EMA: Zulassungsempfehlungen für 9 Medikamente, darunter Therapien für Gliome, AML, Dermatitis und Myasthenia gravis

Michael van den Heuvel

Interessenkonflikte

18. September 2023

Der Ausschuss für Humanarzneimittel (CHMP) der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) hat auf seiner Sitzung im September 9 Arzneimittel zur Zulassung empfohlen, darunter 4 Orphan Drugs, 1 Biosimilar und 3 Generika [1]. Alle Details: 

Ebglyss® (Lebrikizumab) bei Dermatitis

Der CHMP empfahl die Erteilung einer Genehmigung für Ebglyss® (Lebrikizumab). Das Arzneimittel ist zur Behandlung von mittelschwerer bis schwerer atopischer Dermatitis bei Erwachsenen und Jugendlichen vorgesehen. 

Lebrikizumab ist ein rekombinanter humaner monoklonaler IgG4-Antikörper. Er hemmt die Interleukin-13-Signalübertragung, die eine wichtige Rolle bei Hautentzündungen, Infektionen und Juckreiz bei atopischer Dermatitis spielt.

Laut den vorliegenden Daten kann Ebglyss® solche Beschwerden verringern. Dies wurde anhand des Investigator's Global Assessment (IGA) und anhand des Eczema Area and Severity Index (EASI)-75 bei Patienten mit atopischer Dermatitis gemessen. Die häufigsten Nebenwirkungen sind Bindehautentzündung, Reaktionen an der Injektionsstelle, allergische Bindehautentzündung und trockene Augen. 

Finlee® (Dabrafenib) bei Gliomen

Ein positives Gutachten wurde auch für Finlee® (Dabrafenib) zur Behandlung von Gliomen abgegeben. Dazu zählen niedriggradig und hochgradig maligne Gliome (LGG und HGG).

Dabrafenib, ein Proteinkinaseinhibitor, hemmt RAF-Kinasen. Onkogene BRAF-Mutationen führen zu einer Aktivierung des RAS/RAF/MEK/ERK-Signalwegs. Sie sind an der Störung des Zellzyklus, der Zellproliferation und der Hemmung der Apoptose beteiligt. Die am häufigsten beobachtete BRAF-Mutation ist V600E, die bei 19% der pädiatrischen LGG und etwa 5% der pädiatrischen HGG festgestellt wurde.

Finlee® führte in Kombination mit Trametinib zu einer höheren Gesamtansprechrate (ORR: 46,6% gegenüber 10,8%) und zu einem längeren progressionsfreien Überleben (PFS: 20,1 Monate gegenüber 7,4 Monaten) im Vergleich zu einer Carboplatin- und Vincristin-Chemotherapie bei LGG. Bei HGG lag die ORR bei 56,1% und eine Dauer des Ansprechens (DOR) bei 22,2 Monaten, gemessen in einer einarmigen Studie. Die häufigsten Nebenwirkungen von Dabrafenib in Kombination mit Trametinib waren Fieber, Hautausschlag, Kopfschmerzen, Erbrechen, Müdigkeit, trockene Haut, Diarrhö, Blutungen, Übelkeit, Dermatitis, Neutropenie, Bauchschmerzen und Husten.

Vanflyta® (Quizartinib) bei akuter myeloischer Leukämie

Der Ausschuss gab eine positive Stellungnahme zu Vanflyta® (Quizartinib) für die Behandlung erwachsener Patienten mit diagnostizierter akuter myeloischer Leukämie (FLT3-ITD) ab. FLT3-ITD ist eine Mutation der Rezeptortyrosinkinase FLT3. ITD bedeutet dabei „interne Tandemduplikation“. 

Der Wirkstoff von Vanflyta® ist Quizartinib, ein Proteinkinaseinhibitor. Quizartinib hemmt zusammen mit seinem Hauptmetaboliten AC886 die Rezeptortyrosinkinase FLT3. Über mehrere Schritte wird die die FLT3-ITD-abhängige Zellproliferation blockiert.

Der Nutzen von Vanflyta® besteht in einer verlängerten Überlebensrate (medianes OS von 31,9 Monaten versus 15,1 Monate für Placebo), wie eine randomisierte, doppelblinde, placebokontrollierte Phase-3-Studie bei erwachsenen Patienten mit FLT3-ITD-positiver AML gezeigt hat. 

Die häufigsten Nebenwirkungen sind erhöhte Alanin-Aminotransferase-Spiegel, verminderte Thrombozytenzahl, vermindertes Hämoglobin, Durchfall, Übelkeit, Bauchschmerzen, Kopfschmerzen, Erbrechen und eine verminderte Neutrophilenzahl.

Yorvipath® (Palopegteriparatid) zur Substitution von Nebenschilddrüsenhormonen

Vom CHMP erhielt Yorvipath® (Palopegteriparatid), eine Therapie zur Substitution von Nebenschilddrüsenhormonen, grünes Licht. Das Präparat soll künftig zur Behandlung von chronischem Hypoparathyreoidismus bei Erwachsenen verordnet werden. Bei Hypoparathyreoidismus produzieren Hauptzellen der Nebenschilddrüsen nicht genügend Parathormon.

Aus Palopegteriparatid, einem pegylierten Derivat des Nebenschilddrüsenhormons, bildet sich im Körper das Parathormon. Es bindet an zelluläre Parathormonrezeptoren (PTH1R) und aktiviert diese ähnlich wie endogenes Parathormon. 

Mit Yorvipath® erreichen Patienten Serum- und Urinkalziumspiegel im Normalbereich – und zwar unabhängig von einer konventionellen Therapie, wie eine doppelblinde, placebokontrollierten Phase-3-Studie gezeigt hat. Die häufigsten Nebenwirkungen sind Reaktionen an der Injektionsstelle, Kopfschmerzen und Parästhesien. Eine Hyperkalzämie kann auftreten, insbesondere zu Beginn der Behandlung oder bei einer Dosissteigerung; die Patienten sollten auf Anzeichen und Symptome einer Hyperkalzämie überwacht werden.

Zilbrysq® (Zilucoplan) bei Myasthenia gravis

Auch für Zilbrysq® (Zilucoplan) zur Behandlung der generalisierten Myasthenia gravis liegt ein positives Votum vor. Diese chronische, neuromuskuläre Autoimmunerkrankung verursacht Muskelschwäche in verschiedenen Teilen des Körpers.

Zilucoplan blockiert die C5-Komplement-vermittelte Aktivierung und Zelllyse. Das Komplementsystem ist ein Teil des angeborenen Immunsystems. Es spielt eine wichtige Rolle bei der Abwehr von Infektionen und der Entzündungsreaktion. Bei C5 handelt es sich um ein spezifisches Protein. 

Unter Zilbrysq® verringert sich der Schweregrad der Erkrankung. Funktionswerte (Myasthenia-Gravis-Aktivitäten des täglichen Lebens, quantitativer Myasthenia-Gravis-Score und Myasthenia-Gravis-Composite-Score) sowie die Lebensqualität (gemessen anhand der überarbeiteten 15-teiligen Myasthenia-Gravis-Lebensqualitätsskala) bessern sich. Das hat eine 12-wöchige randomisierte, placebokontrollierte Studie mit anschließender Open-Label-Phase gezeigt.

Die häufigsten Nebenwirkungen sind Reaktionen an der Injektionsstelle und Infektionen der oberen Atemwege.

Seqirus®, ein Influenza-Impfstoff

Der CHMP gab auch grünes Licht für Zoonotic Influenza Vaccine Seqirus® (Oberflächenantigen, inaktiviert, adjuvantiert), ein Vakzin zur aktiven Immunisierung gegen den Subtyp H5N1 des Influenza-A-Virus. Er ruft bei Personen, die immunologisch naiv gegenüber dem Impfstamm sind, eine angemessene Immunreaktion hervor. Die häufigsten Nebenwirkungen sind Reaktionen an der Injektionsstelle, Myalgien, Kopfschmerzen und Müdigkeit. 

Herwenda® (Trastuzumab) bei Brustkrebs

Grünes Licht gab der CHMP auch für Herwenda® (Trastuzumab) zur Behandlung von metastasierendem und frühem Brustkrebs sowie metastasierendem Magenkrebs.

Herwenda® ist ein Biosimilar. Es ist dem Referenzprodukt Herceptin®, das am 28. August 2000 in der EU zugelassen wurde, sehr ähnlich. Daten zeigen, dass Herwenda® eine vergleichbare Qualität, Sicherheit und Wirksamkeit wie Herceptin aufweist. 

Zulassung von 2 Generika

Der CHMP empfahl die Erteilung einer Genehmigung für die pädiatrische Verwendung von Aqumeldi® (Enalaprilmaleat) zur Behandlung von Herzinsuffizienz und für das Inverkehrbringen von Catiolanze (Latanoprost) zur Senkung von erhöhtem Augeninnendruck. Zur Zulassung haben die Hersteller Hybridanträge eingereicht, die sich zum Teil auf Ergebnisse vorklinischer Tests und klinischer Prüfungen eines bereits zugelassenen Referenzprodukts und zum Teil auf neue Daten stützen.

Erweiterung bestehender Zulassungen

Der Ausschuss empfahl 11 Indikationserweiterungen für Arzneimittel, die in der Europäischen Union (EU) bereits zugelassen sind: 

  • Adcetris® (Brentuximab-Vedotin) ist indiziert für erwachsene Patienten mit zuvor unbehandeltem CD30+ Hodgkin-Lymphom im Stadium III oder IV in Kombination mit Doxorubicin, Vinblastin und Dacarbazin.

  • Enhertu® (Trastuzumab-Deruxtecan) ist als Monotherapie für die Behandlung erwachsener Patienten mit fortgeschrittenem nicht-kleinzelligem Lungenkrebs (NSCLC) indiziert, deren Tumoren eine aktivierende HER2 (ERBB2)-Mutation aufweisen und die eine systemische Therapie nach einer platinbasierten Chemotherapie mit oder ohne Immuntherapie benötigen.

  • Kaftrio® (Ivacaftor/Tezacaftor/Elexacaftor): Der CHMP empfahl die Zulassung von 2 neuen Darreichungsformen (60mg/40mg/80mg und 75mg/50mg/100mg Granulat in Beuteln) zur Anwendung bei Kindern im Alter von 2 bis 5 Jahren.

  • Kalydeco® (Ivacaftor): Grünes Licht gab es für die Kombinationsbehandlung mit Ivacaftor/Tezacaftor/Elexacaftor zur Behandlung der zystischen Fibrose (CF) bei pädiatrischen Patienten im Alter von 2 bis unter 6 Jahren, die mindestens eine F508del-Mutation im CFTR-Gen aufweisen.

  • Keytruda® (Pembrolizumab) ist als Monotherapie für die adjuvante Behandlung von Erwachsenen mit nicht-kleinzelligem Lungenkarzinom indiziert, bei denen nach vollständiger Resektion und platinbasierter Chemotherapie ein hohes Rezidivrisiko besteht. 

  • Nordimet® (Methotrexat) kommt zudem infrage bei mittelschwerer bis schwerer Plaque-Psoriasis bei Erwachsenen, die für eine systemische Therapie in Frage kommen. 

  • Olumiant® (Baricitinib) bei mittelschwere bis schwere atopische Dermatitis bei erwachsenen und pädiatrischen Patienten ab 2 Jahren, die für eine systemische Therapie in Frage kommen.

  • Pepaxti® (Melphalanflufenamid) ist in Kombination mit Dexamethason für die Behandlung erwachsener Patienten mit multiplem Myelom indiziert, die mindestens 2 vorangegangene Therapielinien erhalten haben und deren Erkrankung refraktär ist gegenüber Lenalidomid und die letzte Therapielinie.

  • Ryeqo® (Relugolix/Estradiol/Norethisteronacetat) zur symptomatischen Therapie der Endometriose bei Frauen, die wegen ihrer Endometriose bereits medizinisch oder chirurgisch behandelt wurden.

  • Takhzyro® (Lanadelumab) kann künftig zur routinemäßigen Vorbeugung von wiederkehrenden Anfällen des hereditären Angioödems bei Patienten ab 2 Jahren verordnet werden. 

  • Voxzogo® (Vosoritid) ist indiziert für die Behandlung von Achondroplasie bei Patienten im Alter von 4 Monaten und älter, deren Epiphysen nicht geschlossen sind.

Überprüfung des Nutzen-Risiko-Verhältnisses von Mysimba® (Naltrexon/Bupropion)

Der CHMP hat mit einer Überprüfung aller verfügbaren Informationen über die Vorteile und Risiken von Mysimba® (Naltrexon/Bupropion) begonnen, einem Arzneimittel, das zusammen mit Diät und Bewegung zur Gewichtskontrolle bei Erwachsenen eingesetzt wird. 

Anlass für die Überprüfung waren Bedenken hinsichtlich des potenziellen langfristigen kardiovaskulären Risikos. 2 Studien zur Bewertung des kardiovaskulären Risikos dieses Arzneimittels wurden vorzeitig abgebrochen, so dass eine 3. Studie erforderlich war, um die Zulassungsbedingungen zu erfüllen.

Zum Zeitpunkt der Überprüfung hatte die 3. Studie noch nicht begonnen und der CHMP hielt das vom Zulassungsinhaber vorgeschlagene Studiendesign für unzureichend, um die langfristige kardiovaskuläre Sicherheit zu untersuchen. Darüber hinaus wurden die vom Zulassungsinhaber vorgeschlagenen Maßnahmen zur Risikominimierung bei Patienten, die eine Langzeitbehandlung mit Mysimba® erhalten, für als nichtausreichend angesehen.

Überprüfung des Nutzen-Risiko-Verhältnisses von Havrix® (inaktiviertes Hepatitis-A-Virus)

Darüber hinaus hat die EMA eine Überprüfung von Havrix® eingeleitet. Havrix® ist ein Impfstoff, der Erwachsene und Kinder vor einer Infektion mit dem Hepatitis-A-Virus schützen soll. Der Impfstoff enthält das inaktivierte Hepatitis-A-Virus.

Havrix® wurde in der EU im Rahmen nationaler Verfahren zugelassen. Dies hat dazu geführt, dass der Impfstoff in den Mitgliedstaaten nicht einheitlich verwendet wird, was sich in den unterschiedlichen Verschreibungsinformationen widerspiegelt.

Die EMA wird die verfügbaren Daten zu Havrix® prüfen und die Verschreibungsinformationen ändern, um die Anwendung des Vakzins in der EU zu harmonisieren.

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