Im aktuellen Onko-Blog berichten wir unter anderem darüber, dass Krebsvorsorge-Untersuchungen laut einer Metaanalyse nur wenig Effekt auf die Lebenserwartung haben. Eine andere Metaanalyse ergab, dass der Anstieg des PSA-Werts als Hinweis auf ein biochemisches Rezidiv bei Therapieintensivierung nur schlecht mit dem Gesamtüberleben der Patienten korreliert. Bei Frauen mit vorbehandeltem Ovarialkarzinom hat die zusätzliche Gabe von Atezolizumab zur Standardtherapie keinen Effekt auf den primären Endpunkt einer Phase-3-Studie, das progressionsfreie Überleben.
Krebsvorsorge: Screening verlängert Lebenserwartung laut Metaanalyse kaum
Venenthrombose bei Krebs: 12 Monate Antikoagulation besser als 3 Monate
Prostatakarzinom: PSA-Wert nach Therapie korreliert schlecht mit Überleben
Ovarialkarzinom: Atezolizumab erreicht primären Endpunkt in Phase-3-Studie nicht
Neuroendokrine Tumoren: Cabozantinib verbessert PFS in Phase-3-Studie
Multiples Myelom: Orales Mezigdomid bei stark vorbehandelten Patienten
Krebsvorsorge: Screening verlängert Lebenserwartung laut Metaanalyse kaum
Vorsorgeuntersuchungen auf häufige Krebserkrankungen verlängern nach einer aktuellen Metaanalyse, publiziert in JAMA Internal Medicine , die Lebenserwartung kaum. Lediglich eine Sigmoidoskopie zum Screening auf ein Kolorektalkarzinom verlängerte die Lebenszeit um etwa 3 Monate.
Die internationale Arbeitsgruppe um Prof. Dr. Michael Bretthauer, Oslo, analysierte 18 klinische Studien mit einer Nachbeobachtungszeit von mehr als 9 Jahren: zur Mammographie, zur Koloskopie, zur Sigmoidoskopie oder zum Test auf okkultes Blut im Stuhl, zum CT-Screening auf Lungenkrebs sowie zum PSA-Test.
Basierend auf den Daten von 2,1 Mio. Teilnehmern war nur die Sigmoidoskopie mit einem signifikanten Lebenszeitgewinn von 110 Tagen im Vergleich zu keinem Screening verbunden. Nach Mammographien oder nach Tests auf okkultes Blut im Stuhl war die Lebenserwartung nicht unterschiedlich. Bei allen anderen Tests waren die Schätzungen zur Lebenserwartung unsicher.
Die Autoren sprechen sich nicht dafür aus, alle Vorsorgeuntersuchungen aufzugeben: „Screening-Tests mit einem positiven Nutzen-Schaden-Verhältnis, gemessen an Inzidenz und Mortalität der Zielkrebserkrankung im Vergleich zu Schaden und Belastung, können sich durchaus lohnen.“
In einem parallel publizierten „Standpunkt-Artikel“, verfasst von einem Teil der Autoren der Metaanalyse, heißt es, dass es ein weit verbreiteter Irrglaube sei, dass ein Vorsorge-Screening zur Früherkennung von Krebs das Risiko für eine Krebserkrankung senke. Tatsächlich sei es so, dass das Screening das Risiko eher erhöhe: „Dies wird als Überdiagnose bezeichnet. Überdiagnostizierte Personen werden ohne Nutzen behandelt, sind aber von allen potenziellen Schäden betroffen.“ Anders sei es bei vorbeugenden Vorsorgeuntersuchungen wie Koloskopie oder Papanicolaou-Test, weil sie die Entfernung gutartiger Vorstufen ermöglichten.
Empfehlungen zur Krebs-Vorsorge würden häufig von Personengruppen mit Interessenskonflikten erarbeitet, heißt es im „Standpunkt-Artikel“ weiter. „Entscheidungen, laufende Programme zu überdenken oder neue Programme einzuführen, müssen ohne Einflussnahme von Stakeholdern mit Eigeninteressen getroffen werden. Dies kann das Vertrauen in die Krebsvorsorge und in medizinische und öffentliche Gesundheitsempfehlungen im Allgemeinen wiederherstellen, was für gesundes Verhalten und gesundheitliche Gleichstellung von grundlegender Bedeutung ist.“
Venenthrombose bei Krebs: 12 Monate Antikoagulation besser als 3 Monate
Eine 12-monatige Gabe von Edoxaban verringert bei Patienten mit Krebs und mit tiefer Venenthrombose thrombotische Ereignisse besser als eine 3-monatige Gabe. Dies ergab die multizentrische, offene, Gutachter-verblindete ONCO-DVT-Studie, die am 28. August 2023 beim Europäischen Kardiologen-Kongress in Amsterdam vorgestellt worden ist.
In 60 japanischen Zentren wurden insgesamt 604 Patienten mit einem durchschnittlichen Alter von 70,8 Jahren eingeschlossen. Die häufigsten Krebserkrankungen betrafen die Ovarien (14%), die Gebärmutter (13%), die Lunge (11%), das Kolon (9%) und das Pankreas (8%). Randomisiert erhielten Patienten über 3 oder über 12 Monate Edoxaban oral in einer Dosis von 60 mg/Tag. Patienten mit einer Kreatinin-Clearance von 30 bis 50 ml/Minute oder einem Körpergewicht von 60 kg oder weniger sowie diejenigen, die gleichzeitig mit einem P-Glykoprotein-Inhibitor behandelt werden, bekamen 30 mg/Tag.
Der primäre Endpunkt, eine symptomatische rezidivierende VTE oder ein VTE-bedingtes Todesereignis nach 12 Monaten, trat bei 3 von 296 Patienten (1,0%) in der 12-Monats-Gruppe und bei 22 von 305 Patienten (7,2%) in der 3-Monats-Gruppe auf (Odds Ratio [OR] 0,13).
Zu schweren Blutungen kam es bei 28 von 296 Patienten (9,5%) unter 12-monatiger und bei 22 von 305 Patienten (7,2%) unter 3-monatiger Behandlung.
Prostatakarzinom: PSA-Wert nach Therapie korreliert schlecht mit Überleben
Eine Therapieintensivierung bei Patienten mit Prostatakarzinom, deren PSA-Wert nach einer Strahlenwert gestiegen war, verbessert nicht unbedingt das Gesamtüberleben (OS). Eine Metaanalyse im Journal of Clinical Oncology fand eine schlechte oder keine Korrelation zwischen biochemischen Rezidiven und dem OS. Dies deutet darauf hin, dass biochemische Rezidive (BCR), wie ein erhöhter PSA-Wert, keine geeigneten Surrogat-Endpunkte sind. Sie sollten in randomisierten Studien nicht als primärer Endpunkt eingesetzt werden, als Alternative bietet sich das metastasenfreie Überleben an.
Die internationale Autorengruppe analysierte die individuellen Patientendaten aus 11 Studien, in denen die Intensivierung der Strahlentherapie, eine zusätzliche Androgendeprivation (ADT) oder eine Verlängerung der ADT bei einem Anstieg des PSA-Werts untersucht wurde.
Alle 3 Verfahren besserten die BCR signifikant. Eine Verlängerung der ADT sowie eine kurzfristige ADT verbesserten auch das OS signifikant, die Intensivierung der Strahlentherapie hatte keinen Effekt auf das OS. Nach 48 Monaten war die BCR in allen 3 Gruppen mit einem schlechteren OS assoziiert. Nach Adjustierung an das BCR nach 48 Monaten zeigte sich kein signifikanter Effekt auf das OS.
Ovarialkarzinom: Atezolizumab erreicht primären Endpunkt in Phase-3-Studie nicht
Atezolizumab zusätzlich zur Standardtherapie aus Bevacizumab und Chemotherapie gegeben verlängert das progressionsfreie Überleben (PFS) von Frauen mit rezidiviertem Ovarialkarzinom nicht. Dies ergab die Phase-3-Studie ATALANTE/ENGOT-ov29, die eine internationale Arbeitsgruppe im Journal of Clinical Oncology publiziert hat.
Zwischen September 2016 und Oktober 2019 waren 410 Frauen zusätzlich zur Standardtherapie mit Atezolizumab und 204 mit Placebo behandelt worden. Nur 38% hatten PD-L1-positive Tumoren.
Nach einer medianen Nachbeobachtungszeit von 3 Jahren betrug das PFS mit Atezolizumab im Median 13,5 Monate, mit Placebo 11,3 Monate (Hazard Ratio [HR] 0,83; p=0,041; Median 13,5 vs. 11,3). Auch bei PD-L1-positiven Tumoren zeigte sich kein Effekt (HR 0,86; p=0,30).
Die Daten für das Gesamtüberleben (OS) sind noch nicht reif (HR 0,81 Median 35,5 vs. 30,6 Monate).
Unerwünschte Wirkungen vom Grad ≥3 traten bei 88% der mit Atezolizumab behandelten und 87% der mit Placebo behandelten Frauen auf. Für eine Immuntherapie typische Nebenwirkungen vom Grad ≥3 waren mit Atezolizumab häufiger (13% bzw. 8%). Die Nachbeobachtung des OS wird fortgesetzt.
Neuroendokrine Tumoren: Cabozantinib verbessert PFS in Phase-3-Studie
Ein unabhängiges Data and Safety Monitoring Board (DSMB) hat festgestellt, dass die Phase-3-Studie CABINET (A021602) bei einer Zwischenanalyse in beiden Kohorten ihren primären Endpunkt erreicht hat und statistisch signifikante und klinisch bedeutsame Verbesserungen des progressionsfreien Überlebens (PFS) gezeigt hat, heißt es in einer Pressemitteilung der Alliance for Clinical Trials in Oncology. Die detaillierten Ergebnisse werden auf einer wissenschaftlichen Tagung vorgestellt werden.
In der 2:1 randomisierten, doppelblinden Phase-3-Studie CABINET werden Wirksamkeit und Verträglichkeit von Cabozantinib und Placebo bei vorbehandelten Patienten mit fortgeschrittenen neuroendokrinen Tumoren der Bauchspeicheldrüse (pNET) (n=93) oder extrapankreatischen NET (n=197) verglichen.
CABINET wird vom US-amerikanischen National Cancer Institute (NCI) finanziert und von der vom NCI finanzierten Alliance for Clinical Trials in Oncology unter Beteiligung des vom NCI finanzierten National Clinical Trials Network (NCTN) geleitet und durchgeführt.
Multiples Myelom: Orales Mezigdomid bei stark vorbehandelten Patienten
Der orale Cerebron-Modulator Mezigdomid führte in Kombination mit Dexamethason in einer Phase-1/2-Studie bei 41% der Patienten mit stark vorbehandeltem multiplem Myelom (MM) zu einem Ansprechen, das im Median 7,6 Monate anhielt. Das mediane progressionsfreie Überleben war mit 4,4 Monaten weniger überzeugend. Die Ergebnisse der CC-92480-MM-001-Studie sind im New England Journal of Medicine erschienen.
Im begleitenden Editorial erklärt Prof. Dr. Jake Shortt, Leiter der hämatologischen Forschung an der Monash University, Clayton, Australien, dass der Cereblon-E3-Ligase-Modulator Mezigdomid im weiteren Sinn eine Nachfolgesubstanz von Thalidomid sei, die 2006 für die Myelom-Therapie zugelassen worden sei. Daraus wurden die IMids Lenalidomid und Pomalidomid entwickelt, die heute ein wichtiger Bestandteil der Therapie des MMs sind.
Im Jahr 2010 fanden Wissenschaftler heraus, dass das Protein Cereblon für die Teratogenität von Thalidomid beim Zebrafisch notwendig ist. Cereblon ist ein Substratadapter für einen E3-Ubiquitin-Ligase-Komplex, der Substratproteine mit Ubiquitin markiert und sie für den Abbau durch das Proteasom vorbereitet. Die Cereblon-Expression ist für die Antimyelomaktivität von IMiDen bedeutsam, allerdings ist es vermutlich nicht Cereblon selbst, sondern ein Substrat, das für die Lebensfähigkeit von Myelomzellen wichtig ist.
Weitere Untersuchungen ergaben, dass die Transkriptionsfaktorren Ikaros und Aiolos für das Überleben der Myelomzellen Relevanz haben. Cereblon wechselt zwischen offenen und geschlossenen Konformationen; die beiden Transformationsproteine kann es nur in der geschlossenen Konformation angreifen.
Während IMids und Iberdomid auf beide Cereblon-Konformationen wirken, wirkt Mezigdomid nur auf die geschlossene Konformation und scheint über alle verfügbaren Cereblon-Moleküle einen maximalen Abbau von Ikaros und Aiolos zu erreichen.
Die Ansprechrate von 41% in der Studie bezeichnet Shortt als „ein ermutigendes Ergebnis für ein vollständig orales Dexamethason-Doublet. Der Effekt auf das mittlere progressionsfreie Überleben (4,4 Monate) war jedoch bescheiden.“
Derzeit wird die Wirksamkeit von Mezigdomid in verschiedenen Kombinationen weiter untersucht.
Fanden Sie diesen Artikel interessant? Hier ist der Link zu unseren kostenlosen Newsletter-Angeboten – damit Sie keine unserer Nachrichten aus der Medizin verpassen.
Credits:
Photographer: © Tyler Olson
Lead Image: Dreamstime
Medscape Nachrichten © 2023 WebMD, LLC
Diesen Artikel so zitieren: Krebs-Screenings verlängern Überlebenszeit kaum; PSA-Werte nach Therapien eignen sich schlecht zur Prognose - Medscape - 5. Sep 2023.
Kommentar