Darf eine alleinerziehende Mutter und Ärztin vom Bereitschaftsdienst befreit werden? Zu dieser Frage urteilte kürzlich das Sozialgericht München [1]. Rechtsanwältin Alexa Frey erklärt Urteil und Hintergründe.
Zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassene Ärztinnen und Ärzte sind gem. § 75 Abs. 1, 1b SGB V verpflichtet, am Bereitschaftsdienst teilzunehmen, um die vertragsärztliche Versorgung der Bevölkerung auch außerhalb der sprechstundenfreien Zeit abzusichern.In Bayern gelten hierfür die Vorgaben der Bereitschaftsordnung für Ärzte der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns (BDO-KVB). Eine Befreiung vom Bereitschaftsdienst ist nach der BDO-KVB nur bei „schwerwiegenden Gründen“ möglich.

Alexa Frey
Eine alleinerziehende Ärztin von 3 Kindern verlangte die Befreiung, da keine Betreuungsmöglichkeit für die Kinder innerhalb der Familie bestehe und eine anderweitige Betreuung zur Nachtzeit nicht zu finden sei. Zudem sei ihr Vater schwer erkrankt. Eine Teilnahme am Bereitschaftsdienst sei daher unzumutbar.
Wie das Sozialgericht München nun in einem aktuellen Urteil entschieden hat, liegt in dem Umstand der alleinerziehenden Mutter kein solcher schwerwiegender Grund.
Familiäre Situation nicht ausreichend für Befreiung
Das Sozialgericht sah keinen schwerwiegenden Grund in den familiären Verhältnissen der Ärztin. Zwar könne eine extreme familiäre Situation grundsätzlich dazu führen, dass höchst ausnahmsweise trotz der Regelung in § 14 Abs. 2 BDO-KVB eine Befreiung von der Teilnahme ein Bereitschaftsdienst zu gewähren sei.
Die von der Ärztin geltend gemachte Problematik, dass sie alleinerziehende Mutter sei, reiche aber für eine Befreiung nicht aus. Das Gericht hat die konkrete Situation der Ärztin und die Vereinbarung der familiären Belange und Pflichten (Aufsichtspflicht) mit beruflichen Belangen durchaus als herausfordernd angesehen.
Diese Situation treffe aber auch andere alleinerziehende Mütter und Väter, die freiberuflich tätig seien. Es handele sich somit nicht um ein singuläres Problem der Ärztin. Zudem müsse das öffentliche Interesse an einem funktionierenden Bereitschaftsdienst beachtet werden, ebenso wie das Interesse der Kolleginnen und Kollegen, die ebenfalls am Bereitschaftsdienst teilnehmen.
Frühzeitige Planung und Abgabe an Pool-Arzt möglich
Hinzu komme, dass die Dienste etwa ein Jahr im Voraus feststehen, eine Wunschdienstplanung auch möglich sei und die Dienste grundsätzlich in die Tagesstunden gelegt werden könnten. Insofern könne eine Kinderbetreuungsmöglichkeit frühzeitig geplant werden und, falls dies nicht möglich sei, können die Dienste an einen Pool-Arzt oder eine Vertretung abgegeben werden. Eine Befreiung erfolgte daher nicht.
Dieser Artikel ist im Original am 10. August 2023 erschienen auf Coliquio.de.
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Diesen Artikel so zitieren: Können alleinerziehende Ärztinnen vom Bereitschaftsdienst befreit werden? Anwältin erläutert ein Urteil - Medscape - 23. Aug 2023.
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