Ginkgo-Extrakt zeigt bei Schlaganfällen deutliche Effekte in RCT – doch eine zentrale Frage bleibt unbeantwortet…

Michael Simm

Interessenkonflikte

11. September 2023

Bei Patienten mit leichten ischämischen Schlaganfällen führte die intervenöse Gabe eines Ginkgo-Extraktes über 14 Tage hinweg im Vergleich zu Placebo zu weniger schweren bleibenden Behinderungen. Während 50,8% unter dem Ginko-Extrakt einen modifizierten Rankin-Wert von 0 oder 1 erreichten, waren es unter Placebo nur 44,1%. Das beichten Forscher in JAMA Network Open [1]

Auf der Suche nach neuen Therapien bei Schlaganfall

Zum Hintergrund: Nach Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) gab es im Jahr 2020 weltweit etwa 13,7 Millionen neue Schlaganfälle. Mit etwa 200 Fällen pro 100.000 Einwohnern und Jahr ist er Schlaganfall in den Industrieländern eine der häufigsten Ursachen für bleibende Behinderungen. 

Zu Behandlung ischämischer Schlaganfälle wird in China der Ginkgo-Extrakt Ginkgo diterpen lacton meglumin (GDLM) häufig eingesetzt. Klinische Studien dazu waren jedoch wegen geringer Probandenzahl, fehlender Placebo-Kontrollen und anderer Mängel bislang nicht sonderlich aussagekräftig.

Randomisierte, kontrollierte Studie mit mehr als 3.000 Teilnehmern

Diese Lücke haben Forscher aus China jetzt geschlossen. Für eine randomisierte, doppel-blinde, Placebo-kontrollierte Studie im Parallelgruppen-Design rekrutierten sie 3.448 Patienten an 100 chinesischen Zentren. 

Die Teilnehmer waren zwischen 18 und 80 Jahren alt (median 63) und zu 64,3% männlich. Sie hatten innerhalb von 48 Stunden nach Einsetzen der Symptome die Diagnose eines akuten ischämischen Schlaganfalls erhalten. 

Schlaganfälle hatten gemäß der Skala der National Institutes of Health (NIHSS) einen Schweregrad zwischen 4 und 24 (median 7), was in etwa dem Bereich entspricht, bei dem eine Lysetherapie indiziert ist (6-22). Der Schweregrad der Behinderung wurde mit der modifizierten Rankin-Skala (mRS) erfasst; er lag vor dem Insult bei 0 oder 1.

Die Behandlung bestand in der täglichen, intravenösen Gabe von GDLM oder Placebo, beginnend innerhalb 48 Stunden nach Einsetzen der Symptome bis zum Tag 14. Ansonsten erhielten die weder eine Thrombolyse noch eine Thrombektomie. Primäres Studienziel war der Anteil der Patienten mit einem mRS von 0 oder 1 am Tag 90 nach der Randomisierung.

Deutlicher Nutzen des Ginko-Extrakts

Einen mRS von 0 oder 1 erreichten 877 Patienten (50,8%) in der GDLM-Gruppe gegenüber 759 Patienten (44,1%) unter Placebo. Die Gruppendifferenz von 6,79 Prozentpunkten hatte ein 95%-Konfidenzintervall von 3,46-10,10; das Chancenverhältnis (OR) zugunsten GDLM betrug 1,31 (95%-KI 1,15-1,50; p<0,001).

Zu den sekundären Studienzielen zählte der Anteil von Patienten mit einem mRS von 0-2. Dies waren 83,8% unter der Studienarznei gegenüber 69,5% unter Placebo. Eine Verbesserung beim NIHSS von mindestens 4 Punkten bis Tag 14 erreichten 61,3% gegenüber 50,2%.

Nebenwirkungen waren in beiden Gruppen mit 17,6% bzw. 17,3% ähnlich häufig. 

Ergebnisse nur teilweise auf die europäische Situation übertragbar

Das in China seit 2012 beim ischämischen Schlaganfall zugelassene Ginkgo-Extrakt GDLM konnte in dieser großen und rigorosen Studie einen signifikanten Beitrag zu Reduktion bleibender Behinderungen leisten. Zu beachten ist jedoch, dass Patienten weder eine Lysetherapie noch eine Thrombektomie – anders als in Europa oder in den USA – erhielten. 

Auch wenn es sich überwiegend um leichte Schlaganfälle handelte, würde solch ein Studiendesign in Deutschland vermutlich als unethisch betrachtet und nicht genehmigt werden. Ob der chinesische Hersteller von GDLM bereit ist, den Zusatznutzen des Ginko-Extraktes bei einer leitliniengerechten Therapie zu prüfen, bleibt abzuwarten.

Der Beitrag ist im Original erschienen auf Univadis.de.

 

Kommentar

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