Im Medscape-Corona-Newsblog finden Sie regelmäßig eine Auswahl von klinisch relevanten Kurzmeldungen zu COVID-19.
Corona-Newsblog, Update vom 16. August 2023
Neue Daten: Nicht nur SARS-CoV-2 verursacht anhaltende Beschwerden
OLG Bamberg: Hat AstraZeneca mangelhaft über Nebenwirkungen informiert?
WHO: Erste Bewertung der neuen Variante EG.5
Preprint: Offene Fragen zur Ausbreitung von EG.5
Long-COVID: Jeder 4. Erwachsene hat erhebliche Einschränkungen
Long-COVID: Rund 16% aller pädiatrischen Patienten sind betroffen
Genvariante bei Männern mit schwerem COVID-19 assoziiert – eine neue Zielstruktur für Therapien?
Neue Daten: Nicht nur SARS-CoV-2 verursacht anhaltende Beschwerden
Analysen der INSPIRE-Studie zeigen, dass nicht nur SARS-CoV-2 zu persistierenden Beschwerden, sprich zu Long-COVID, führt. Das scheint auf andere Atemwegsinfektionen ebenfalls zuzutreffen.
Forscher haben Daten zu selbst gemeldeten Symptomen von 1.296 Erwachsenen mit einer COVID-ähnlichen Erkrankung gesammelt. Alle Personen hatten sich zugelassenen PCR- oder Antigen-Tests unterzogen. 12 Monate nach der Diagnostik meldeten sie im Intervall von 3 Monaten ihre Symptome.
Die Prävalenz von Beschwerden aller Art sank zwischen dem Ausgangswert und der 3-monatigen Nachuntersuchung deutlich von 98,4% auf 48,2% für Personen, die ein positives SARS-CoV-2-Testergebnis erhalten haben und von 88,2% auf 36,6% für Personen mit negativem Test.
Nach 12 Monaten gab es keinen Unterschied zwischen den Gruppen. Die Symptom-Prävalenz unter COVID-Test-positiven und COVID-Test-negativen Teilnehmern lag bei 18,3% bzw. bei 16,1% (p>0,05). „Daher treten diese Symptome nicht nur bei COVID-19 oder bei Erkrankungen nach COVID-19 auf“, schlussfolgern die Autoren.
OLG Bamberg: Hat AstraZeneca mangelhaft über Nebenwirkungen informiert?
Eine 33-jährige Frau klagt gegen AstraZeneca. Sie hatte sich im März 2021 mit Vaxzevria impfen lassen und in zeitlichem Zusammenhang eine Darmvenenthrombose erlitten. Jetzt hat das Oberlandesgericht Bamberg einen Hinweisbeschluss verkündet.
Ausreichende Anhaltspunkte für eine Haftung der Firma wegen „unvertretbarer schädlicher Wirkungen“ des Impfstoffs (§ 84 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 Arzneimittelgesetz) sehen die Richter nicht. Die von der Klägerin angeführten Nebenwirkungen seien schon im Zeitpunkt der Zulassung bekannt gewesen, schreiben sie.
Allerdings wollen sie die Frage, ob eine Haftung wegen „unzureichender Arzneimittelinformation“ (§ 84 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 AMG) vorliegen könnte, klären. Das Gericht plant, ein Sachverständigengutachten in Auftrag zu geben, um den Aspekt zu klären. Der Anwalt der Klägerin wertet dies laut DPA als Etappensieg.
Das Landgericht Hof hatte die Klage zuvor abgewiesen. Die Frau fordert von AstraZeneca rund 250.000 Euro Schmerzensgeld, 17.200 Euro aufgrund ihres Verdienstausfalls und 600.000 Euro für künftige gesundheitliche Beeinträchtigungen.
WHO: Erste Bewertung der neuen Variante EG.5
In einem Dokument zur Risikobewertung fasst die Weltgesundheitsorganisation (WHO) den Kenntnisstand zu EG.5 zusammen:
EG.5 ist ein Nachkomme von XBB.1.9.2, der das gleiche Spike-Aminosäureprofil wie XBB.1.5 aufweist. Die neue Variante wurde erstmals am 17. Februar 2023 gemeldet. Aktuell spricht die WHO von einer „Variante von Interesse“ (VOI). EG.5 trägt eine zusätzliche F456L-Aminosäure-Mutation im Spike-Protein im Vergleich zu XBB.1.9.2 und XBB.1.5.
Bis zum 7. August 2023 wurden 7.354 Sequenzen von EG.5 aus 51 Ländern bei der Datenbank GISAID hochgeladen. Der größte Teil stammt aus China.
In Woche 29 (17. bis 23. Juli 2023) lag die weltweite Prävalenz bei 17,4%. „Dies ist ein deutlicher Anstieg gegenüber den 4 Wochen zuvor gemeldeten Daten (Woche 25, 19. bis 25. Juni 2023), als die Gesamtprävalenz von EG.5 7,6% betrug“, schreibt die WHO.
„Auf der Grundlage der verfügbaren Daten wird das von EG.5 ausgehende Risiko für die öffentliche Gesundheit auf globaler Ebene als gering eingestuft, was dem Risiko entspricht, das mit XBB.1.16 und den anderen derzeit zirkulierenden VOIs verbunden ist“, heißt es weiter. „EG.5 hat zwar eine erhöhte Prävalenz, einen Wachstumsvorteil und die Fähigkeit, dem Immunsystem zu entkommen. Doch wurden bisher keine Veränderungen der Krankheitsschwere gemeldet.“
Preprint: Offene Fragen zur Ausbreitung von EG.5
Auf bioRxiv haben Forscher wichtige Daten zu EG.5 in Form eines Preprints zusammengetragen. Sie kommen zu teils anderen Einschätzungen als die WHO.
Die Wissenschaftler konnten zeigen, dass EG.5.1 im Vergleich zu XBB.1.5, XBB.1.16 und seiner Elternlinie (XBB.1.9.2) eine höhere effektive Reproduktionszahl aufweist, „was darauf hindeutet, dass EG.5.1 sich weltweit ausbreiten und diese XBB-Subvarianten in naher Zukunft verdrängen wird“.
Anschließend untersuchten sie, ob EG.5.1 sich der humoralen Immunität entzieht. Der 50-prozentige Neutralisationstiter (NT50) von XBB-BTI-Seren gegen EG.5.1 war vergleichbar mit dem gegen XBB.1.5/1.9.2 und XBB.1.16. Darüber hinaus war die Empfindlichkeit von EG.5.1 gegenüber Rekonvaleszentenseren von XBB.1- und XBB.1.5-infizierten Hamstern ähnlich wie die von XBB.1.5/1.9 und XBB.1.16.
„Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass die erhöhte Reproduktionsrate von EG.5.1 weder auf eine erhöhte Infektiosität noch auf eine Umgehung der Immunantwort … zurückzuführen ist“, schreiben sie. Weitere Untersuchungen seien erforderlich.
Long-COVID: Jeder 4. Erwachsene hat erhebliche Einschränkungen
In den USA analysieren die Centers of Disease Control and Prevention (CDC), Atlanta, regelmäßig Daten der Household Pulse Survey, einer repräsentativen Haushaltsbefragung, um die Prävalenz und die Folgen von Long-COVID zu erfassen.
Daten aus Erhebungen, die zwischen dem 1. und 13. Juni 2022 und dem 7. und 19. Juni 2023 durchgeführt wurden, zeigten, dass die Prävalenz von 7,5% (95-KI 7,1%-7,9%) auf 6,0% (95%-KI 5,7%-6,3%) in der gesamten erwachsenen US-Bevölkerung zurückgegangen ist, unabhängig von COVID-19 in der Vorgeschichte. Bei Erwachsenen mit überstandener Infektion verringerte sich der Wert von 18,9% (95%-KI 17,9%-19,8%) auf 11,0% (95%-KI 10,4%-11,6%).
Im Zeitraum vom 7. bis 19. Juni 2023 berichteten 26,4% (95%-KI 24,0%-28,9%) der Personen mit Long-COVID über erhebliche Einschränkungen ihrer Alltagsaktivitäten, wobei sich die Prävalenz im Laufe der Zeit nicht veränderte.
Long-COVID: Rund 16% aller pädiatrischen Patienten sind betroffen
Fallberichte zu Long-COVID bei Kindern und Jugendlichen häufen sich, doch die Prävalenz ist unbekannt. Eine Literaturrecherche sollte für mehr Klarheit sorgen. Eingeschlossen wurden Veröffentlichungen zwischen Dezember 2019 und Dezember 2022 mit Angaben zu persistierenden Beschwerden nach COVID-19 bei Kindern und Jugendlichen (0-19 Jahre).
27 Kohorten und 4 Querschnittsstudien erfüllten die Einschlusskriterien. Sie umfassten mehr als 15.000 pädiatrische Teilnehmer. Insgesamt traten mehr als 20 persistierende Symptome und klinische Merkmale bei Kindern und Jugendlichen auf.
16,2% (95%-KI 8,5% bis 28,6%) aller pädiatrischen Teilnehmer litten mindestens 3 Monate nach COVID-19 an einem oder mehreren Symptomen. Allerdings wiesen die eingeschlossenen Studien eine große Heterogenität auf, auch zur Definition von Long-COVID.
„Persistierende klinische Merkmale über 3 Monate hinaus bei Kindern und Jugendlichen mit nachgewiesener COVID-19 sind häufig, und das Symptomspektrum ist breit“, fassen die Autoren zusammen.
Genvariante bei Männern mit schwerem COVID-19 assoziiert – eine neue Zielstruktur für Therapien?
Während der Pandemie erhobene und retrospektiv ausgewertete Daten hatten mehrfach gezeigt, dass die COVID-19-Mortalität bei Männern im Vergleich zu Frauen höher ist – nur warum? Dieser Frage sind Forschende jetzt auf Ebene des Genoms nachgegangen.
Sie haben genetische Daten von 2.866 COVID-19-Patientinnen und -Patienten analysiert. Dabei fanden sie im CYP19A1-Gen eine Mutation, die mit einem höheren Hospitalisierungsrisiko von Männern assoziiert ist. Das Gen kodiert für das Enzym Aromatase, das unter anderem für die Verstoffwechselung von Testosteron zuständig ist.
Experimente im Tiermodell bestätigten den Befund: Erhielten Hamster mit COVID-19-Infektion den Aromatase-Hemmer Letrozol, verbesserte sich die Lungenfunktion. Auch das hormonelle Gleichgewicht konnte wieder hergestellt werden, speziell bei männlichen Tieren. „Dies legt nahe, dass Aromatase-Hemmer eine vielversprechende therapeutische Strategie für die individuelle Behandlung männlicher COVID-19-Patienten darstellen könnten“, schreiben die Autoren.
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Credits:
Photographer: © Wutthichai Luemuang
Lead Image: Dreamstime
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Diesen Artikel so zitieren: Klägerin erzielt Teilerfolg gegen AstraZeneca; Folgen anderer Infekte vergleichbar mit Long-COVID; warum Männer oft schwerer erkranken; WHO-Einschätzung von EG.5 - Medscape - 17. Aug 2023.
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