Im Medscape-Corona-Newsblog finden Sie regelmäßig eine Auswahl von klinisch relevanten Kurzmeldungen zu COVID-19.
Corona-Newsblog, Update vom 31. August 2023
SARS-CoV-2: Wie ist die Lage in Deutschland?
Booster Shots schützen auch gegen neue Varianten
EMA empfiehlt Zulassung eines angepassten COVID-19-Impfstoffs gegen Omikron XBB.1.5
Long-COVID: Beschwerden auch ohne Nachweis einer Infektion ernst nehmen
Lungentransplantation nach COVID-19: Erfolgsrate ähnlich hoch wie bei anderen Indikationen
FDA: Remdesivir auch als Therapie bei Patienten mit Lebererkrankung
Schädigt schweres COVID-19 Zellen dauerhaft?
Immunapherese bei Long-/Post-COVID: Evidenz bleibt „unklar“
SARS-CoV-2: Wie ist die Lage in Deutschland?
Die COVID-19-Fallzahlen steigen laut Robert Koch-Institut (RKI) seit etwa 6 Wochen an. In der 33. Woche wurden 3.999 laborbestätigte COVID-19 Fälle übermittelt. 1.022 der Patienten mussten stationär behandelt werden. Der Anteil der Hospitalisierung lag bei 26% und schwankte in den letzten sechs Wochen zwischen 26% und 28%.
Weitere Angaben sind dem offiziellen Pandemieradar der Bundesregierung zu entnehmen (letzter Stand: 27. August):
Die 7-Tage-Inzidenz liegt bei 3 COVID-19-Fällen pro 100.000 Einwohnerinnen und Einwohner und damit 30 % niedriger als in der Vorwoche (4).
Die Zahl der Arztbesuche wegen einer Atemwegserkrankung mit einer COVID-19-Diagnose beträgt 30 je 100.000 Einwohnerinnen und Einwohner und ist damit 76 % höher als in der Vorwoche (17).
Die Hospitalisierungsinzidenz liegt bei 1,3 COVID-19-Fällen pro Woche und pro 100.000 Einwohnerinnen und Einwohner und ist damit 48 % höher als in der Vorwoche (0,9).
Auf den ersten Blick erscheinen die Zahlen widersprüchlich zu sein. Sinkende Testraten, wenig Testangebote und die fehlende Kostenübernahme führen aber wohl zu einer hohen Dunkelziffer Infizierter. Mögliche Effekte der Urlaubszeit kommen noch hinzu.
Als verlässlicher gilt das Abwasser-Screening auf SARS-CoV-2. Der Anteil der Standorte mit steigender Viruslast im Abwasser liegt mittlerweile bei 70%.
„Es gibt wieder höhere Infektionszahlen, es gibt auch wieder mehr COVID-positiv getestete Patientinnen und Patienten auf den Intensivstationen“, sagte der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), Gerald Gaß. Noch sei alles auf einem so geringen Niveau, „dass wir nicht von einer Welle reden sollten“. Dennoch warnt er: „Für den Herbst und Winter gehen wir davon aus, dass es wie auch im vergangenen Jahr noch weitere Nachholeffekte von anderen Atemwegserkrankungen geben wird.“ Möglichst viele Menschen sollten sich impfen lassen, auch gegen Grippe.
Booster Shots schützen auch gegen neue Varianten
Ab Herbst beginnen Impfkampagnen mit angepassten Vakzinen; die Auslieferung soll noch im September erfolgen. Doch schützen modifizierte Impfstoffe auch gegen neue Varianten? Dieser Frage sind Wissenschaftler jetzt nachgegangen; Ergebnisse ihrer Studie liegen bislang nur als Preprint vor.
In der laufenden Phase-2/3-Studie wurden Teilnehmer im Verhältnis 1:1 randomisiert. Sie erhielten 50-µg-Dosen des monovalenten Impfstoffs mRNA-1273.815 (50-µg Omikron XBB.1.5 spike mRNA) oder des bivalenten mRNA-1273.231 (25-µg Omikron XBB.1.5 und 25-µg Omikron BA.4/BA.5 Spike-mRNA-Impfstoffe). Die experimentellen Impfstoffkandidaten kamen von Moderna; sie sind bislang noch nicht zugelassen.
Alle Probanden hatten zuvor die primäre Serie und die 3. Dosis eines ursprünglichen, monovalenten mRNA-Impfstoffs sowie eine 4. Dosis eines bivalenten Impfstoffs (Omicron BA.4/BA.5 und ursprünglicher SARS-CoV-2-Impfstoff) erhalten.
Im April 2023 bekamen Teilnehmer mRNA-1273.815 (n=50) bzw. mRNA-1273.231 (n=51). Die medianen Abstände zur vorherigen Dosis betrugen 8,2 bzw. 8,3 Monate.
Beide Impfstoffe erhöhten die geometrischen mittleren Titer neutralisierender Antikörper (nAb) gegen alle getesteten Varianten am Tag 15 nach der Auffrischung im Vergleich zu den Werten vor dem Booster Shot. Die geometrischen Mittelwerte der Titer gegen XBB.1.5, XBB.1.16 und SARS-CoV-2 (D614G) waren nach der monovalenten Auffrischung höher als nach der bivalenten Auffrischung. Sie waren bei beiden Impfstoffen gegen die Varianten BA.4/BA.5 und BQ1.1 vergleichbar.
Der monovalente Impfstoff löste auch nAb-Reaktionen gegen die aktuellen Omikron-Varianten XBB.2.3.2, EG.5.1 und FL.1.5.1 aus, die bei einer Untergruppe (n=20) mit denen für XBB.1.5 vergleichbar waren.
„In dieser Zwischenanalyse lösten XBB.1.5 enthaltende monovalente und bivalente Impfstoffe starke neutralisierende Reaktionen gegen Varianten der Omikron-XBB-Linie (XBB.1.5, XBB.1.6, XBB.2.3.2) sowie neuere Varianten (EG.5.1, FL.1.5.1) aus“, schreiben die Autoren. „Das Sicherheitsprofil … entsprach dem früherer Impfstoffe.“
EMA empfiehlt Zulassung eines angepassten COVID-19-Impfstoffs gegen Omikron XBB.1.5
Der Ausschuss für Humanarzneimittel (CHMP) der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) hat empfohlen, einen angepassten Comirnaty-Impfstoff zuzulassen, der auf die Subvariante Omikron XBB.1.5 abzielt. Der Impfstoff soll bei Erwachsenen und bei Kindern ab einem Alter von 6 Monaten eingesetzt werden.
Weitere adaptierte Impfstoffe befinden sich derzeit noch in der Überprüfung; eine Zulassung in Kürze gilt als recht wahrscheinlich.
Im Einklang mit früheren Empfehlungen der EMA und des Europäischen Zentrums für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC) sollten Erwachsene und Kinder ab 5 Jahren, die geimpft werden, eine einzige Dosis erhalten, unabhängig von ihrer COVID-19-Impfgeschichte. Kinder im Alter von 6 Monaten bis 4 Jahren können 1 oder 3 Dosen erhalten, je nachdem, ob sie eine Grundimmunisierung oder eine COVID-19-Impfung durchlaufen haben.
Bei seiner Entscheidung, die Zulassung zu empfehlen, berücksichtigte der CHMP alle verfügbaren Daten zu Comirnaty und zu anderen adaptierten Impfstoffen, einschließlich Daten zur Sicherheit, Wirksamkeit und Immunogenität. Darüber hinaus bewertete der Ausschuss neue Labordaten, die eine starke Reaktion des adaptierten Impfstoffs gegen XBB.1.5 und verwandte Stämme des Virus, das COVID-19 verursacht, zeigen.
Wie bei anderen COVID-19-Impfstoffen entscheiden nationale Behörden in den EU-Mitgliedstaaten, wie dieser Impfstoff im Rahmen nationaler Impfkampagnen eingesetzt wird.
Long-COVID: Beschwerden auch ohne Nachweis einer Infektion ernst nehmen
Eine kleine, jetzt veröffentlichte Studie mit 29 Teilnehmern zeigt, dass der Nachweis von SARS-CoV-2 bzw. von Immunreaktionen gegen dieses Virus nicht zwingend erforderlich ist, um von Long-COVID zu sprechen. Darüber hat Medscape.com berichtet.
Antikörper- und T-Zell-Assays ergaben nur bei 40% der Probanden mit langfristigen Beschwerden Hinweise auf eine frühere SARS-CoV-2-Exposition. Nur 3 Viertel der Patienten mit Long-COVID zeigten nachweisbare Anti-Nukleokapsid- und die Hälfte Anti-Spike-Reaktionen.
„Trotz ihrer anhaltenden Symptome verzögerte das Fehlen einer immunologischen COVID-19-Diagnose wahrscheinlich die klinische Versorgung von Patienten mit Long- oder Post-COVID“, kritisieren die Autoren.
Lungentransplantation nach COVID-19: Erfolgsrate ähnlich hoch wie bei anderen Indikationen
Raten für das Gesamtüberleben bzw. das Versagen eines Transplantats nach 1, 6 und 12 Monaten bei Patienten, die wegen irreversibler Lungenschäden nach einer SARS-CoV-2-Infektion eine Lungentransplantation erhielten, entsprachen Werten von Transplantationen aus anderen Gründen. Das zeigt eine Studie mit Daten von 385 Personen aus den USA.
Nach schwerem COVID-19 waren mitunter Lungentransplantationen aufgrund eines akuten Atemnotsyndroms oder aufgrund einer Lungenfibrose erforderlich. Diese Patienten hatten 12-Monats-Überlebensraten von 88 % bzw. 84 %. Darüber hinaus waren 88% bzw. 85% nach 1 Jahr frei von Transplantatversagen. Lungentransplantatempfänger, deren Spender stark oder lange geraucht hatten, wiesen tendenziell schlechtere Überlebensraten auf.
„Obwohl Ärzte vor der COVID-19-Pandemie eine Lungentransplantation bei Patienten mit Infektionen in der Regel nicht in Betracht zogen, wurde sie zu einer lebensrettenden Option für schwerkranke Patienten, die auf invasive Atemunterstützungstherapien wie mechanische Beatmung und extrakorporale Membranoxygenierung nicht ansprachen“, schreiben die Forscher.
FDA: Remdesivir auch als Therapie bei Patienten mit Lebererkrankung
Das antivirale Medikament Remdesivir ist von der FDA zur Behandlung von COVID-19 bei Menschen mit allen Stadien einer Lebererkrankung zugelassen worden, teilte der Arzneimittelhersteller Gilead mit.
Die jüngste Zulassung basiert auf den Ergebnissen einer Phase-1-Studie zur Sicherheit und Pharmakokinetik bei Menschen mit Leberfunktionsstörungen. Dabei wurden keine neuen Sicherheitssignale beobachtet. Auf Grundlage dieser Ergebnisse wurde die Fachinformation dahingehend aktualisiert, dass keine Dosisanpassung in allen Stadien der Lebererkrankung erforderlich ist.
In der Packungsbeilage wird nach wie vor empfohlen, bei allen Patienten vor Beginn der Behandlung und während der Behandlung, sofern klinisch angezeigt, erste Labortests der Leberwerte durchzuführen und einen Abbruch der Behandlung in Erwägung zu ziehen, wenn die Alanin-Transaminase (ALT)-Werte auf das 10-fache der oberen Normgrenze ansteigen oder wenn die ALT-Erhöhung mit Anzeichen oder Symptomen einer Leberentzündung einhergeht.
Schädigt schweres COVID-19 Zellen dauerhaft?
Schwere COVID-19-Infektionen scheinen zu einer dauerhaften Schädigung des Immunsystems führen, wie Medscape.com berichtet.
Forscher haben Immunzellen in Blutproben von 38 Patienten, die sich von einer schweren COVID-19-Infektion erholt haben, sowie Proben von 19 gesunden Menschen analysiert. Sie fanden bei der Isolierung hämatopoetischer Stammzellen heraus, dass Menschen, die sich von schweren COVID-Schüben erholten, epigenetische Veränderungen in ihrer DNA aufwiesen, die bei Zellteilungen weitergegeben wurden.
Veränderungen hielten nach schwerem COVID-19 über Monate bis zu 1 Jahr an. Sie waren u.a. mit höheren Aktivitäten des Transkriptionsfaktors (TF), mit einer veränderten Regulierung inflammatorischer Vorgänge und einem dauerhaften Anstieg der Myelopoese verbunden. Die Myelopoese führt zur Bildung von Erythrozyten, Granulozyten, Monozyten und Thrombozyten.
Die Autoren verweisen zwar auf die Grenzen der Studie und zögern, Assoziationen zwischen den Ergebnissen und den langfristigen gesundheitlichen Folgen herzustellen. Dr. Wolfgang Leitner vom National Institute of Allergy and Infectious Diseases des NIH geht jedoch davon aus, dass Long-COVID zumindest teilweise durch die Veränderungen der angeborenen Immunreaktionen erklärt werden kann.
„Anders als beispielsweise bei einer Grippe, bei der die Lunge nach Abklingen der Infektion in einen 'Reparaturmodus' übergeht, der die Menschen bis zu mehreren Monaten für Sekundärinfektionen anfällig macht, zeigt diese Studie, dass das Immunsystem nach einer schweren COVID-Erkrankung im 'Notfallmodus' bleibt und sich in einem erhöhten Entzündungszustand befindet“, so Leitner.
Immunapherese bei Long-/Post-COVID: Evidenz bleibt „unklar“
Evidenzbasierte Therapien gegen Long- oder Post-COVID fehlen nach wie vor. Deshalb greifen Patienten nach jedem Strohhalm; sie nutzen teils Immun-Apheresen als Selbstzahler-Leistungen. Die Kosten liegen zwischen 2.300 und 2.600 Euro pro Sitzung. Wissenschaftler des Medizinischen Diensts Bund haben die Literatur zur Apherese bei Long-/Post-COVID gesichtet.
Sie konnten keine Studie finden, in der die Immun-Apherese bei Long-/Post-COVID angewendet wurde. „Die Ergebnisse zweier laufender Studien werden ab dem Jahr 2024 erwartet“, heißt es weiter. „Es gibt unerwünschte Nebenwirkungen, die im Zusammenhang mit einer Apherese auftreten können.“ Diese seien jedoch selten und meist nicht schwerwiegend. „Inwiefern sie bei einer Behandlung von Long-/Post-COVID auftreten, ist bisher nicht bekannt.“ Aufgrund ihrer Analyse bewerten sie die Evidenz als „unklar“.
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Credits:
Photographer: © Kuki Ladron De Guevara
Lead Image: Dreamstime
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Diesen Artikel so zitieren: EMA: grünes Licht für angepasstes Vakzin; wieder steigende Inzidenz – aber noch keine Welle; COVID-19 schädigt Zellen - Medscape - 31. Aug 2023.
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