Eine frühzeitige extrakorporale Herz-Kreislauf-Unterstützung (extracorporeal life support, ECLS) verbessert bei Patienten mit akutem Myokardinfarkt und kardiogenem Schock, bei denen eine Revaskularisierung geplant ist, nicht das Überleben. Diese Patienten haben aber ein erhöhtes Risiko für Komplikationen, speziell Blutungen. Das berichteten Leipziger Forschende beim ESC Congress 2023 in Amsterdam, Niederlande. Zeitgleich erschienen die Ergebnisse im New England Journal of Medicine [1,2].
„Bis zu 10% der hospitalisierten Patienten mit akutem Myokardinfarkt entwickeln einen kardiogenen Schock. Er ist die führende Todesursache in dieser Patientenpopulation“, sagte Studienleiter Prof. Dr. Holger Thiele, Chefarzt der Universitätsklinik für Kardiologie am Herzzentrum Leipzig. Die evidenzbasierten Therapiemöglichkeiten sind begrenzt und beschränken sich auf die sofortige Revaskularisierung der verantwortlichen Läsion. Dennoch ist die Mortalitätsrate hoch, sie erreicht innerhalb von 30 Tagen 40 bis 50%.
Trotz geringer Evidenz nimmt der Einsatz von ECLS zu
Um die Outcomes dieser Patienten zu verbessern, werden beim infarktassoziierten kardiogenen Schock schon seit Jahren immer häufiger ECLS-Systeme verwendet. Das auch als veno-arterielle extrakorporale Membranoxygenierung (VA-ECMO) bezeichnete Therapieverfahren gewährleistet nicht nur den Blut-Gasaustausch, sondern unterstützt auch die kardiale Pumpfunktion.
Aber die Evidenz zum Einsatz von ECLS bei Patienten mit infarktassoziiertem kardiogenem Schock ist begrenzt. Es gibt dazu nur Beobachtungsstudien und 3 kleine randomisierte Studien. Möglicherweise wird der Nutzen der hämodynamischen Unterstützung überwogen von einem erheblichen Risiko für lokale und systemische Komplikationen wie Blutungen, Schlaganfall, Extremitätenischämie und Hämolyse.
Vergleich ECLS versus leitliniengerechte Standardtherapie
In der ECLS-SHOCK-Studie wurde erstmals randomisiert untersucht, welchen Effekt ECLS auf die Mortalität von Patienten mit akutem Myokardinfarkt hat, wenn dieser durch einen kardiogenen Schock verkompliziert wird. In 44 Zentren in Deutschland und Slowenien wurden 420 Patienten eingeschlossen. Sie waren im Schnitt 63 Jahre alt und überwiegend männlich, nur 19% der Studienteilnehmenden waren Frauen. Bei allen war eine Revaskularisierung angesetzt, in den meisten Fällen eine perkutane Koronarintervention (PCI).
Die Patienten in der ECLS-Gruppe erhielten eine frühzeitige ECLS (vorzugsweise bei der initialen Angiographie, noch vor der PCI) zusätzlich zur leitliniengerechten Standardtherapie. In der Kontrollgruppe wurde nur die leitliniengerechte Standardtherapie durchgeführt. Der primäre Endpunkt der Studie war die Gesamtmortalität nach 30 Tagen.
Kein Unterschied bei der 30-Tage-Mortalität, aber mehr Komplikationen
In die finale Analyse konnten 417 Patienten eingeschlossen werden. In der ECLS-Gruppe starben innerhalb von 30 Tagen 100 von 209 Patienten (47,8%), in der Kontrollgruppe waren es 102 von 208 Patienten (49,0%). Der geringe Unterschied war statistisch nicht signifikant (p=0,81).
Die ECLS-Gruppe blieb median 7 Tage an der mechanischen Beatmung, länger als die Kontrollgruppe, die median 5 Tage beatmet wurde. Bis eine hämodynamische Stabilisierung erreicht war, dauerte es in beiden Gruppen gleich lang. Auch die Raten an Patienten, die eine Nierenersatztherapie benötigten, unterschieden sich nicht.
Bei der Sicherheit gab es hingegen wieder Unterschiede – zu Ungunsten von ECLS: Mittelschwere bis schwere Blutungen traten in der ECLS-Gruppe signifikant häufiger auf als in der Kontrollgruppe. 23,4% der ECLS-Patienten und 9,6% der Kontrollpatienten entwickelten Blutungen. Auch periphere vaskuläre Komplikationen, die einer Intervention bedurften, waren in der ECLS-Gruppe häufiger als in der Kontrollgruppe (11,0% vs. 3,8%).
Limitationen: Keine Verblindung, Crossover und heterogene Patientengruppe
Die ECLS-Shock-Studie weist einige Limitationen auf. Eine Verblindung der Intervention war nicht möglich, was die Therapieentscheidungen der behandelnden Ärzte beeinflusst haben könnte. Darüber hinaus wechselten 39 Patienten von ihrer zugewiesenen in die andere Gruppe, da bei ihnen eine Therapieeskalation erforderlich wurde.
Patienten mit kardiogenem Schock nach akutem Myokardinfarkt sind eine sehr heterogene Gruppe, sowohl hinsichtlich klinischer Präsentation als auch im Verlauf. Es könne demzufolge sein, dass ECLS-Systeme bei einigen von ihnen nützlich sind – auch wenn entsprechende Subgruppenanalysen darauf keine Hinweise ergaben.
Metaanalyse unterstützt fehlenden Benefit
Zur Bestätigung ihrer Ergebnisse führten die Leipziger Forschenden eine Metaanalyse individueller Patientendaten aller 4 aktuell verfügbaren randomisierten Studien zu ECLS versus Kontrolle durch. „Sie unterstützt die Ergebnisse der ECLS-SHOCK-Studie“, berichtete Thiele. Die Ergebnisse der Metaanalyse wurden in The Lancet veröffentlicht.
Deshalb kam Thiele beim Kongress zu dem Fazit, dass „eine frühzeitige ECLS-Therapie keine Reduktion der 30-Tage-Mortalität, aber eine Zunahme an Komplikationen nach sich zieht. Die Ergebnisse von ECLS-SHOCK könnten dazu führen, dass der routinemäßige Einsatz dieser Systeme in der klinischen Praxis eingestellt wird“, vermutete er.
Fanden Sie diesen Artikel interessant? Hier ist der Link zu unseren kostenlosen Newsletter-Angeboten – damit Sie keine Nachrichten aus der Medizin verpassen.
Credits:
Lead Image: Dreamstime
Medscape Nachrichten © 2023 WebMD, LLC
Diesen Artikel so zitieren: Akuter Myokardinfarkt mit kardiogenem Schock: Kein besseres Überleben durch ECLS-Systeme, aber mehr Komplikationen - Medscape - 28. Aug 2023.
Kommentar