Krank? Im Urlaub? Da muss schnell eine Vertretung gefunden werden. Welch böses Nachspiel Vertretungsregelungen mit externen Kolleginnen und Kollegen haben können, zeigt ein Urteil des Bundessozialgerichts. Worum es geht und worauf Ärztinnen und Ärzte in der Berufsausübungsgemeinschaft (BAG) deshalb achten sollten, erklären Anna Stenger, Fachanwältin für Medizinrecht, und der Steuerberater Frank Steuer.
Mit Ärztinnen und Ärzten, die wegen Urlaubs oder Krankheit Praxisvertretungen ausüben, werden häufig Honorarvereinbarungen mit einer fixen Vergütung pro geleistete Stunde vereinbart. Bei diesen Konstellationen ist jedoch Vorsicht geboten. Das zeigt eine Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG).
Der konkrete Fall in einer gastroenterologischen Praxis
Das BSG entschied am 19. Oktober 2021 (B 12 R 1/21 R) zu einem Fall in einer gastroenterologischen Gemeinschaftspraxis. Dort übte eine externe Ärztin eine Vertretungstätigkeit aus. Hauptberuflich war sie als Oberärztin in einem Krankenhaus angestellt. Gemäß der Vereinbarung übernahm sie, nach Absprache und im Einzelfall, die Vertretung eines Arztes der Gemeinschaftspraxis wegen Urlaubs oder Krankheit. Sie führte u.a. endoskopische Untersuchungen durch, schrieb Befundberichte und gab Therapieempfehlungen, wofür auch sie eine Vergütung je Einsatzstunde erhielt.
Wie auch schon in den Entscheidungen zu Honorarärzten (B 12 R 11/18 R) sah das BSG die Weisungsgebundenheit sowie die Einbindung in die Organisationsstruktur als entscheidende Kriterien für die Beurteilung an, ob eine selbstständige oder eine abhängige Tätigkeit vorliegt.
Demnach ist eine Gesamtwürdigung maßgeblich, in der insbesondere die Eingliederung in die Arbeitsorganisation in den Blick zu nehmen ist. Denn auch bei eingeschränktem Weisungsrecht kann die Dienstleistung fremdbestimmt sein. Das ist dann der Fall, so das BSG, wenn sie ihr Gepräge von der Ordnung des Betriebes erhält, in deren Dienst die Arbeit verrichtet wird und sich daher als „funktionsgerecht dienende Teilhabe am Arbeitsprozess“ darstellt.
Die Vertretungsärztin war nun also nach der Einschätzung des BSG insbesondere hinsichtlich der Zuweisung bestimmter Patientinnen und Patienten weisungsgebunden. Aufgrund des arbeitsteiligen Zusammenwirkens mit dem Praxispersonal und der kostenfreien Nutzung von Einrichtungen und Mitteln der Gemeinschaftspraxis sei sie in deren Arbeitsabläufe eingegliedert. Das ausschließliche Tätigwerden in einer Vertretungssituation ändere daran nichts.
Der Eingliederung in einen fremden „Arztbetrieb“ könne es zwar entgegenstehen, wenn eine ärztliche Vertretung für die Dauer der Tätigkeit die Stelle des Praxisinhabers einnehme und zeitweilig selbst dessen Arbeitgeberfunktionen erfülle. Das sei hier aber nicht der Fall gewesen. Die Oberärztin habe lediglich die ärztlichen Leistungen vertretungsweise erbracht und keine Vertretung in der Rechtsstellung der Mitglieder der Gemeinschaftspraxis geleistet
Was das Urteil für Ihre Vertretungsregelung bedeutet
Diese Rechtsprechung hat erhebliche Auswirkungen auf die Praxis. Eine selbstständige Tätigkeit kann nur in Ausnahmefällen bei Vorliegen gewichtiger Indizien angenommen werden. Etwaige Tätigkeiten müssen daher im Einzelfall auf ihre Selbstständigkeit bzw. den Grad der Eingliederung in die abhängige Arbeitsorganisation überprüft werden.
Mehr noch: Selbst, wenn Praxisinhaber und Vertretung einvernehmlich eine selbstständige Tätigkeit vereinbaren wollen und dies auch nach ihrem Rechtsempfinden in diesem Sinne vertraglich regeln, werden solche Vertragsverhältnisse von der sozialgerichtlichen Rechtsprechung regelmäßig als abhängige Beschäftigung mit Sozialversicherungspflicht bewertet. Mit massiven Folgen, denn diese Vereinbarungen können Vertragsanpassungen und Beitragsnachzahlungen (!) zur Folge haben.
Dieser Artikel ist im Original am 30. August 2023 erschienen auf Coliquio.de .
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Diesen Artikel so zitieren: Vertretung durch externe Kollegen: Vorsicht Steuerfalle bei der Berufsausübungsgemeinschaft - Medscape - 13. Sep 2023.
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