Leipzig – Lässt sich der Ausbruch einer rheumatoiden Arthritis (RA) bei Patienten mit hohem Risikoprofil verhindern? „Noch ist es Zukunftsmusik, dass wir so früh diagnostizieren können, um Symptome und Folgeschäden zu verhindern“, sagte Prof. Dr. Andrea Rubbert-Roth auf der Online-Pressekonferenz zum Deutschen Rheumatologiekongress 2023 [1]. Perspektivisch hält sie dies aber für möglich.
RA: Welche prädiktiven Marker werden untersucht?
Rubbert-Roth, leitende Ärztin und stellvertretende Leiterin der Klinik für Rheumatologie am Kantonsspital St. Gallen, stellte Ergebnisse aus 3 Studien vor, in denen untersucht wird, ob sich Medikamente wie Methotrexat (MTX) oder Abatacept bei Risikopatienten für die Prävention eignet und dazu beitragen kann, eine RA zu verhindern.
Wie eine ältere Untersuchung aus den Niederlanden an Blutspendern zeigt, konnten bei manchen Patienten, die später eine RA entwickeln, bis zu 10 Jahre vor den ersten Symptomen Antikörper gegen citrullinierte Peptide (ACPA) und/oder Rheumafaktoren nachgewiesen werden. Prädiktive Marker, die Risikopersonen zuverlässig identifizieren könnten, gebe es derzeit aber nicht, stellte Rubbert-Roth klar. Denn der Nachweis von Rheumafaktoren und von ACPA bei Personen, die zum Zeitpunkt der Messung keine muskuloskelettale Beschwerden hätten, bedeute nicht zwangsläufig, dass sie später eine RA entwickeln würden.
Bei ACPA-positiver RA gehen Experten heute davon aus, dass ACPA zunächst außerhalb der Gelenke entstehen. Bei Rauchern und bei Menschen, die starker Luftverschmutzung ausgesetzt sind, kommt es zur vermehrten Citrullinierung von Peptiden und Proteinen in der Lunge: ein Vorbote der Bildung von Antikörpern. Auch Passivrauchen gilt als Risikofaktor für die Entwicklung einer RA. Weshalb es im weiteren Verlauf zu muskuloskelettalen Beschwerden kommt, ist derzeit unklar.
Methotrexat kann die Entstehung einer RA nicht verhindern
Ein Blick auf Details zur pharmakologischen Prävention. An der TREAT EARLIER-Studie nahmen 236 Patienten teil, bei denen im MRT erkennbar eine Gelenkentzündung vorlag. Initial erhielten sie einmalig 120 mg Methylprednisolon intramuskulär. Über 1 Jahr wurden sie auf orales MTX (n=119) oder auf Placebo (n=117) randomisiert. Nach Therapieabschluss beobachteten Ärzte alle Patienten über 1 Jahr hinweg nach. Primärer Endpunkt war die Entwicklung einer RA oder eine Arthritis von 2 oder mehr Gelenken über mindestens 2 Wochen.
Nach 2 Jahren fanden Ärzte keinen Unterschied bezüglich einer RA zwischen beiden Gruppen; nahezu jeder 5. Proband entwickelte eine RA. „Die Ergebnisse waren ein bisschen enttäuschend, weil man letztendlich die spätere Diagnose RA nicht verhindern konnte“, kommentierte Rubbert-Roth. Allerdings waren in der MTX-Gruppe die subjektive Funktionsfähigkeit, Schmerz oder Morgensteifigkeit, aber auch die Entzündungszeichen im MRT über den Zeitraum von 2 Jahren besser.
Nach Einschätzung der Studienautoren verhindert MTX zwar nicht das Auftreten einer klinisch bedeutsamen RA, kann aber den frühen Krankheitsverlauf modifizieren. Möglicherweise, so Rubbert-Roth, habe es sich bei den eingeschlossenen Patienten nicht nur um Hochrisikopatienten gehandelt, denn initial hätten nur 50% Veränderungen im MRT gehabt. ACPA und Rheumafaktoren seien nur bei 1 Drittel der Patienten nachweisbar gewesen.
Frühe Intervention mit Abatacept ist bei Hochrisikopatienten möglich
Abatacept richtet sich gegen die T-Zell-Aktivierung, ist aber vielleicht nicht das richtige Medikament Prävention. Das wurde in 2 Arbeiten, der ARIAA-Studie und der APIPPRA-Studie, untersucht. Beide Studien zeigen, dass eine frühe Intervention mit Abatacept bei Hochrisikopatienten möglich ist und gut toleriert wird. Allerdings nahm der Nutzen im Lauf der Zeit nach einer Therapiepause ab.
Die Ergebnisse der in Deutschland durchgeführten multizentrischen ARIAA-Studie wurden im November 2022 beim American College of Rheumatology von PD Dr. Jürgen Rech, Universitätsklinik Erlangen, vorgestellt. Forscher haben 139 RA-Risikopatienten, Einschlusskriterien waren der Nachweis von ACPA, Arthralgien über mehr als 6 Wochen sowie entzündliche Veränderungen im MRT der dominanten Hand. Klinisch durften die Patienten keine Gelenkschwellung und keine Vortherapie mit antirheumatischen Medikamenten aufweisen. 98 Patienten konnten schließlich entweder auf Abatacept 125 mg wöchentlich subkutan oder Placebo über 6 Monate randomisiert werden. Die Nachbeobachtungszeit betrug 12 Monate.
Die APIPPRA-Studie zeigt ähnliche Ergebnisse wie die ARIAA-Studie
Primärer Endpunkt war die Verbesserung in mindestens 1 MRT-Parameter nach 6 Monaten. Eine solche Verbesserung trat signifikant häufiger unter Abatacept als unter Placebo auf, nämlich 61,2% versus 30,6% (p=0,0043). Die Entwicklung einer klinischen RA wurde nach 6 Monaten signifikant seltener unter Abatacept (8,2%) im Vergleich zu Placebo (34,7%) beobachtet (p=0,0025).
Nach 18 Monaten fanden Ärzte eine RA bei 35% der Patienten unter Abatacept und bei 57% unter Placebo (p=0,0421). Auch die MRT-Befunde nach 18 Monaten waren unter der 6-monatigen Abatacept-Therapie besser. Die Ergebnisse zeigen erstmals, dass eine RA bei Hochrisikopatienten verhindert werden kann und deutlich seltener RA typische MRT-Befunde auftreten.
Alle Resultate der APIPPRA-Studie wurden auf dem europäischen Rheumatologenkongress in Mailand vorgestellt. Die Forscher hatten 213 Patienten mit Arthralgien, aber ohne Arthritis, eingeschlossen. Alle Teilnehmer waren entweder hochpositiv für ACPA oder doppelt positiv für ACPA und für Rheumafaktoren. Die Teilnehmer erhielten Abatacept 125 mg pro Woche subkutan oder Placebo über 12 Monate. Die Nachbeobachtung ging über 12 Monate. Ärzte beurteilten die Gelenke sonographisch.
Primärer Endpunkt war entweder die Entwicklung einer RA oder einer Arthritis in mehr als 3 Gelenken. 93% der Probanden waren hochpositiv auf ACPA. Unter Abatacept erreichten nach 52 Wochen signifikant weniger Patienten den primären Endpunkt als unter Placebo: 6% versus 29%. Nach dem 2. Jahr war der Unterschied mit 25% versus 37% zwischen Abatacept und Placebo immer noch statistisch signifikant. Ergebnisse beider Studien wurden bislang noch nicht in wissenschaftlichen Journalen veröffentlicht.
Medscape Nachrichten © 2023
Diesen Artikel so zitieren: Rheuma-Prophylaxe mit Medikamenten: Manifestation einer rheumatoiden Arthritis bei Hochrisiko-Patienten zu stoppen ist möglich - Medscape - 31. Aug 2023.
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