreyesus fordert von Peking, mehr Informationen über die Herkunft von COVID-19 bereitzusteklle. Er sei bereit, ein 2. Team zur Untersuchung der Angelegenheit zu entsenden, berichtet die Financial Times.

„Wir drängen China, vollen Zugang zu den Informationen zu gewähren, und wir bitten die Länder, das Thema bei ihren bilateralen Treffen anzusprechen, um Peking zur Zusammenarbeit zu drängen“, sagte WHO-Generaldirektor Tedros Adhanom Ghebreyesus. 

Ghebreyesus drängt China seit langem, seine Informationen über den Ursprung von COVID-19 mitzuteilen, und sagte, dass bis dahin alle Hypothesen auf dem Tisch liegen würden.

Das Virus wurde erstmals im Dezember 2019 in der chinesischen Stadt Wuhan identifiziert. Viele Wissenschaftler vermuten, dass es sich auf einem Markt für lebende Tiere ausbreitete, bevor es sich über die ganze Welt ausgebreitet und fast 7 Millionen Menschen getötet hat.

Long- oder Post-COVID erkennen – mit einer Augenuntersuchung

Bislang stützen sich Diagnosen von Long- oder Post-COVID vor allem auf Patientenangaben zu Symptomen; valide Biomarker gibt es nicht. Jetzt berichten Forscher aus München von einem neuen Ansatz. 

Ihre Kohorte umfasste 41 Patienten und 204 gematchte Kontrollen. Wissenschaftler verglichen dabei die retinale Mikrozirkulation. 2 Parameter zeigten einen starken Zusammenhang mit Long-COVID: Arteriolen, also kleinste Arterien, waren im Vergleich zur gesunden Kontrollgruppe deutlich verengt. Außerdem zeigten Venolen – nicht aber die Arteriolen – eine veränderte Reaktion auf Lichtreize. Leuchtet man mit einem flackernden Licht ins Auge, erweitern sich die Blutgefäße. Bei Patienten mit Long-Covid war diese Reaktion deutlich verringert.

Die Kohorte ist zwar zu klein, um darauf aufbauend Tests zu entwickeln. „Ich bin aber zuversichtlich, dass auf Grundlage unserer Ergebnisse ein Werkzeug entwickelt werden kann, um Long-COVID sicher zu diagnostizieren“, sagt Studienleiter Prof. Dr. Christoph Schmaderer. Er ist Geschäftsführender Oberarzt in der Abteilung für Nephrologie des Klinikums rechts der Isar, Universitätsklinikum der TUM.

Post-COVID bei Kindern ist selten, kommt aber vor

Wie häufig tritt Post-COVID bei Kindern auf? Ältere Daten liefern ein widersprüchliches Bild. Je nach Studie schwankt die Prävalenz zwischen 1% und 70% liegt. Mehr Evidenz liefert eine bevölkerungsbasierte Stichprobe mit Schulkindern aus Alberta, Kanada, die vor SARS-CoV-2-Infektionen rekrutiert worden sind. 

Die Eltern berichteten während der gesamten Studiendauer (76 Wochen) alle 2 Wochen über die Symptome ihres Kindes. Ein Kind hatte per Definition Post-COVID, wenn folgende Kriterien erfüllt waren: 

  • ein positives Polymerase-Kettenreaktion (PCR)-Testergebnis für eine SARS-CoV-2-Infektion, 

  • neue Symptome, die innerhalb von 3 Monaten nach einem positiven PCR-Ergebnis für COVID-19 auftraten, 

  • anhaltende Symptome für mindestens 8 Wochen. 

Von den 1026 rekrutierten Kindern waren 513 weiblich (50,0%) und 511 männlich (49,8%), mit einem mittleren (SD) Alter von 10,5 (2,1) Jahren. 

Die Inzidenz von Post-COVID war in dieser Studie auffallend niedrig (0,4%). Zu den häufigsten Post-COVID-19-Symptomen gehörten Rhinitis (62%), Halsschmerzen (68%), Kopfschmerzen (52%), Husten (42%), Fieber (41%) und Müdigkeit (35%). Jedes dieser Symptome verschwand innerhalb von 10 Wochen nach einem positiven PCR-Testergebnis. 

Post-COVID: Evidenz für die physikalische Reha – Ärzte sollten auf unerwünschte Effekte achten

Nach wie vor gibt es keine evidenzbasierten Therapien bei Post-COVID. Ergebnisse einer systematischen Überprüfung und Metaanalyse zeigen, dass verschiedene Interventionen bei einer Post-COVID-Reha mit Verbesserungen der Belastbarkeit, der Atemnot und der Lebensqualität assoziiert sind.

Die Forscher wollten wissen, ob eine Reha mit Atemtraining und Bewegung die körperliche Leistungsfähigkeit bei Erwachsenen mit einer Post-COVID. Verbessern könnten. Sie haben in ihre systematische Übersichtsarbeit 14 randomisierten klinischen Studien mit 1.244 Patienten eingeschlossen. 

Wie die Autoren schreiben, gebe es eine 99%ige Wahrscheinlichkeit, dass spezielle Rehas der Standardbehandlung überlegen seien. Sie fanden jedoch ein hohes Maß an Unsicherheit und Ungenauigkeit bezüglich trainingsbedingter unerwünschter Effekte; die eingeschlossenen Studien waren von der Qualität her heterogen. 

„Obwohl Atemtraining und sportliche Rehabilitationsmaßnahmen bei Patienten mit post-COVID-19-Zustand zu einer Verbesserung der funktionellen Leistungsfähigkeit führen könnten, wird empfohlen, dass Ärzte diese Patienten während der Durchführung solcher Maßnahmen genau überwachen, um die Sicherheit der Patienten zu gewährleisten, bis endgültigere Erkenntnisse vorliegen“, so das Fazit. 

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Kommentar

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