Im Onko-Blog dieser Woche berichten wir unter anderem über 3 Studien, die bei der World Conference on Lung Cancer vom 9. bis 12. September 2023 in Singapur und online präsentiert worden sind, und zwar zum NSCLC, zum SCLC und zum Pleuramesotheliom.
Eine intraoperative Studie bei Männern mit Prostatektomie ergab, dass die Testosteron-Spiegel in Prostata-nahen Gefäßen für die Risikobeurteilung aussagekräftiger sind als die Spiegel im peripheren Blut.
Lungenkarzinom: 6-Jahres-Daten der CheckMate-227-Studie
Lungenkarzinom: Benmelstobart, Anlotinib und Chemotherapie verlängern Überleben beim ES-SCLC
Pleuramesotheliom: Atemanalyse zur Beurteilung des Therapieansprechens?
Mammakarzinom: Bewegung und gesunde Ernährung mit verbessertem pathologischem Ansprechen assoziiert
Prostatakarzinom: Hoher Testosteronspiegel in Prostata-nahen Gefäßen verschlechtert Prognose
Melanom: Bempegaldesleukin verbessert Nutzen von Immuncheckpoint-Inhibitoren nicht
Hochrisiko-CLL: Dreifachkombi mit fester Dauer zeigt hohe Ansprechrate
Lungenkarzinom: 6-Jahres-Daten der CheckMate-227-Studie
6-Jahres-Daten der CheckMate-227-Studie belegen, dass eine Erstlinientherapie eines metastasierten nicht-kleinzelligen Lungenkarzinoms (NSCLC) mit Nivolumab plus Ipilimumab im Vergleich zu Chemotherapie einen anhaltenden Überlebensvorteil hat. Prof. Dr. Solange Peters, Lausanne, hat die Daten bei der World Conference on Lung Cancer am 11. September 2023 in Singapur präsentiert (Abstract OA14.03).
„Unsere Ergebnisse sind von hoher Bedeutung für die Behandlung von metastasiertem NSCLC. Das verlängerte Überleben und die verbesserte Lebensqualität, die mit Nivolumab + Ipilimumab beobachtet wurden, unterstreichen das Potenzial für einen Paradigmenwechsel in den Behandlungsstrategien", so Peters in einem Pressestatement.
In die Studie waren Erwachsene mit nicht vorbehandeltem NSCLC im Stadium IV oder mit rezidiviertem NSCLC eingeschlossen und randomisiert mit Nivolumab + Ipilimumab, Nivolumab, Nivolumab + Chemotherapie oder Chemotherapie allein behandelt worden.
Die neuesten Daten mit einer Nachbeobachtungszeit von mindestens 73,4 Monaten bestätigten die Überlebensvorteile von Nivolumab + Ipilimumab im Vergleich zu einer Chemotherapie. Die 6-Jahres-Gesamtüberlebensraten betrugen 22% vs. 13% bzw. 16% vs. 5% für Patienten mit Tumor PD-L1 ≥1% bzw. <1%.
Die Tumorlast wurde mit der Doppel-Immuntherapie stärker verringert als mit der Chemotherapie. Untersuchungen zur Lebensqualität ergaben eine klare Assoziation zwischen besserer Lebensqualität und längerem Überleben, unabhängig von der eingesetzten Therapie.
Lungenkarzinom: Benmelstobart, Anlotinib und Chemotherapie verlängern Überleben beim ES-SCLC
Patienten mit nicht vorbehandeltem, fortgeschrittenem kleinzelligem Lungenkarzinom (ES-SCLC) erreichten mit der Kombination aus Benmelstobart, Anlotinib und Chemotherapie die bislang längste Verlängerung des Gesamtüberlebens um 7,4 Monate im Vergleich zu Chemotherapie allein. Auch das progressionsfreie Überleben wurde erstmals auf mehr als 6 Monate verlängert. Dies ergab die chinesische Phase-3-Studie ETER701, die bei der World Conference on Lung Cancer am 11. September 2023 in Singapur präsentiert worden ist (Abstract OA1.03).
Das kleinzellige Bronchialkarzinom ist eine Erkrankung mit schlechter Prognose. Auch mit Immuncheckpoint-Inhibitoren wurden bislang höchstens ein um 2-4 Monate längeres Überleben erreicht. Die chinesische Arbeitsgruppe kombinierte nun den PD-L1-Inhibitor Benmelstobart mit dem antiangiogenen Tyrosinkinase-Inhibitor Anlotinib und Chemotherapie und verglich diese Kombi mit Chemotherapie und Placebo bei insgesamt 738 Patienten.
Nach einer medianen Nachbeobachtungszeit von 14 Monaten war die Kombination im Vergleich zur Kontrollgruppe signifikant besser in der Wirkung auf das PFS (6,9 vs. 4,2 Monate), das OS (19,3 vs. 11,9 Monate), die Ansprechrate (81,3% vs. 66,8%) und der Dauer des Ansprechens (5,8 vs. 3,1 Monate).
Nebenwirkungen vom Schweregrad ≥ 3 traten bei 93,1% der Verum- und bei 87% der Kontrollgruppe auf.
Pleuramesotheliom: Atemanalyse zur Beurteilung des Therapieansprechens?
Nachweis und Analyse flüchtiger organischer Verbindungen in der Ausatemluft von Patienten mit malignem Pleuramesotheliom könnte sich als Screening-Methode zum Nachweis für diese Erkrankung und zur Überprüfung des Therapieansprechens eignen, so eine Studie aus Belgien, die auf der World Conference on Lung Cancer im September 2023 in Singapur präsentiert worden ist (EP14.01).
Die Arbeitsgruppe untersuchte, ob mit einer Analyse der Ausatemluft das Ansprechen auf die Behandlung eines Pleura-Mesotheliom von einem Nicht-ansprechen unterschieden werden kann und ob sich die volatilen organischen Verbindungen möglicherweise als prädiktive Biomarker eignen.
Die Studie mit 13 Patienten ergab eine Genauigkeit von 89% bei der Unterscheidung zwischen Patienten mit stabiler und mit progressiver Erkrankung.
Mammakarzinom: Bewegung und gesunde Ernährung mit verbessertem pathologischem Ansprechen assoziiert
Bei Frauen mit Mammakarzinom im Stadium I-III unter Chemotherapie war eine Bewegungs- und Ernährungsintervention im Vergleich zur Standardtherapie mit einem besseren pathologischen Ansprechen assoziiert. Dies ergab die im Journal of Clinical Oncology publizierte Lifestyle, Exercise, and Nutrition Early After Diagnosis Study. Der primäre Endpunkt der Studie, die relative Dosisintensität (RDI), unterschied sich in den beiden Gruppen nicht.
In der Studie erhielten 173 Frauen randomisiert die übliche Betreuung (n=86) oder eine Bewegungs- und Ernährungsintervention mit 8 Sitzungen (n=87).
Bei Frauen mit Intervention besserte sich im Vergleich zur Standardbehandlung die Qualität von Bewegung und Ernährung (p<0,05). Die relative Dosisintensität betrug 92,9% bei Intervention und 93,6% in der Vergleichsgruppe (p=0,69).
Bei 72 Frauen mit neoadjuvanter Chemotherapie sprachen mehr Frauen der Interventionsgruppe pathologisch komplettes an (pCR) als Frauen der Vergleichsgruppe (53% vs. 28%; p=0,037).
Wenngleich die Studie nur im sekundären Endpunkt einen positiven Effekt der Intervention zeigte, sollten alle Patienten grundsätzlich zu einer gesunden Ernährung und körperlicher Aktivität ermuntert werden.
Prostatakarzinom: Hoher Testosteronspiegel in Prostata-nahen Gefäßen verschlechtert Prognose
Ergebnisse einer intraoperativen Studie, die im Journal of Clinical Investigation erschienen ist, deuten darauf hin, dass die Messung der Testosteron-Konzentration im peripheren But (z. B. am Arm entnommen) nicht hilfreich ist, um das Risiko nach einer radikalen Prostatektomie zu bestimmen. Die Studie ergab, dass die Testosteron-Konzentration bei einem Teil der Männer um die Prostata herum viel höher als im peripheren Blut ist.
Die Arbeitsgruppe untersuchte bei 266 Männern, die sich einer radikalen Prostatektomie unterzogen, Blutproben aus der Peripherie und aus Prostatagefäßen sowie Gewebeproben. Es zeigte sich, dass 20% der Männer doppelt so hohe Testosteron-Konzentrationen in den Gefäßen rund um die Prostata als in peripherem Blut aufwiesen. Bei 5% der Männer war die Konzentration in den Gefäßen rund um die Prostata sogar 10mal höher.
„Dies deutet darauf hin, dass einige Männer einen Kurzschluss vom Gonadenkreislauf zur Prostata haben. Am wichtigsten ist, dass Männer mit dieser hinterhältigen Testosteronphysiologie schlechtere Langzeitergebnisse hatten, nachdem sie sich einer Operation wegen Prostatakrebs unterzogen hatten“, so Studienleiter Dr. Nimar Sharifi, Desai Sethi Urology Institute, Miami, in einer Pressemitteilung.
„Diese hinterhältige Testosteronphysiologie kommt wahrscheinlich häufig bei Varikozelen vor, die häufig mit Unfruchtbarkeit verbunden sind“, so Sharifi weiter. „Unsere Studie zeigt uns, dass es möglicherweise andere Assoziationen von Varikozelen gibt, die möglicherweise einen direkten Zusammenhang zwischen Varikozelen und einer aggressiven Form von Prostatakrebs darstellen.“
Melanom: Bempegaldesleukin verbessert Nutzen von Immuncheckpoint-Inhibitoren nicht
Trotz vielversprechender Daten in Phase 2 konnte für das pegylierte IL-2-Prodrug Bempegaldesleukin (BEMPEG) in der Phase-3-Studie PIVOT IO 001 kein klinischer Nutzen gezeigt werden. Wie die internationale Arbeitsgruppe im Journal of Clinical Oncology berichtete, verbesserte BEMPEG plus Nivolumab im Vergleich zu Nivolumab allein bei 783 bislang unbehandelten Patienten mit nicht resezierbarem oder metastasiertem Melanom Ansprechrate, progressionsfreies Überleben (PFS) und Gesamtüberleben (OS) nicht.
Die 391 mit BEMPEG plus Nivolumab und 392 nur mit Nivolumab behandelten Patienten wurden im Median 11,6 Monate nachbeobachtet. Die Ansprechrate (ORR) mit BEMPEG plus Nivolumab betrug 27,7% im Vergleich zu 36,0% mit Nivolumab allein (zweiseitiger p=0,0311). Das mediane PFS in der BEMPEG-Gruppe lag bei 4,17 Monate versus 4,99 Monaten in der Nivolumab-Gruppe. Das mediane OS betrug 29,6 Monate mit zusätzlichem BEMPEG und 28,9 Monate mit Nivolumab allein.
Behandlungsbedingte unerwünschte Ereignisse (UE) und schwere UE vom Grad 3-4 waren bei der Kombination häufiger (21,7% bzw. 10,1%) als bei der Monotherapie (11,5% bzw. 5,5%).
Hochrisiko-CLL: Dreifachkombi mit fester Dauer zeigt hohe Ansprechrate
Die Dreifachkombination aus Obinutuzumab, Ibrutinib und Venetoclax (GIVe-Regime) zeigte mit 58,5% vollständigem Ansprechen eine relativ hohe Ansprechrate bei 41 zuvor unbehandelten Patienten mit chronischer lymphatischer Hochrisiko-Leukämie (CLL). Die deutsche CLL-Studiengruppe hat die finalen Ergebnisse der Phase-2-Studie CLL2-GIVe in Blood publiziert.
Die deutsche CLL-Studiengruppe behandelte Patienten mit der Kombination aus Ibrutinib, Obinutuzumab und Venetoclax über 6 Induktionszyklen, gefolgt von 6 Konsolidierungszyklen mit Ibrutinib plus Venetoclax und anschließend 3 Zyklen Ibrutinib in Monotherapie. Patienten, die nach Zyklus 15 nicht in Remission mit nicht nachweisbarer messbarer Resterkrankung (MRD) waren, erhielten bis Zyklus 36 eine Ibrutinib-Erhaltungstherapie. Primärer Endpunkt der Studie war eine vollständige Remission in Zyklus 15. Dieser wurde von 58,5% der Patienten erreicht.
Nach einer Nachbeobachtungszeit von 38,4 Monaten im Median betrug das 36-Monats-PFS 79,9% und die 36-Monats-Gesamtüberlebensrate lag bei 92,6%.
Eine explorative genetische Analyse ergab, dass alle 15 Patienten mit TP53- Mutation ein vollständiges Ansprechen erreichten und in der Studie kein PFS-Ereignis aufgetreten war. Im Gegensatz dazu kam es bei Patientenmit del17p zu einem Fortschreiten mit einer 36-Monats-PFS-Rate von 67,6% (p = 0,012). Nach Aussage der Autoren liefern diese Daten erste Hinweise darauf, dass del17p im Vergleich zur TP53- Mutation ein negativer Prognosemarker sein könnte.
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Photographer: © Mr.phonlawat Chaicheevinlikit
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Diesen Artikel so zitieren: World Conference on Lung Cancer 2023: Die wichtigsten Studien zum NSCLC, zum SCLC und zum Pleuramesotheliom - Medscape - 12. Sep 2023.
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