Hämodynamische Studien lassen auf neue Mechanismen beim Takotsubo-Syndrom (auch bekannt als „Syndrom des gebrochenen Herzens") schließen. Forscher hoffen jetzt auf neue Behandlungsstrategien für diese Erkrankung. Alle Ergebnisse der Studie „Optimized Characterization of Takotsubo Syndrome by Obtaining Pressure Volume Loops (OCTOPUS)“ wurde im Journal of the American College of Cardiologyveröffentlicht [1,2].
Stress als bekannter Auslöser
Ein Blick auf Details. Die Erkrankung betrifft oft ältere Frauen; Ärzte diagnostizieren sie bei etwa 6% aller Frauen, die sich mit den Symptomen eines akuten Koronarsyndroms vorstellen.
In etwa 2 Dritteln der Fälle gibt es ein auslösendes Stressereignis. Dieses kann körperlicher Natur sein, etwa eine akute Erkrankung, oder emotionaler Natur, etwa ein Streit oder der plötzliche Tod eines nahestehenden Menschen. Deshalb ist in der Literatur auch vom „broken heart syndrome“ die Rede.
Der auslösende emotionale Stress kann auch positiv sein, wie eine Geburtstagsfeier oder die Geburt eines Enkelkindes.
Wie kommt es zum Takotsubo-Syndrom?
„Mechanismen, die beim Takotsubo-Syndrom eine Rolle spielen, sind unbekannt. Da es oft einen Stressauslöser gibt, nimmt man an, dass die Aktivierung des Sympathikus einen Anstieg der Katecholamin-Ausschüttung verursacht, aber das ist nicht vollständig geklärt“, sagt der Hauptautor der aktuellen Studie, Dr. Thomas Stiermaier vom Universitären Herzzentrum Lübeck. „Wir wollten die hämodynamischen Effekte in den Herzen von Patienten mit Takotsubo-Syndrom genauer untersuchen, um möglicherweise neue Mechanismen zu identifizieren, die zu dieser Erkrankung beitragen.“
Messung direkt in der linken Herzkammer
Für ihre Studie verwendeten die Wissenschaftler einen Leitwertkatheter, der in den linken Ventrikel eingeführt wurde, um die Druck-Volumen-Verhältnisse bei 24 Patienten mit Takotsubo-Syndrom und einer Kontrollpopulation von 20 Teilnehmern ohne Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu analysieren.
Diese Druck-Volumen-Schleifen seien „der Goldstandard für die direkte Echtzeit-Bewertung der systolischen und diastolischen Herzfunktion unabhängig von den Belastungsbedingungen“. Messungen lieferten „detaillierte Informationen über die ventrikulär-arterielle Kopplung sowie die kardiale Energetik und Effizienz“, schreiben die Autoren.
Sie vermuten, dies sei die 1. umfassende hämodynamische Analyse bei Patienten mit Takotsubo-Syndrom ist, die eine solche invasive Erfassung von Druck-Volumen-Schleifen verwende.
Detaillierte Einblicke in physiologische Vorgänge
Die Wissenschaftler fanden heraus, dass das Takotsubo-Syndrom mit einer stark beeinträchtigten kardialen Kontraktilität und einer verkürzten systolischen Phase assoziiert ist. Als Reaktion darauf kompensiert das Herz die Beeinträchtigung durch eine Vergrößerung des linksventrikulären enddiastolischen Volumens, um das Schlagvolumen zu erhalten.
Die diastolische Funktion ist durch eine verlängerte aktive Relaxation, aber unveränderte passive elastische Eigenschaften gekennzeichnet. Die Analyse der energetischen Eigenschaften des Herzmuskels ergab ein ineffizientes System mit erhöhter potenzieller und verringerter kinetischer Energie (Schlagarbeit).
„Dies sind neue und wichtige Erkenntnisse“, sagte Stiermaier. Diese hämodynamischen Veränderungen gäben Hinweise auf die dem Takotsubo-Syndrom zugrunde liegenden Mechanismen sowie auf mögliche Behandlungsstrategien.
„Wenn man all diese Informationen zusammennimmt, halten wir es für wahrscheinlich, dass eine verringerte Phosphorylierung von Myofilamentproteinen – die durch eine Art Störung des Kalziumstoffwechsels verursacht werden kann – teilweise für die beeinträchtigte Kontraktilität und die verkürzte systolische Phase beim Takotsubo-Syndrom verantwortlich sein könnte“, kommentierte er.
Neue Ansätze für die Therapie
Die Wissenschaftler schlagen als Behandlung Medikamente wie Omecamtiv-Mecarbil (das die systolische Dauer verlängert) oder den Kalziumsensibilisator Levosimendan (der die Kontraktilität verbessert) vor. Diese Wirkstoffe könnten mit Betablockern kombiniert werden, um vor der starken adrenergen Aktivierung zu schützen.
In mehreren Studien sei über den Einsatz von Levosimendan beim Takotsubo-Syndrom berichtet worden, heißt es weiter. Dabei seien positive Auswirkungen durch eine beschleunigte Erholung der Ventrikelfunktion festgestellt worden. Allerdings gebe es zu Levosimendan keine prospektiven Daten – und Omecamtiv-Mecarbil sei noch nicht beim Takotsubo-Syndrom getestet worden.
„Wir müssen den an diesen Veränderungen auf zellulärer Ebene beteiligten Mechanismus eindeutig identifizieren und dann diese Medikamente testen, um zu sehen, ob sie zur Verhinderung oder Umkehrung der beim Takotsubo-Syndrom beobachteten hämodynamischen Veränderungen beitragen können“, sagte Stiermaier.
Welche Prognose hat das Takotsubo-Syndrom?
Er erläuterte, dass die kontraktilen Anomalien beim Takotsubo-Syndrom vorübergehend seien und sich meist nach einigen Wochen oder Monaten normalisierten. Während die systolische Funktion langfristig normal erscheinen mag, gibt es jedoch andere, subtilere Veränderungen, die fortbestehen können, und diese Patienten haben im Vergleich zur gesunden Bevölkerung langfristig eine erhöhte Rate an kardiovaskulären Ereignissen.
Da Patienten mit Takotsubo-Syndrom oft eine hohe Rate anderer Komorbiditäten aufweisen, ist nicht bekannt, ob ihre erhöhte Rate an Folgeerkrankungen auf das Syndrom oder auf andere Komorbiditäten zurückzuführen ist.
Während einige Patienten einen milden Krankheitsverlauf und eine gute Prognose hätten, träten bei anderen mehr Komplikationen auf, wobei etwa 10% bis 15% eine schwere Erkrankung mit kardiogenem Schock oder Pleuraerguss entwickelten, so Stiermaier.
„Diese Patienten haben eine schlechte Prognose. Unser Ziel ist es, die Patienten mit einem hohen Risiko für diese Komplikationen zu identifizieren und sie frühzeitig zu behandeln, um die Entwicklung eines kardiogenen Schocks und eines Pleuraergusses zu verhindern“, sagte er.
„Wir hoffen, dass wir durch die Identifizierung der hämodynamischen Veränderungen, die beim Takotsubo-Syndrom auftreten, die beteiligten Mechanismen herausfinden und in der akuten Situation Medikamente verabreichen können, um die Komplikationen zu verhindern, die im weiteren Verlauf auftreten können.“
Dieser Beitrag ist im Original erschienen auf Medscape.com.
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Lead Image: Dreamstime
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Diesen Artikel so zitieren: Was passiert beim Takotsubo-Syndrom? Messungen im Ventrikel geben Impulse für neue Behandlungsmöglichkeiten - Medscape - 18. Sep 2023.
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