Cannabis: Die Legalisierung naht – doch wer sollte nicht mehr ans Steuer? Grenzwerte wie bei Alkohol sind noch fern…

Nicola Siegmund-Schultze

Interessenkonflikte

19. September 2023

In Deutschland hat, wie Medscape berichtet, das Bundeskabinett einen Entwurf eines „Gesetzes zum kontrollierten Umgang mit Cannabis und zur Änderung weiterer Vorschriften“ (CanG) beschlossen. Wenn der Gesetzentwurf Bundestag und Bundesrat passiert, könnte das CanG zum Jahresende in Kraft treten. Aus medizinisch-wissenschaftlicher ist derzeit aber unklar, welche Grenzwerte für die Teilnahme am gelten.

Die Fragestellung erweist sich als diffizil. Laut einer in JAMA Psychiatry veröffentlichten Studie erweisen sich bei Cannabis-Konsumenten neurologischen und motorischen Tests, die als mögliche Basis für Tests bei Verkehrskontrollen dienen könnten, als ungeeignet [1]. Eine individuelle Abschätzung, ob unzureichende neurologische, kognitive und motorische Fähigkeiten auf einen Cannabiskonsum zurückzuführen sein könnten, waren nicht mit ausreichender Treffsicherheit möglich. Damit dürfte auch das Festlegen von Grenzwerten für die Teilnahme am Straßenverkehr, wie sie für Alkohol gelten, für den Cannabiskonsum schwierig werden.

Das deutsche Verkehrsministerium plant etwa, in § 24a des Straßenverkehrsgesetzes Grenzwerte für Cannabis auf wissenschaftlicher Basis festzulegen.

Offene Fragestellungen zu Cannabis als Genussmittel

Zum Hintergrund: In Deutschland ist das Führen eines Fahrzeugs strafbar, wenn Personen aufgrund des Konsums alkoholischer Getränke oder anderer berauschender Mittel dazu nicht in der Lage sind. Fahruntertüchtigkeit wird im Gesetz nicht definiert, sondern durch die Rechtsprechung. Diese nutzt für die Feststellung das Wissen Sachverständiger. Für Alkohol haben die obersten deutschen Gerichte eine Grenze für die absolute Fahruntüchtigkeit bei 1,1 Promille im Blut gezogen; für die relative Fahruntüchtigkeit sind es 0,3 Promille. 

Genau solche Grenzwerte sind bei Cannabis nun auch erforderlich. Ob biologische und medizinische Befunde eine praxistaugliche Grundlage liefern könnten, ist jetzt untersucht worden.

Forscher untersuchen Cannabis-Konsumenten aus den USA

Neue Erkenntnisse liefert eine randomisierte, doppelblinde, Placebo-kontrollierte Parallelgruppenstudie aus den USA. Alle Teilnehmer mussten einen gültigen Führerschein besitzen, Fahrpraxis und mindestens 4-mal im vergangenen Monat Cannabis konsumiert haben. 

Aus einem größeren Pool gescreenter Probanden zwischen 21 und 55 Jahren wurden 199 eingeschlossen und zu gleichen Anteilen randomisiert: ≥ 4-mal pro Woche oder < 4 pro Monat Rauchen einer Cannabiszigarette mit einem THC-Gehalt von 13,4%, 5,9% oder 0,02% (Placebo). Der Abstand zwischen der letzten Cannabiszigarette und den Tests betrug mindestens 2 Tage.

Im Rahmen von Labortests untersuchten die Forscher Urin, Blut und Speichel am Testtag auf THC (> 5 ng/ml testpositiv), Alkohol und andere psychoaktive Substanzen. Motorische und neurologische Untersuchungen, etwa auf Gleichgewicht, Aufmerksamkeit, Koordination, sowie das Fahrverhalten am Fahrsimulator, kamen mit hinzu. 

Enttäuschende Ergebnisse

Die speziell geschulten Untersucher fanden bei 81% der Teilnehmer aus den beiden THC-Gruppen unterdurchschnittliche Testergebnisse, aber auch bei 49,2% in der Placebogruppe. 

Fast alle festgestellten Einschränkungen (99,2%) führten sie auf den Cannabiskonsum zurück, also auch die in der Placebogruppe, die erwiesenermaßen „sauber“ war.

Probleme mit dem Gleichgewicht, zum Beispiel beim Einbeinstand, waren mit einer unzureichenden Performance im Fahrsimulator assoziiert (Faktor 3,09).

Die Suche geht weiter

Die Korrelationen zwischen Cannabiskonsum, TH-Cannabinol in Körperflüssigkeiten mit Ergebnissen der Tests waren nicht stark genug, als dass sich daraus Praxistests auf cannabisverursachte Einschränkungen der Verkehrssicherheit oder Risiken entwickeln ließen, so das Resümee der Forscher.

Das zeigten vor allem die Ergebnisse der Placebogruppe: Bei fast der Hälfte vermuteten die gut geschulten Beamten, dass ein vergleichsweise schlechtes Abschneiden in den Tests auf Cannabis zurückzuführen sei.

Es ist bekannt, dass eine akute Cannabisintoxikation zu Verschlechterungen der Aufmerksamkeit, der Reaktionszeit, der Entscheidungsfindung, der Impulskontrolle und des für sicheres Fahren notwendigen Kurzzeitgedächtnisses führen kann. Die Korrelation zwischen THC-Mengen in Körperflüssigkeiten mit kognitiven und motorischen Fähigkeiten sei so unklar, dass sie sich nicht für verkehrsmedizinisch basierte Standardtests eigneten, heißt es im Kommentar [2]

Gründe für die unzureichende Korrelation könnten die große interindividuelle Variationsbreite des THC-Metabolismus sein, Cannabis wird deutlich langsamer abgebaut als Alkohol, aber auch die interindividuellen Unterschiede bei Gewöhnungseffekten.

Es werde schwierig sein in der Zukunft, als Grund für ein unzureichendes Fahrvermögen Cannabis als Ursache festzustellen, schreiben die Forscher. 

Der Beitrag ist im Original erscheinen auf Univadis.de.

 

Kommentar

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