Neue Analyse: Jeder Zweite erkrankt bis 75 an psychischen Leiden – Krankheitsbeginn meist um das 15. Lebensjahr

Michael Simm

Interessenkonflikte

13. September 2023

Umfragen zu psychischen Störungen auf Bevölkerungsebene zeigen eine Lebenszeit-Prävalenz von annähernd 29% für beide Geschlechter. Bis zum Alter von 75 Jahren steigt dieses Risiko auf annähernd 50%. Am häufigsten manifestieren sich Störungen um das 15. Lebensjahr [1]

Bislang kaum Daten zur Planung der Gesundheitsversorgung

Informationen zur Häufigkeit und dem Verlauf psychischer Erkrankungen über die Lebenszeit hinweg sind für die Planung der Kapazitäten im Gesundheitswesen von fundamentaler Bedeutung. Grenzüberschreitende Schätzungen aus koordinierten Erhebungen in der Gesamtbevölkerung wurden allerdings letztmals im Jahr 2007 aktualisiert. Diese Lücke sollte eine neue Datenauswertung schließen. 

In die länderübergreifende Analyse wurden Angaben von 156.331 Erwachsenen (54,5% Frauen) integriert. Forscher hatten alle Teilnehmenden in den Jahren 2001 bis 2022 in 29 Ländern persönlich befragt. Anhand des strukturierten WHO Composite International Diagnostic Interview wurden Kennzahlen für 13 Entitäten des DSM-IV erfasst – getrennt nach Geschlechtern, aber ohne Berücksichtigung der ethnischen Zugehörigkeit.

Frühe Krankheitsmanifestation, hohe Lebenszeitprävalenz

Die Lebenszeitprävalenz für jegliche psychische Störung war zwischen den Geschlechtern fast gleich. Sie betrug bei Männern 28,6% (95%-Konfidenzintervall 27,9%-29,2%) und bei Frauen 29,8% (95%-KI 29,2%-30,3%).

Das Morbiditätsrisiko für mindestens eine psychische Störung bis ins 75. Lebensjahr betrug bei Männern 46,4% (95%-KI 44,9%-47,8%) und bei Frauen 53,1% (95%-KI 51,9%-54,3%).

Im 15. Lebensjahr war die Wahrscheinlichkeit für die Erstmanifestation („conditional propability“) einer psychischen Erkrankung am höchsten. Der Median des Krankheitsbeginns lag bei Männern bei 19 Jahren und bei den Frauen bei 20 Jahren. Die häufigsten Störungen waren bei den Männern Alkoholgebrauch und Depression, bei den Frauen Depression und spezifische Angststörungen.

Wissenschaftler fordern zusätzliche Daten

Daten für die Häufigkeit psychischer Störungen wurden damit aktualisiert. Die Autoren lenken zu Recht das Augenmerk auf den verhältnismäßig frühen Beginn dieser Erkrankungen.

Allerdings zeigt ein Blick auf die zugrunde liegenden Untersuchungen, dass weniger als 1 Drittel aller Studien nach 2007 begonnen wurden. Beispielsweise stammen die meisten Angaben zu europäischen Ländern aus der European Study of the Epidemiology of Mental Disorders (ESEMed), die in den Jahren 2001 bis 2003 stattfand, sodass eine Wiederholung dieser Befragung womöglich für Deutschland und seine Nachbarländer aussagekräftiger wäre als die Ermittlung weltweiter Durchschnittswerte.

Der Beitrag ist im Original erschienen auf Univadis.de.

 

Kommentar

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