Zahlen steigen; Pirola ist da; Impfstoff gegen neue Varianten; Lauterbachs Hilfen für Long-COVID-Patienten; Migräne nach Corona

Michael van den Heuvel

Interessenkonflikte

14. September 2023

Im Medscape-Corona-Newsblog finden Sie regelmäßig eine Auswahl von klinisch relevanten Kurzmeldungen zu COVID-19.

Corona-Newsblog, Update vom 14. September 2023

  • Weltweit Zunahme von COVID-19 – aktuelle Trends aus Deutschland 

  • Long-COVID: Runder Tisch mit Lauterbach

  • USA: FDA gibt grünes Licht für modifizierte Impfstoffe

  • Moderna: Modifizierter Impfstoff schützt auch gegen neue Varianten

  • Long-COVID und Migräne – wie ist der Zusammenhang?

  • Höheres Risiko von Typ-1-Diabetes nach SARS-CoV-2-Infektionen

  • Pandemie und Lockdowns: Folgen auch für Großeltern

Weltweit Zunahme von COVID-19 – BA.2.86 erstmals in Deutschland nachgewiesen

„Im Vorfeld der Wintersaison auf der nördlichen Erdhalbkugel beobachten wir weiterhin besorgniserregende COVID-19-Trends“, sagte WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus. Laut WHO-Analyse kommt es derzeit Teilen des Mittleren Ostens und Asiens zu mehr Todesfällen. In den USA, in Europa und in Asien steigen vor allem die Hospitalisierungsraten an. 

Dazu ein Blick auf Deutschland (Stand 11. September): 

  • Die 7-Tage-Inzidenz liegt laut offiziellem Dashboard bei 8 COVID-19-Fällen pro 100.000 Einwohner. 

  • Die Zahl der Arztbesuche wegen einer Atemwegserkrankung mit einer COVID-19-Diagnose beträgt 51 je 100.000 und ist damit 70 % höher als in der Vorwoche (30).

  • Die Hospitalisierungsinzidenz liegt bei 1,8 COVID⁠-⁠19-Fällen pro Woche und pro 100.000 Einwohnerinnen und Einwohner und ist damit 53 % höher als in der Vorwoche (1,2).

  • Derzeit befinden 231 Patienten mit einer Corona-Infektion in intensivmedizinischer Behandlung. Das sind 23% mehr als in der Vorwoche (188). Engpässe gibt es derzeit nicht. 

  • Der Anteil der Variante EG.5 („Eris“) liegt bei mehr als 45% (Woche 34). 

  • Die stark mutierte Variante BA.2.86 („Pirola“) ist erstmals in Deutschland nachgewiesen worden, und zwar bei der Abwasser-Surveillance. 

Long-COVID: Runder Tisch mit Lauterbach – BfArM soll Off-Label-Liste erstellen

Laut einer Überblicksstudie in Nature Reviews Microbiology leiden mindestens 10% aller Menschen nach einer SARS-CoV-2-Infektion an langfristigen Folgen. Das sind mindestens 65 Millionen Menschen weltweit, davon mindestens 1 Million in Deutschland. Evidenzbasierte Therapien gibt es derzeit nicht.

Um Patienten mit Post- oder Long-COVID besser zu versorgen, hat sich Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) am 12. September mit Experten aus der Versorgung, der Wissenschaft, der Forschung, der Politik, der pharmazeutischen Industrie, von Fachgesellschaften sowie von Betroffenenverbänden ausgetauscht

Der Gesundheitsminister will im 1. Schritt Betroffenen den Zugang zu Medikamenten erleichtern. Eine Kommission am Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) soll nun eine Liste mit Präparaten erarbeiten, die für Long-COVID-Patienten außerhalb der Zulassung verordnet und bezahlt werden. Die Liste solle sehr schnell kommen, auf jeden Fall noch in diesem Jahr, sagte BfArM-Präsident Karl Broich.

Patientenschützer haben im Vorfeld kritisiert, es sei bislang zu wenig passiert. „Die Bundesregierung ist aufgefordert, einen Post-COVID-Fonds aufzulegen“, sagte der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch. „Das allein im laufenden Budget der Kranken- und Pflegekassen zu machen, wird nicht möglich sein. Schließlich brauchen die Betroffenen jetzt kontinuierliche und effiziente Hilfe.“

Derzeit sind 40 Millionen Euro als Forschungsförderung vorgesehen; ursprünglich sollten es 100 Millionen Euro in Aussicht gestellt worden. Lauterbach hat jedenfalls angekündigt, er wolle versuchen, weitere 60 Millionen zu bekommen. 

USA: FDA gibt grünes Licht für modifizierte Impfstoffe

Die US-amerikanische Arzneimittelbehörde (FDA) hat am 11. September grünes Licht für aktualisierte mRNA-Impfstoffe von Moderna bzw. von BioNTech/Pfizer gegeben. Die Vakzine enthalten eine einzige mRNA, welche der Omikron-Variante XBB.1.5 entspricht.

Bevor Bürger die Auffrischungsimpfung in ihrer Arztpraxis oder Apotheke erhalten, sind noch 2 Schritte erforderlich. Das Advisory Committee on Immunization Practices der CDC und die CDC-Direktorin Dr. Mandy Cohen müssen zustimmen. 

Laut FDA ist der Impfstoff für alle Personen ab 5 Jahren zugelassen, unabhängig vom vorherigen Impfstatus, sofern die letzte COVID-Impfung mehr als 2 Monate zurückliegt. 

Kinder im Alter von 6 Monaten bis 4 Jahren, die mindestens 1 COVID-Impfung erhalten haben, bekommen 1 Dosis oder 2 Dosen des neuen Impfstoffs nach Entscheidung ihres Kinderarztes. Kinder derselben Altersgruppe, die noch nie einen COVID-Impfstoff erhalten haben, können 3 Dosen des neuen BioNTech/Pfizer-Impfstoffs oder 2 Dosen des neuen Moderna-Vakzins bekommen. 

Moderna: Modifizierter Impfstoff schützt auch gegen neue Varianten

Bislang hat die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) keine Zulassung für den modifizierten Impfstoff von Moderna ausgesprochen. Der Hersteller hat jetzt Daten aus klinischen Studien veröffentlicht. 

Wie Moderna in einer Pressemeldung schreibt, ruft der aktualisierte COVID19-Impfstoffkandidat beim Menschen eine deutliche Immunantwort gegen die Variante BA.2.86 („Pirola“) hervor. „Klinische Studiendaten zeigen, dass der aktualisierte COVID-19-Impfstoffkandidat von Moderna einen 8,7-fachen bis zu 11-fachen Anstieg der neutralisierenden Antikörper gegen zirkulierende Varianten – einschließlich der Varianten BA.2.86, EG.5 und FL.1.5.1 – aufweist“, heißt es in der Meldung. Daten würden der FDA und der EMA zur Verfügung gestellt. 

Long-COVID und Migräne – wie ist der Zusammenhang?

Von allen Patienten mit Post- oder Long-COVID leiden – wie Medscape.com berichtet – 44% auch an Kopfschmerzen. Untersuchungen haben ergeben, dass es oftmals um Migräne handelt. Viele Betroffene geben an, noch nie zuvor eine Migräne gehabt zu haben. 

Der Mechanismus, wie Long-COVID Migräne auslösen kann, ist noch nicht vollständig geklärt, aber viele Ärzte glauben, dass die durch das Virus verursachte Entzündung eine Schlüsselrolle spielt.

„Um zu verstehen, warum manche Patienten bei Long-COVID Migräne haben, müssen wir die Rolle der Entzündung selbst verstehen“, sagt Dr. Emad Estemalik, Assistenzprofessor für Neurologie am Cleveland Clinic Lerner College of Medicine und Leiter der Abteilung für Kopfschmerzmedizin an der Cleveland Clinic.

Bei COVID-19 entsteht die Entzündung durch einen Zytokinsturm. Zytokine wiederum führen zu inflammatorischen Vorgängen in allen Organen des Körpers, auch im Gehirn. Dies kann bei einigen Patienten zu neuen täglichen Kopfschmerzen führen.

Eine Studie italienischer Forscher hat ergeben, dass viele Patienten, die während Long-COVID-Erkrankung zum 1. Mal Migräne entwickeln, Frauen mittleren Alters sind. Traditionell ein später Zeitpunkt für die 1. Migräne. Möglicherweise bleibt das Immunsystem längerfristig im Alarmzustand, und die Aktivierung des trigeminovaskulären Systems im Gehirn führt zur Migräne. 

Handelt es sich nach neurologischer Diagnostik um Migräne, sind alle leitliniengerechten Therapien, auch Triptane, empfehlenswert.

Höheres Risiko von Typ-1-Diabetes nach SARS-CoV-2-Infektionen

Die Häufigkeit von Diabetes im Kindesalter hat während der COVID-19-Pandemie zugenommen. Jetzt zeigen Forscher, dass SARS-CoV-2-Infektionen bei Kleinkindern mit hohem genetischem Risiko für Typ-1-Diabetes zeitlich mit der Entwicklung von Inselautoantikörpern, also gut untersuchten Biomarker, assoziiert war. 

Zwischen Februar 2018 und März 2021 nahm die Primary Oral Insulin Trial, eine europäische Multicenterstudie, 1.050 Säuglinge (517 Mädchen) im Alter von 4 bis 7 Monaten mit einem genetisch erhöhten Risiko von mehr als 10% für Typ-1-Diabetes auf. Die Kinder wurden bis September 2022 nachbeobachtet.

Die geschlechts-, alters- und länderbereinigte Hazard Ratio für die Entwicklung von Inselautoantikörpern, wenn die Kinder positiv auf SARS-CoV-2-Antikörper getestet wurden, betrug 3,5 (95%-KI 1,6-7,7; p=0,002). Die Inzidenzrate von Inselautoantikörpern betrug 3,5 (95%-KI 2,2-5,1) pro 100 Personenjahre bei Kindern ohne SARS-CoV-2-Antikörper und 7,8 (95%-KI 5,3-19,0) pro 100 Personenjahre bei Kindern mit SARS-CoV-2-Antikörpern (p=0,02).

Das Risiko für Inselautoantikörper bei Kindern mit SARS-CoV-2-Antikörpern war in jüngerem Alter (<18 Monate) mit der Entwicklung von SARS-CoV-2-Antikörpern assoziiert (HR 5,3; 95%-KI 1,5-18,3; p=0,009).

Inselautoantikörper treten Monate oder Jahre früher auf, bevor sich Typ-1-Diabetes klinisch manifestiert. Sie helfen Kinderärzten, Patienten mit erhöhtem Risiko zu identifizieren. 

Pandemie und Lockdowns: Folgen auch für Großeltern

Die COVID-19-Pandemie und die damit verbundenen Abriegelungsmaßnahmen stellten eine noch nie dagewesene Herausforderung für die Rolle der Großeltern in familienorientierten Kulturen wie Italien dar. Der eingeschränkte Kontakt zu den Enkelkindern während dieser Zeit könnte die psychische Gesundheit und das Wohlbefinden der Großeltern gefährden, so das Ergebnis einer kleinen Studie.

Wissenschaftler haben Daten einer im November 2020 durchgeführten Querschnittsstudie ausgewertet. Die Studie umfasste eine repräsentative Stichprobe von 4.400 älteren Erwachsenen aus der Lombardei, Italien, von denen 1.289 ihre Enkelkinder betreuten.

Weniger Kontakte zu den Enkeln waren war mit einer erhöhten Wahrscheinlichkeit für depressive Symptome bei Großeltern verbunden (OR 1,50, 95%-KI 1,01-2,24). Umgekehrt waren mehr Kontakte mit einer schlechteren Schlafqualität (OR 11,67, 95%-KI 5,88-23,17) und mit weniger Schlaf (OR 2,53, 95%-KI 1,45-4,41) verbunden.

„Es ist wichtig, die möglichen negativen Folgen einer Reduzierung des Kontakts mit Enkelkindern für die psychische Gesundheit der Großeltern zu berücksichtigen“, kommentieren die Autoren.

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