Bald wird geboostert – aber nur mit BioNTech; neue Variante „Pirola“; was erwartet Deutschland im Herbst und Winter? 

Michael van den Heuvel

Interessenkonflikte

7. September 2023

Im Medscape-Corona-Newsblog finden Sie regelmäßig eine Auswahl von klinisch relevanten Kurzmeldungen zu COVID-19.

Corona-Newsblog, Update vom 7. September 2023

  • COVID-19 – die Situation in Deutschland 

  • Ärzte können bald neue Impfstoffe bestellen – aber nur von BioNTech/Pfizer

  • Neue Variante: „Pirola“ (BA.2.86) ante Ports

  • Pirola-Variante, Impfungen und Hospitalisierungen: Was auf Deutschland im Herbst und Winter zukommt

  • Wann werden Impfpässe digital? 

  • Blutgerinnsel als mögliche Ursache kognitiver Beschwerden nach COVID-19

  • COVID-19-Mortalität im zeitlichen Verlauf: Unterschiede zwischen Krebspatienten und der Allgemeinbevölkerung

COVID-19 – die Situation in Deutschland 

Die 7-Tage-Inzidenz liegt laut Pandemieradar bei 6 COVID-19-Fällen pro 100.000 Einwohner – bei unbekannt hoher Dunkelziffer. Trends zur Vorwoche lassen sich hier nicht angeben. Die Zahl der Arztbesuche wegen Atemwegserkrankungen mit COVID-19-Diagnose beträgt 48 je 100.000 Einwohnerinnen und Einwohner; sie ist um 60% höher als in der Vorwoche (30). Als Hospitalisierungsinzidenz werden 1,4 COVID⁠-⁠19-Fällen pro Woche und pro 100.000 Einwohner angegeben: 9 % mehr als in der Vorwoche (1,3).

„Um sich vor akuten Atemwegserkrankungen zu schützen, kann es auch in diesem Herbst sinnvoll sein, in Pflegeeinrichtungen, Kliniken und anderen Teilen des Gesundheitswesens eine Schutzmaske zu tragen“, sagt der gesundheitspolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, Janosch Dahmen

Diese Meinung teilen nicht alle Experten. Klaus Reinhardt, Präsident der Bundesärztekammer, ist gegen eine neuerliche Maskenpflicht. Selbstverantwortung sei sinnvoller als das verpflichtende Tragen einer Schutzmaske, sagt er. 

Ärzte können bald neue Impfstoffe bestellen – aber nur von BioNTech/Pfizer

Wie Medscape berichtet hat, empfiehlt die Europäische Arzneimittelagentur (EMA), den an die Omikron-Variante XBB.1.5 angepassten COVID-19-Impfstoff von BioNTech/Pfizer zuzulassen. „Für Arztpraxen wird der Impfstoff voraussichtlich in der 2. Septemberhälfte zur Verfügung stehen“, schreibt die Kassenärztliche Bundesvereinigung. Und laut Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) erhalten Ärzte am 18. September die 1. Lieferung – bei Bestellungen bis Dienstag, 12. September, 12 Uhr, über Apotheken. Dort kann auch Zubehör erworben werden. 

Beim Impfstoff handelt es sich um ein Fertigprodukt, das nicht mehr – wie früher – mit Kochsalz-Lösung rekonstituiert werden muss. 

Doch die Planungen sind nicht frei von Kritik. Wie Thomas Preis, Chef des Apothekerverbands Nordrhein, berichtet, habe Deutschland mit der EU Verträge abgeschlossen und sei deshalb verpflichtet, von BioNTech/Pfizer „in diesem Jahr 17,5 Millionen und in den 2 Folgejahren je 15 Millionen Impfdosen in Mehrfachdosenbehältern abzunehmen“. Preis sagt: „Nur dieser Impfstoff wird vom Bund bezahlt.“ 

Für Ärzte bedeutet das:

  • Moderna und andere Impfstoffe werden nach jetzigem Stand nicht über das reguläre Versorgungssystem angeboten; sie sind Selbstzahler-Leistungen. EU-Zulassungen bleiben abzuwarten. 

  • Entgegen früheren Berichten wird es wieder Gebinde mit 6 Impfdosen geben: eine Herausforderung gerade für kleinerer Praxen, die wenige Menschen pro Tag impfen. 

BioNTech/Pfizer plant, in nächster Zeit Vials mit nur 1 Dosis auf den Markt zu bringen; der genaue Zeitpunkt ist aber unbekannt. 

Neue Variante: „Pirola“ (BA.2.86) ante Ports

Eine neue SARS-CoV-2-Subvariante mit hoher Zahl an Mutationen, die ihr helfen könnten, das Immunsystem zu umgehen, ist in mehreren Ländern aufgetaucht. In  The BMJ  gehen Wissenschaftler auf den Status quo ein.

„BA.2.86 ist der auffälligste SARS-CoV-2-Stamm, den die Welt seit dem Auftauchen von Omikron gesehen hat“, sagte Prof. Dr. Francois Balloux, Professor für Computational Systems Biology und Direktor des Genetics Institute des University College London.

Bei der genetischen Sequenzierung wurde BA.2.86 bisher in 6 Fällen gefunden, zuallererst am 24. Juli in Dänemark. Die anderen Fälle stammten aus Israel, aus dem Vereinigten Königreich und aus den USA. Keiner der Fälle scheint in Zusammenhang zu stehen. Berichte aus Deutschland gibt es bislang nicht. 

Die genetische Vielfalt deute darauf hin, dass BA.2.86 schon seit Monaten im Umlauf sei, so Balloux. „Interessanterweise finden sich alle mehr als 30 Mutationen im Bereich des Spike-Protein, über das SARS-CoV-2 in die Zellen eindringt und das Ziel neutralisierender Antikörper ist.“

Die Mutationen würden BA.2.86 „alle Merkmale von etwas, das sich ausbreiten könnte“, verleihen, schreibt Kristian Andersen, ein Immunologe am Scripps Research Institute in den USA. Für eine genaue Bewertung sei es aber noch zu früh. 

Wissenschaftler gehen davon aus, dass sich BA.2.86 nicht wesentlich von früheren Omikron-Stämmen unterscheidet.

Pirola-Variante, Impfungen und Hospitalisierungen: Was auf Deutschland im Herbst und Winter zukommt

Das Science Media Center Germany wollte von Experten wissen, mit welchen Trends bei COVID-19 sie in nächster Zeit rechnen. Am Press Briefing nahmen Prof. Dr. Sandra Ciesek, Universitätsklinikum Frankfurt, Prof. Dr. Leif Erik Sander, Charité – Universitätsmedizin Berlin, und Prof. Dr. Stefan Kluge, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE), teil. 

Kluge berichtet von einer derzeit „stabilen Situation“. Zwar hätten viele Patienten in Krankenhäusern Infektionen mit neuen Varianten; die wenigsten würden jedoch wegen Corona hospitalisiert, sondern eher wegen Vorerkrankungen. Die Lage auf Intensivstationen sei derzeit stabil; nur 1% der Betten würde für COVID-19-Patienten benötigt. „Kliniken führen standardmäßig bei asymptotischen Patienten aber keine Tests mehr durch“, berichtet er. 

Sorgen bereite Kluge vor allem der Fachkräftemangel in der Pflege. Deshalb könnten derzeit etwa 25% der Intensivbetten nicht betrieben werden. „Wenn im Herbst und Winter mehr COVID- oder Influenza-Patienten kommen und Personal erkrankt, haben wir Probleme.“ 

Ciesek wiederum ist „nicht besorgt“ wegen neuer Varianten, gibt aber zu bedenken, es sei abzuwarten, was mit Pirola noch passiere. „Ein gewisser Schutz vor schweren Verläufen bleibt bestehen“, sagt sei. Derzeit werde kaum noch sequenziert, deshalb sehe man die neue Variante in Deutschland noch nicht. 

Doch was bringen angepasste Vakzine? Sander verweist auf fehlende Daten. „Wie gut sie schützen, wird man im Nachhinein sehen. Allerdings wisse man aus dem vergangenen Jahr, dass bivalente, angepasste Impfstoffe durchaus zu mehr Schutz geführt hätten. Bei der Frage, wer eine Booster Shot bekommen sollte, verweist Sander auf die aktuelle STIKO-Empfehlung. Er nennt generell Menschen ab 60 Jahren, speziell Patienten mit bestimmten Vorerkrankungen, aber auch Mitarbeiter in der Versorgung, die Kontakt zu Risikopatienten haben. 

Wichtig sei aber auch der Schutz gegen Influenza, betont Sander. „Beide Impfungen könne gleichzeitig verabreicht werden.“ So gelinge es auch, das Risiko gefährlicher bakterieller Superinfektionen zu verringern. Kluge wiederum sieht Probleme aufgrund der mangelnden Bereitschaft, sich impfen zu lassen. Schon bei Influenza gebe es „traditionell schlechte Impfquoten“. Damit rechnet der Experte auch bei COVID-Auffrischimpfungen. 

„Immer wieder wird behauptet, dass häufige Impfungen zur Toleranz führen können – dafür gibt es aber keine Evidenz“, ergänzt Sander. „Das Gegenteil ist der Fall, wie wir aufgrund von Daten aus Israel und aus den USA wissen.“ Hier habe man nach Booster Shots signifikante Vorteile durch weniger Hospitalisierungen oder Todesfälle gesehen. 

Wann werden Impfpässe digital? 

Wie die Rheinische Post berichtet, sei das digitale EU-Corona-Zertifikat zwar Geschichte. Aber die EU-Kommission hat große Pläne. „Dieses System wird nicht nur auf COVID-19 oder eine andere einzelne Krankheit beschränkt sein, vielmehr wird es schrittweise erweitert, wenn wir das gelbe Impfbuch der WHO digitalisieren“, schreiben Justiz-Kommissar Didier Reynders und Gesundheits-Kommissarin Stella Kyriakides. „Die Vorbereitungen sind weit fortgeschritten, und immer mehr Länder migrieren in das neue System, damit Zertifizierungsschlüssel sicher ausgetauscht werden können.“ Details zum genauen Zeitplan sind noch nicht bekannt. 

Blutgerinnsel als mögliche Ursache kognitiver Beschwerden nach COVID-19

Bei Patienten, die zum Zeitpunkt der COVID-19-Behandlung hohe Werte zweier Proteine hatten, traten später kognitive Probleme auf, u. a. „Gehirnnebel“, wie Forscher berichten. Dies gebe wichtigen Hinweis auf eine Ursache für Symptome, nämlich Blutgerinnsel, schreiben die Forscher. 

Sie haben Blutproben von 1.837 Personen, die mit COVID-19 ins Krankenhaus eingeliefert worden waren, untersucht, um potenzielle Proteine als Biomarker zu finden, die mit späteren kognitiven Problemen in Verbindung gebracht werden. Dazu zählen Denk-, Konzentrations- und Gedächtnisstörungen. 

Tatsächlich gelang es Forschern, 2 Protein-Profile zu identifizieren, die mit langanhaltenden kognitiven Beschwerden assoziiert waren, nämlich erhöhte Werte für Fibrinogen oder für das D-Dimer. 

„Sowohl Fibrinogen als auch das D-Dimer sind an der Blutgerinnung beteiligt, so dass unsere Ergebnisse die Hypothese stützen, dass Blutgerinnsel eine Ursache für kognitive Probleme nach der COVID-Behandlung sind“, kommentiert Studienleiter Dr. Max Taquet von der University of Oxford. „Fibrinogen könnte direkt auf das Gehirn und seine Blutgefäße einwirken, während D-Dimer häufig Blutgerinnsel in der Lunge widerspiegelt und die Probleme im Gehirn auf Sauerstoffmangel zurückzuführen sein könnten.“ 

COVID-19-Mortalität im zeitlichen Verlauf: Unterschiede zwischen Krebspatienten und der Allgemeinbevölkerung

In den meisten Ländern weltweit wurden Maßnahmen, um die Übertragung von SARS-CoV-2 zu verhindern, stark gelockert. Welche Folgen hat dies auf vulnerable Gruppen wie Krebspatienten? Dieser Frage sind Wissenschaftler jetzt nachgegangen.

Die Ergebnisse: Unter 34.350 Krebspatienten, die während der COVID-19-Pandemie zwischen März 2020 und Mai 2022 gestorben sind, war die Zahl der Todesfälle während der Omikron-Winterwelle höher als während der Winterwelle der Wildtyp-Variante im Vorjahr. Im Gegensatz dazu gab es während des Omikron-Winterschubs 29% weniger COVID-19-Todesfälle in der Allgemeinbevölkerung als während des Winterschubs im Vorjahr.

„Angesichts des Auftretens neuer, immuninvasiver SARS-CoV-2-Varianten, von denen viele voraussichtlich gegen monoklonale Antikörper resistent sein werden, sollten Strategien zur Verhinderung der COVID-19-Übertragung weiterhin hohe Priorität haben“, schlussfolgern die Autoren. 

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