Scheinselbstständigkeit im Arbeitsverhältnis erkennen, Nachforderungen vermeiden: Tipps für die Praxisleitung

Virchowbund / Andrea Schannath 

Interessenkonflikte

20. September 2023

Von Scheinselbstständigkeit sprechen Juristen, wenn Personen laut Vertrag als externer Dienstleister für beispielsweise eine Arztpraxis oder ein Krankenhaus arbeiten, in Wirklichkeit jedoch wie reguläre Angestellte tätig sind. So könnte eine Ärztin als „freie Mitarbeiterin“ in einer Praxis aushelfen oder ein Physiotherapeut im Auftrag des Praxisinhabers zusätzliche Leistungen für die Patienten erbringen.

Eine falsche Einschätzung des Status kann zu großen finanziellen und rechtlichen Risiken führen, warnt der Virchowbund.

Angestellt oder selbstständig – die wichtigsten Kriterien

Ärzte sind in Bezug auf Weisungsgebundenheit eine besondere Berufsgruppe, da sie einen freien Beruf ausüben und in ihren ärztlichen Tätigkeiten keine Weisungen erhalten, selbst wenn sie angestellt sind. Es hängt jedoch davon ab, inwieweit sie in eine fremde Arbeitsorganisation eingegliedert sind, beispielsweise in ein Krankenhaus.

Die folgende Tabelle des Virchowbundes hilft dabei, selbstständige und abhängige Beschäftigung zu unterscheiden:

Merkmal

Abhängig beschäftigt/angestellt

Unabhängig beschäftigt /selbstständig

Eingliederung in den Praxisbetrieb

ja

ja; über die Arbeitskraft kann frei verfügt werden

Weisungsgebundenheit bei Arbeitszeit und -ort

ja


frei in der Entscheidung

Weisungsgebundenheit bei Aufgaben

bei manchen Aufgaben*

frei in der Entscheidung

Nutzung von Arbeitsmitteln

Arbeitsmittel werden gestellt

eigene Betriebsstätte und Arbeitsmittel

Vertragliche Verpflichtung

per Arbeitsvertrag verpflichtet

Dienstvertrag für bestimmte Leistungen

Sozialversicherungsschutz

ist gegeben, ebenso Anzahl von Urlaubstagen

kein Mindesteinkommen,
kein Urlaubsanspruch, Unternehmerrisiko

Ablehnung von Aufträgen

nicht möglich

möglich

Bezahlung und Rechnungsstellung

wie ein Angestellter mit Gehaltsabrechnung

höhere Bezahlung als Arbeitnehmer und Rechnungsstellung

Exklusivität

Nur für einen einzigen Arbeitgeber tätig

möglich, für mehrere Arbeitgeber zu arbeiten

Beschäftigung von Personal

Kein eigener Arbeitgeber bei abhängiger Beschäftigung

möglich, eigenes Personal zu beschäftigen

Eigenes Kapital

nicht involviert

involviert

Werbung für das eigene Unternehmen

nicht möglich

möglich

 

Tipp: Wenn Sie unsicher sind, wie die Beschäftigung einzustufen ist, können Sie bei der Clearingstelle der Deutschen Rentenversicherung Bund einen Antrag auf Klärung des Status stellen. Zudem ist beim Virchowbund eine individuelle Rechtsberatung in der Mitgliedschaft enthalten.

Folgen der Scheinselbstständigkeit Mitarbeitender für die Praxisleitung

Eine Scheinselbstständigkeit kann Folgen haben. Zum Beispiel können Nachforderungen der Sozialversicherungsträger entstehen:

  • Der bisherige Auftraggeber eines Scheinselbstständigen wird als tatsächlicher Arbeitgeber eingestuft, und müsste damit die Arbeitgeber- und Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung rückwirkend bis zu vier Jahre nachzahlen.

  • Zuzüglich können Säumniszuschlägen von 1% pro Monat fällig werden.

  • Auch die Lohnsteuer müsste rückwirkend beglichen werden.

  • Darüber hinaus besteht die Gefahr eines Strafverfahrens gemäß § 266a des Strafgesetzbuches aufgrund der Vorenthaltung von Beiträgen zur Sozialversicherung.

In den vergangenen Jahren gab es immer wieder Urteile zur Scheinselbstständigkeit z. B. von Honorarärzten, ärztlichen Vertretern in einer Vertragsarztpraxis und in Corona-Impfzentren. Der Virchowbund hält per Newsletter über diese und andere Entscheidungen auf dem Laufenden und berät Mitglieder kostenfrei.

Der Beitrag ist im Original erschienen auf Coliquio.de.

 

Kommentar

3090D553-9492-4563-8681-AD288FA52ACE
Wir bitten darum, Diskussionen höflich und sachlich zu halten. Beiträge werden vor der Veröffentlichung nicht überprüft, jedoch werden Kommentare, die unsere Community-Regeln verletzen, gelöscht.

wird bearbeitet....