Männer und Frauen leiden unterschiedlich unter Rheuma - kennen Sie die geschlechtsspezifischen Besonderheiten in der Therapie?

Dr. Thomas Kron

Interessenkonflikte

14. September 2023

Gender-Aspekte halten in der Rheumatologie Einzug. Zu Unterschieden beim Therapieansprechen und bei Remissionsraten gebe es für einige rheumatische Krankheitsbilder bereits Evidenz. Das berichten Dr. Katinka Albrecht und Prof. Dr. Anja Strangfeld (Deutsches Rheuma-Forschungszentrum Berlin und Charité) in einer Publikation zur Bedeutung des Geschlechts in der Rheuma-Diagnostik und -Therapie [1]

So zeigen Daten einer niederländischen Psoriasisarthritis-Kohorte, dass bei ähnlicher initialer Therapiestrategie Frauen kürzer als Männer mit Methotrexat (196 versus 306 Tage) behandelt worden sind und eine geringere kumulative Dosis (543 mg versus 757 mg) erhalten haben. Darüber hinaus sind biologische DMARDs (disease-modifying anti-rheumatic drugs, krankheitsmodifizierende antirheumatische Medikamente) bei Männern früher eingesetzt worden. Nach 1 Jahr Therapie haben Frauen deutlich seltener als die Männer das Therapieziel einer minimalen Krankheitsaktivität (36% versus 58%) bzw. einer Remission (11% versus 28%) erreicht. 

Unterschiede beim Ansprechen auf die Therapie

In einer randomisierten Studie ebenfalls zur Psoriasisarthritis haben Männer auf den TNF-Hemmer Etanercept besser angesprochen als Frauen. Auch für die ankylosierende Spondylitis zeigt eine Auswertung des spanischen BIOBADASER-Registers, dass Frauen schlechter auf den 1. TNF-Inhibitor reagierten als Männer. Bei den JAK-Inhibitoren deuten erste Untersuchungen darauf hin, dass es keinen geschlechtsspezifischen Unterschied im Therapieansprechen gibt. 

Begleiterkrankungen sind auch relevant

Wie Frauen und Männer mit rheumatischen Erkrankungen auf Therapien ansprechen, hängt auch von Begleiterkrankungen ab, bei denen es einige geschlechtsspezifisch Unterschiede gibt. Während Frauen mit RA häufiger an Arthrose, Osteoporose, Depression und Schilddrüsenerkrankungen leiden, sind es bei Männern eher kardiovaskuläre Erkrankungen, Diabetes mellitus, Gicht und Niereninsuffizienz. Übergewicht tritt zunehmend bei Frauen auf.

Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind die Haupttodesursache von Patienten mit entzündlich-rheumatischen Erkrankungen. Auch hier gibt es geschlechtsspezifische Unterschiede. Im Biologika-Register RABBIT („Rheumatoide Arthritis: Beobachtung der Biologika-Therapie“) hatten Männer im Vergleich zu Frauen bei RA ein höheres Risiko sowohl für die Entwicklung einer Herzinsuffizienz als auch für einen schlechteren Verlauf und eine höhere Mortalität einer bestehenden Herzinsuffizienz.

Ergebnisse aus RABBIT zeigen darüber hinaus, dass Übergewicht bei Frauen noch mehr als bei Männern die Wirksamkeit zytokingerichteter Therapeutika wie TNF-Inhibitoren und Tocilizumab verringert. 

Unterschiede bei Nebenwirkungen

Unterschiede zwischen den Geschlechtern sind auch bei der Häufigkeit unerwünschter Arzneimittel-Wirkungen bekannt. Über alle Arzneimittelklassen hinweg haben Frauen ein fast doppelt so hohes Risiko unerwünschter Wirkungen wie Männer. 

Unter einer DMARD-Therapie im 1. Erkrankungsjahr haben Frauen häufiger Nebenwirkungen angegeben als Männer (58% versus 42%). Angaben dazu hat eine niederländische Psoriasisarthritis-Kohorte geliefert. 

In einer Metaanalyse erweist sich bei RA das weibliche Geschlecht als Risikofaktor für einen früheren Biologika-Therapieabbruch. Dazu könnten Unterschiede in der Pharmakokinetik und im Körpergewicht beitragen. So steigen das Verteilungsvolumen und die Clearance monoklonaler Antikörper mit der Körpergröße. Und bei Patienten mit RA haben Wissenschaftler für Adalimumab und Rituximab eine höhere Clearance bei Männern als bei Frauen festgestellt. Eine individuelle Dosierung der Therapie mit monoklonalen Antikörpern erscheine daher sinnvoll, doch entsprechende Studien fehlten, heißt es im Übersichtsbeitrag.  

Die Entwicklung von Anti-drug-Antikörpern ist ein Grund für den sekundären Wirkverlust biologischer DMARD-Therapien. Publizierte Ergebnisse zu Geschlechter-Unterschieden widersprächen sich jedoch, berichten die Autorinnen.

Bei Allopurinol ist bekannt, dass Frauen ein 2,5-fach höheres Risiko haben, schwere kutane Arzneimittelreaktionen zu entwickeln. Darüber hinaus haben Frauen auch eine deutlich schlechtere Compliance und höhere Abbruchraten bei dieser Therapie. Das Therapieansprechen auf Allopurinol oder Benzbromaron unterscheidet sich bei Frauen und Männern jedoch nicht. 

Bei Frauen träten unter Nintedanib zur Behandlung der interstitiellen Lungenerkrankung vermehrt unerwünschte Ereignisse wie Übelkeit, Erbrechen und Transaminasenanstieg auf. Diese führten in der Folge häufiger zu einer Dosisreduktion bzw. Therapieunterbrechung, als es bei Männern der Fall sei. Dahingegen hätten Männer mit prognostisch ungünstiger systemischer Sklerose ein höheres Risiko als Frauen, in der Folge einer autologen Stammzelltransplantation zu sterben. 

Rheuma-Therapie bei Frauen und Männern mit Kinderwunsch

Sowohl Frauen als auch Männer mit entzündlich-rheumatischen Erkrankungen und Kinderwunsch sollten eine rheumatologische Beratung zu den möglichen Auswirkungen der Erkrankung, aber auch der antirheumatischen Medikation auf Fertilität und Schwangerschaftsverlauf erhalten. 

Für Frauen mit Kinderwunsch gilt nach Angaben von Albrecht und Strangfeld:

  • Teratogene Antirheumatika wie Methotrexat, Mycophenolat und Cyclophosphamid müssen etwa 3 Monate vor einer geplanten Konzeption abgesetzt werden.

  • Auch eine Leflunomid-Therapie müsse beendet und gegebenenfalls medikamentös ausgewaschen werden.

  • Die Fortführung einer Therapie mit TNF-Inhibitoren ist möglich; sie wird je nach individueller Situation zumindest für das 1. und 2. Trimester empfohlen, um die Erkrankung inaktiv zu halten.

  • Rituximab und Belimumab könnten bis zur Konzeption appliziert werden.

  • Hydroxychloroquin, Sulfasalazin, Azathioprin, Ciclosporin, nichtselektiven nichtsteroidalen Antirheumatika und niedrig dosierten Steroiden können in der Schwangerschaft und Stillzeit eingesetzt werden. 

  • Für Apremilast, JAK-Hemmer und neuere Biologika ist die Datenlage unzureichend; bislang empfohlen wird daher, sie in der Schwangerschaft zu vermeiden.

Männern mit Kinderwunsch empfehlen die Autoren: 

  • Cyclophosphamid kann auch die Fruchtbarkeit von Männern beeinträchtigen; der Arzneistoff muss 3 Monate vor der Konzeption abgesetzt werden.

  • Für weitere Antirheumatika gibt es einschränkende Empfehlungen zur Fortsetzung, die individuell zu besprechen sind. So kann beispielsweise die Therapie mit TNF-Inhibitoren fortgeführt werden.

Der Beitrag ist im Original erschienen auf Univadis.de.

 

Kommentar

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