Amsterdam – Unbehandelte kardiovaskuläre Erkrankungen (CVD) erhöhen die Morbidität und die Mortalität immens. Ein systematisches CVD-Screening durch Hausärzte bei Erwachsenen mit hohem Risiko, etwa aufgrund von Typ-2-Diabetes, chronisch obstruktiver Lungenerkrankung (COPD) oder beiden Erkrankungen, hat die Rate an CVD-Diagnosen im Vergleich zur üblichen Versorgung mehr als verdoppelt. An der Studie waren mehr als 1.200 Personen und 25 Hausarztpraxen beteiligt; Details haben die Forscher jetzt beim Kongress der European Society of Cardiology (ESC) 2023 vorgestellt [1].
Eine Ausweitung dieses Programms könnte angesichts der großen Zahl von Erwachsenen mit Typ-2-Diabetes bzw. COPD möglicherweise eine große Zahl bislang unerkannter CVD-Fälle aufdecken, sagte Dr. Amy Groenewegen. „Ich denke, dieses Screening ist reif für den Routineeinsatz, aber es könnten prospektive Studien folgen, die untersuchen, ob dies weitere Vorteile bei den patientenbezogenen Ergebnissen bringt.“
Groenewegen relativiert aber, es sei jedoch nicht eindeutig bewiesen, dass es Patienten mit diesen chronischen Krankheiten langfristig besser gehe, wenn ihre CVD mit dem getesteten Ansatz früher erkannt werde.
„Wir brauchen einfache Methoden, um relevante Patienten für ein zusätzliches Screening und eine mögliche Behandlung von CVD zu identifizieren“, sagte Prof. Dr. Lars Kober als Diskutant auf dem Kongress. Er ist Kardiologe und Professor am Rigshospitalet, Universitätsklinikum Kopenhagen.

Dr. Amy Groenewegen
Die Studie sei wichtig, weil sie einen „sehr einfachen“ Symptomfragebogen in der 1. Screening-Phase getestet habe und dies eine 2- bis 3-fach höhere CVD-Diagnoserate ergeben habe, so Kober.
Symptome rasch und einfach erfassen
Ein Blick auf Details: Im Rahmen der RED-CVD-Studie (Reviving the Early Diagnosis of CVD) wurden 14 Praxen der Primärversorgung in den Niederlanden nach dem Zufallsprinzip ausgewählt. Sie implementierten ein strukturiertes Screening-Protokoll für Erwachsene mit Typ-2-Diabetes oder COPD. Hinzu kamen 11 Praxen, die als Kontrollgruppe ihre Patienten wie üblich betreuten.
An der Studie nahmen 624 Personen in der Screening-Gruppe und 592 in der Kontrollgruppe teil. Das Durchschnittsalter lag bei 68 Jahren.
In der Screening-Gruppe hatten 87% Typ-2-Diabetes, 20% COPD und 6,3% beide Erkrankungen.
In der Gruppe mit Standard-Versorgung hatten 86% Typ-2-Diabetes, 21 % COPD und 7,4 % beide Erkrankungen.
Zirka jeder 4. Proband der Studienkohorte hatte eine CVD-Diagnose in der Vorgeschichte, wurde aufgrund der Gefahr, eine andere Form von CVD zu entwickeln, dennoch aufgenommen. In der Studie wurden 3 Arten von Herz-Kreislauf-Erkrankungen untersucht: koronare Herzkrankheit, Herzinsuffizienz und Vorhofflimmern.

Dr. Lars Kober
Das CVD-Screening-Protokoll begann mit einem Fragebogen mit 11 Fragen zu Symptomen. Der Fragebogen wurde von einem Forschungsteam des University Medical Center Groningen in den Niederlanden entwickelt.
In der 2. Phase wurden Personen, die Symptome angegeben hatten, medizinisch untersucht. Ärzte bestimmten auch das N-terminale pro-brain natriuretische Peptid im Serum. Erhöhte Werte deuten auf eine beginnende Herzinsuffizienz hin. Außerdem wurden EKGs abgeleitet.
Personen, deren Befunde auf eine kardiovaskuläre Erkrankung hindeuteten, wurden dann nach Ermessen des behandelnden Arztes an einen Spezialisten überwiesen.
Mehr als eine Verdoppelung der CVD-Diagnoserate
Das Screening-Programm führte zu insgesamt 50 neuen CVD-Diagnosen in der Screening-Kohorte (8%) und zu 18 in der Kontrollgruppe (3%). Meist handelte es sich um eine Herzinsuffizienz, gefolgt von der koronaren Herzkrankheit.
In der 1. Phase fanden Ärzte mit dem Screening-Tool bei 70% der Personen verdächtige Symptome wie Kurzatmigkeit, Claudicatio („Schaufensterkrankheit“) oder Herzklopfen. Bei den Nachuntersuchungen der 2. Phase wurde die Gruppe mit möglichen neuen Herz-Kreislauf-Erkrankungen auf 44% der Teilnehmer eingegrenzt, und 39% wurden an einen Spezialisten überwiesen.
Eine Analyse, bei der mehrere demografische und klinische Variablen berücksichtigt und nichtobstruktive Koronarerkrankungen als neue CVD-Diagnosen ausgeschlossen worden waren, habe gezeigt, dass der systematische Screening-Ansatz zu 2,4-mal mehr neuen Diagnosen führe als die übliche Versorgung, berichtet Groenewegen.
Der Beitrag ist im Original erschienen auf Medscape.com .
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Photographer: © Dizain777
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Medscape Nachrichten © 2023
Diesen Artikel so zitieren: Häufig unerkannte Herz-Kreislauf-Erkrankungen: Diabetiker und COPD-Patienten profitieren von systematischem Screening - Medscape - 7. Sep 2023.
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