Ich freue mich darauf, 2023 zum Kongress der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie (ESC) nach Amsterdam zu reisen. Das letzte Mal, als der ESC in Amsterdam stattfand, bin ich mit dem Fahrrad zum Kongress gependelt. Ich hoffe, dass ich dies wieder tun kann.
Die Wissenschaft wird uns nicht enttäuschen. Themen der Hotline Sessions werden aus der Elektrophysiologie kommen. Ich habe mich schwergetan, nur 5 Studien für Sie auszuwählen.
1. GLP-1-Agonisten weiter auf dem Vormarsch
Es ist seit langem bekannt, dass die Wirkstoffklasse der Glucagon-like Peptide-1-Agonisten (GLP-1) kardiovaskuläre Folgen bei Diabetikern verringert und bei Patienten mit Adipositas zu einer erheblichen Gewichtsabnahme führt. Kurz vor dem ESC hat Novo Nordisk positive Ergebnisse der SELECT-Studie veröffentlicht, einer Studie zu kardiovaskulären Ergebnissen von Semaglutid bei Patienten mit Adipositas (Medscape berichtete).
Die 1. Hotline Session auf dem ESC beginnt mit Ergebnissen von STEP-HFpEF, einer randomisierten, kontrollierten Studie (RCT), in der Semaglutid im Vergleich zu Placebo bei Patienten mit Adipositas und Herzinsuffizienz mit erhaltener Ejektionsfraktion (HFpEF) getestet wird. Die Wahl der beiden primären Endpunkte, nämlich Gewichtsabnahme und Lebensqualität, deutet darauf hin, dass dies eine weitere positive Studie für die Medikamentenklasse sein wird.
Ich gebe zu bedenken: Wenn man erreicht, dass ein Patient mit HFpEF an Gewicht verliert, wird sich seine Lebensqualität sehr wahrscheinlich verbessern. In den sekundären Endpunkten werden auch typische Ergebnisse wie Tod und Krankenhausaufenthalte wegen Herzinsuffizienz untersucht.
Wenn ich über diese Medikamentenklasse nachdenke, erzeugt dies immer noch eine gewissen Anspannung. Ja, die Ergebnisse sind beeindruckend. Aber ich wünschte, wir könnten die gleiche Gewichtsabnahme mit Änderungen des Lebensstils und ohne Verlangsamung des Nahrungstransports im Darm herbeiführen.
2. Screening bei Vorhofflimmern ist kein Selbstläufer
Das größte Problem bei der Früherkennung von Vorhofflimmern ist vielleicht, dass unsere Technologie zu gut ist.
In der Vergangenheit haben wir Vorhofflimmern entdeckt, wenn Patienten diese Arrhythmie lange genug hatten und sie auf einem Standard-EKG zu erkennen war. Bei diesen Patienten erwiesen sich Warfarin und mittlerweile direkt wirkende orale Antikoagulanzien als nützlich.
Moderne Tools zum Screening auf Vorhofflimmern erkennen oft sehr viel kürzere Episoden einer Vorhofarrhythmie. Ich bekomme häufig eine Benachrichtigung von unserem Herzschrittmacherzentrum, dass ein Patient kurzzeitige atriale Hochfrequenz-Episoden hatte.
Aus Beobachtungsstudien geht hervor, dass Vorhofflimmern mit einer höheren Schlaganfallrate einhergeht, doch handelt es sich bei den kurzen Episoden eindeutig um einen anderen Zustand als echtes klinisches Vorhofflimmern. Niemand – und ich meine buchstäblich niemand – weiß, was Ärzte hier tun sollten.
Im Rahmen der NOAH-AFNET-6-Studie wurde untersucht, ob eine Behandlung dieser kürzeren Episoden von Vorhofarrhythmie zu einer Verringerung der Schlaganfall-Rate führt oder nicht. In dieser RCT mit mehr als 2.000 Patienten erhielt eine Gruppe Edoxaban (Savaysa®) und die andere Gruppe ASS 100 mg. Der primäre Endpunkt setze sich aus Schlaganfall, systemischer Embolie oder kardiovaskulärem Tod zusammen.
Aus einer Pressemitteilung wissen wir, dass die Studie wegen ihrer Aussichtslosigkeit vorzeitig abgebrochen wurde. Auf dem ESC werden wir mehr über die Ergebnisse erfahren. Ich freue mich auf die Diskussion. Es gibt noch eine ähnliche große RCT in diesem Bereich, nämlich ARTESiA. Was mit kurzzeitigem Vorhofflimmern zu tun ist, könnte heute die größte Frage in der Elektrophysiologie sein.
3. Wie sinnvoll ist eine Aufrüstung implantierbarer Herzgeräte?
Wenn das Vorhofflimmern-Screening das wichtigste Thema in der Elektrophysiologie ist, dann stehen Herzschrittmacher zur Vermeidung von Herzversagen an 2. Stelle. In der letzten Folge des Podcasts „This Week in Cardiology“ habe ich darüber gesprochen, dass es kaum Daten gibt, um zu klären, ob ein Wechsel von Aggregaten für implantierbare Kardioverter-Defibrillatoren (ICDs) sinnvoll ist. Das „Upgrade“ eines Standard-Schrittmachers zu einer kardialen Resynchronisationstherapie (CRT) bei Herzinsuffizienz ist ein gängiges, aber schlecht untersuchtes Verfahren.
Auf dem ESC wird Dr. Béla Merkely Ergebnisse der BUDAPEST-CRT-Studie vorstellen. In dieser Studie bekamen Patienten mit konventionellem Schrittmacher oder ICD nach dem Zufallsprinzip entweder ein CRT-ICD-Upgrade oder ein Standard-ICD. In der Kohorte waren viele Patienten mit implantierbaren Geräten mit RV-Elektrode bzw. mit symptomatischer Herzinsuffizienz aufgrund einer reduzierten Auswurffraktion (≤ 35%).
Die MADIT-CRT-Studie hat gezeigt, dass es am besten ist, einen CRT-D-Gerät im Vergleich zu einem Standard-ICD zu verwenden, wenn man bei Patienten mit breitem QRS-Komplex ein Gerät implantieren muss. Das Problem ist, dass hier Daten aus dem Jahr 2009 auf Patienten übertragen wurden, die bereits Geräte hatten. BUDAPEST-CRT ist wichtig, weil ein Upgrade-Verfahren komplizierter ist als ein De-novo-Verfahren; alte Ergebnisse lassen sich möglicherweise nicht auf diese Situation übertragen.
Der primäre Endpunkt wird ein Thema für Diskussionen sein. Er umfasst eine Kombination aus der Zeit bis zur erstmalig aufgetretenen Herzinsuffizienz, dem Gesamttod oder einer Verringerung des systolischen Endvolumens der linken Herzkammer um weniger als 15%. Die Verquickung klinischer und echokardiographischer Endpunkte erschwert die Interpretation.
4. Vollständige Revaskularisation zum Zeitpunkt des Infarkts
In der 2019 veröffentlichten COMPLETE-Studie haben Wissenschaftler festgestellt, dass die Strategie der vollständigen Revaskularisation bei Patienten mit ST-Hebungsinfarkt (STEMI) und Mehrgefäßerkrankung einem konservativen Ansatz überlegen ist. Es handelte sich überwiegend um männliche Patienten mit einem Durchschnittsalter von 62 Jahren und wenigen Begleiterkrankungen.
Auf der ESC-Tagung werden die Ergebnisse der FIRE-Studie vorgestellt, in der eine physiologisch gesteuerte vollständige Revaskularisation und eine Revaskularisation, welche nur die Ursache des STEMI beheben soll, verglichen. Die Studie schließt Patienten im Alter von über 75 Jahren mit STEMI und mit Nicht-STEMI ein. Die Autoren werden wahrscheinlich die Verwendung eines physiologisch gesteuerten Ansatzes in der kompletten Revaskularisation betonen.
Meines Erachtens ist es viel wichtiger, solche Strategien bei älteren Patienten zu untersuchen, die sicherlich mehr Begleiterkrankungen haben. Ihre Ergebnisse sind möglicherweise nicht die gleichen wie bei jüngeren, gesünderen Patienten. Unabhängig von den Ergebnissen wird uns diese Studie eine Menge darüber lehren, wie wir die Erkenntnisse auf kompliziertere Patienten übertragen können.
Auch im Bereich der Revaskularisation nach einem Herzinfarkt werden wir die Ergebnisse der MULTISTARS-AMI-Studie erfahren. Forscher haben die Strategie einer sofortigen vollständigen Revaskularisation mit einer später durchgeführten stufenweisen vollständigen Revaskularisation verglichen.
5. Gepulste Feldablation auf dem Prüfstand
Vorhofflimmern gehört zu den häufigsten Herzerkrankungen, die eine Einweisung ins Krankenhaus erfordern. Die Allgegenwärtigkeit und die zunehmende Prävalenz von Vorhofflimmern hat den Ablationsmarkt in eine riesige Goldgrube verwandelt.
Die neue Technologie zur Zerstörung des Vorhofgewebes in der Hoffnung, Vorhofflimmern zu reduzieren, heißt Pulsfeldablation. Bei der PFA werden Vorhofmyozyten durch Stromzufuhr und durch die Erzeugung von Poren in Zellmembranen zerstört.
Die PFA wird als sicherer angepriesen, weil sie verspricht, nur Herzzellen zu selektieren, was die Schädigung der Speiseröhre und der Zwerchfellnerven begrenzt. Erste Registerdaten zur PFA haben mich jedoch nicht davon überzeugt, dass sich die Sicherheit wesentlich von den herkömmlichen thermischen Ablationstechniken unterscheidet. Eine PFA ist in den USA derzeit nicht möglich, wird aber in Europa weit verbreitet eingesetzt. Viele meiner Kollegen in Europa sind davon begeistert.
Dr. Vivek Reddy wird die Ergebnisse der ADVENT-Studie vorstellen, einer RCT, in der die PFA mit der herkömmlichen thermischen Ablation (entweder mit Radiofrequenz oder mit Kryoballon) zur Ablation von Vorhofflimmern verglichen wurde und die keine Unterlegenheit aufweist. Zu den primären Endpunkten gehören der akute Erfolg des Verfahrens und die Freiheit von Vorhofflimmern nach einer Austastphase.
Auch über Sicherheitsaspekte und über eine Untergruppe von Patienten, bei denen eine Bildgebung des Gehirns zur Beurteilung von Mikroembolien durchgeführt wird, werden wir sprechen. Meine Frage lautet, welchen offensichtlichen Vorteil die PFA hat, der es rechtfertigt, sie in einem Nicht-Unterlegenheits-Design zu untersuchen.
Abschließende Anmerkung
Es gibt noch viele weitere wichtige Studien und Präsentationen auf dem ESC. Bitte informieren Sie mich, wenn Sie eine für besonders wichtig halten.
John Mandrola praktiziert in Louisville, Kentucky, als Kardiologe mit dem Schwerpunkt Elektrophysiologie. Er ist Autor und Podcaster für Medscape. Mandrola vertritt einen konservativen Ansatz in der medizinischen Praxis. Er beteiligt sich an der klinischen Forschung und schreibt häufig über den Stand der medizinischen Erkenntnisse.
Der Beitrag ist im Original erschienen auf Medscape.com .
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Credits:
Photographer: © Pop Nukoonrat
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Diesen Artikel so zitieren: 5 „heiße“ Themen beim European Society of Cardiology Congress 2023, kommentiert vom Medscape-Experten John Mandrola - Medscape - 24. Aug 2023.
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