Mehr zuckerhaltige Softdrinks, mehr Leberkrebs?;  Alkoholkonsum bei Krebspatienten; Depression kein Risikofaktor für Krebs

Dr. Susanne Heinzl

Interessenkonflikte

14. August 2023

Im Onko-Blog dieser Woche berichten wir unter anderem über weitere Untersuchungen zum Einfluss von Alkohol auf Krebserkrankungen und zum Alkoholkonsum bei Krebskranken. Frauen mit Kolorektalkarzinom leiden oft und lange an gastrointestinalen Störungen; speziell bei jüngeren Betroffenen scheint der Zeitraum zwischen Diagnose und Therapie keine so große Bedeutung für das Therapieergebnis zu haben. Wer täglich zuckerhaltiger Getränke konsumiert, scheint ein höheres Risiko für Leberkrebs zu haben. Bei Getränken mit Zuckeraustauschstoffen fanden Wissenschaftler jedoch keine Assoziation. 

  • Mammakarzinom: Alkoholkonsum bei Diagnose nicht mit erhöhtem Rezidivrisiko assoziiert

  • Kolorektalkarzinom: Lang anhaltende gastrointestinale Störungen, vor allem bei Frauen

  • Kolorektalkarzinom: Zeit bis zur Behandlung bei Jüngeren nicht mit Überleben assoziiert

  • Leberkrebs: Zuckerhaltige Getränke mit erhöhtem Risiko assoziiert

  • Krebs: Alkoholkonsum ist häufig bei Überlebenden – auch unter Therapie

  • Krebs: Angst und Depression nicht mit erhöhtem Risiko assoziiert

Mammakarzinom: Alkoholkonsum bei Diagnose nicht mit erhöhtem Rezidivrisiko assoziiert

Alkoholkonsum nach einer Brustkrebsdiagnose hat keinen Einfluss auf die Prognose der Patientinnen. Dies ergab die in  Cancer  publizierte Pathways-Studie, eine prospektive Studie mit insgesamt 4.504 Frauen von Kaiser Permanente, bei denen zwischen 2005 und 2013 in Nordkalifornien invasiver Brustkrebs diagnostiziert worden war. Im Detail sind die Ergebnisse dieser Studie aber eher verwirrend.

Für die Analyse wurden Daten von 3.659 Frauen herangezogen, die einen Fragebogen zum Alkoholkonsum vor der Brustkrebs-Diagnose und 6 Monate danach ausgefüllt hatten. Im Vergleich zu Frauen, die keinen Alkohol konsumierten (36,9%) waren Alkoholkonsumentinnen eher jünger, gebildeter sowie aktuelle oder ehemalige Raucherinnen. 

Insgesamt war der Alkoholkonsum nicht mit einem Rezidiv oder mit der Sterblichkeit assoziiert. Allerdings hatten Frauen mit einem höheren Body-Mass-Index (BMI ≥ 30 kg/m2) ein geringeres Sterberisiko mit zunehmendem Alkoholkonsum sowohl bei gelegentlichem Trinken (HR 0,71) als auch bei regelmäßigem Trinken (HR 0,77) zum Zeitpunkt der Diagnose sowie bis zu 6 Monate danach. 

Frauen mit niedrigerem BMI (<30 kg/m²) hatten kein höheres Mortalitätsrisiko, wiesen jedoch ein möglicherweise höheres, aber nicht signifikantes Risiko für ein erneutes Auftreten des Mammakarzinoms bei gelegentlichem (HR, 1,29) und regelmäßigem Alkoholkonsum (HR, 1,19) auf.

Weil andere Studien gezeigt haben, dass übergewichtige Frauen ein höheres Risiko haben für Brustkrebs und Rezidive haben, sei der Befund, dass übergewichtige Frauen bei steigendem Alkoholkonsum insgesamt ein geringeres Sterberisiko gehabt haben, schwierig zu interpretieren, so die Autoren. 

Kolorektalkarzinom: Lang anhaltende gastrointestinale Störungen, vor allem bei Frauen

Rund 81% der Frauen, die ein Kolorektalkarzinom überlebt haben, leiden durchschnittlich 8,1 Jahre nach der Diagnose immer noch an gastrointestinalen Störungen. Dies ergab die Analyse der Daten von 413 Frauen, aus der Women’s Health Initiative (WHI) Life and Longevity After Cancer (LILAC) Studie, die in  PLOS ONE erschienen ist.

Die häufigsten gastrointestinalen Störungen waren Blähungen (54,2%), Verstopfung (44,1%), Durchfall (33,4%) und Bauch- oder Unterleibsschmerzen (28,6%). Risikofaktoren, die solche Beschwerden begünstigten, waren die Zeit seit der Diagnose (weniger als 5 Jahre), ein fortgeschrittenes Krebsstadium, eine hohe psychische Belastung, schlechte Ernährungsgewohnheiten und wenig körperliche Aktivität. Müdigkeit und Schlafstörungen waren die bedeutsamsten langfristigen Beeinträchtigungen. 

Schwere Magen-Darm-Symptome waren eher mit einer schlechten Lebensqualität und einer verstärkten Beeinträchtigung des täglichen Lebens verbunden.

Die Autoren hoffen, dass ihre Ergebnisse dazu beitragen, dass sich die Nachsorge der Patienten verbessert, in dem verschiedene Risikofaktoren, wie z. B. psychischer Stress, vermehrt berücksichtigt werden.

Kolorektalkarzinom: Zeit bis zur Behandlung bei Jüngeren nicht mit Überleben assoziiert

Die Zeit von der Vorstellung bis zur Behandlung war bei Patienten unter 50 Jahren mit Kolorektalkarzinom nicht mit einer fortgeschritteneren Erkrankung oder mit einem schlechten Überleben assoziiert. Diese in  JAMA Network Open  publizierten Ergebnisse deuten darauf hin, dass festgelegte Zeitpunkte für eine Therapie nicht zu verbesserten Ergebnissen führen. 

Im Rahmen der retrospektiven Studie wurden Daten von 5.026 Patienten aus Ontario analysiert, die im Alter unter 50 Jahren an einem Kolorektalkarzinom erkrankt waren. 

Im Median dauerte es 108 Tage von der 1. Präsentation bis zur Therapie; das Intervall war bei metastasierten Erkrankungen mit 83 Tagen kürzer. Insgesamt betrug die 5-Jahres-Überlebensrate 69,8%. 

Gesamtüberleben (OS) und ursachenspezifisches Überleben (CSS) waren bei Patienten mit kürzeren Intervallen (<108 Tage) schlechter als bei Patienten mit längeren Intervallen. Intervalle >18 Wochen waren im Vergleich zu 12 bis 18 Wochen nicht mit einem signifikant schlechteren OS (HR 0,83) oder CSS (HR 0,90) verbunden.

Leberkrebs: Zuckerhaltige Getränke mit erhöhtem Risiko assoziiert

Bei postmenopausalen Frauen ist ein Konsum von mindestens 1 zuckerhaltigen Getränk täglich mit einem signifikant höheren Risiko für Leberkrebs oder chronische Lebererkrankung assoziiert im Vergleich zu Frauen mit einem Konsum von höchstens 3 zuckerhaltigen Getränken pro Monat. „In weiteren Studien sollte diese Befunde bestätigt und … Mechanismen identifiziert werden“, so die Schlussfolgerung der Autoren in  JAMA

Anhand der Daten von 98.786 postmenopausalen Frauen aus der prospektiven Women’s Health Initiative (WHI) untersuchte die Arbeitsgruppe Assoziationen zwischen Konsum von mit Zucker oder Zuckerersatzstoffen gesüßten Getränken und dem Risiko für Lebererkrankungen. Der Getränke-Konsum war mit Fragebogen erfasst worden. 

Nach einer medianen Nachbeobachtungszeit von 20,9 Jahren waren 207 Frauen neu an Leberkrebs und 148 an einer chronischen Lebererkrankung erkrankt. Bei Frauen, die mindestens 1 zuckerhaltiges Getränk täglich konsumierten betrug die Rate an Leberkrebs 18,0 pro 100.000 Personenjahre im Vergleich zu 10,3 pro 100.000 Personenjahre bei Frauen, die höchstens 3 zuckerhaltige Getränke pro Monat tranken (HR 1,85, p=0,01). 

Die Mortalitätsrate bei chronischen Lebererkrankungen betrug 19,8 pro 100.000 Personenjahre bei Frauen, die 1 oder mehr gesüßte Getränke pro Tag konsumierten im Vergleich zu 7,2 pro 100.000 Personenjahren bei Frauen mit höchstens 3 solcher Getränke pro Monat (HR 1,80, p=0,03).

Frauen, die täglich künstlich gesüßte Getränke konsumierten, hatten im Vergleich zu Personen, die maximal 3 künstlich gesüßte Getränke pro Monat tranken keine erhöhte Inzidenz von Leberkrebs und keine erhöhte Sterblichkeit aufgrund von chronischen Lebererkrankungen. 

Krebs: Alkoholkonsum ist häufig bei Überlebenden – auch unter einer Therapie

Alkoholkonsum bis hin zu riskantem Trinkverhalten ist bei Krebsüberlebenden weit verbreitet. Dies ergab eine Querschnittstudie einer amerikanischen Arbeitsgruppe, die in  JAMA Network Open  erschienen ist. Die Forscher hatten die Daten von 15.199 Personen analysiert, bei denen Krebs diagnostiziert worden war. Hinzu kamen Daten von 1.839 Krebs-Patienten, die sich in Behandlung befanden.

  • 77,7% der Krebsüberlebenden tranken aktuell Alkohol. 

  • Mäßigen Alkoholkonsum (mehr als 2 Drinks pro Tag) gaben 13,0% an. 

  • 23,8% berichteten von Rauschtrinken mit mehr als 6 Drinks bei 1 Gelegenheit.

  • 38,3% gehörten zu den Personen mit riskantem Alkoholkonsum. 

Männer, Personen unter 65 Jahren, hispanischer Abstammung oder bei denen die Diagnose vor dem 18. Lebensjahr gestellt wurde, sowie aktuelle und ehemalige Raucher, neigten zu einem höheren Alkoholkonsum. 

„Angesichts der nachteiligen Folgen des Alkoholkonsums für die Therapie und die Erkrankung sind zusätzliche Studien von entscheidender Bedeutung, um dieses Problem bei Krebsüberlebenden anzugehen“, schreiben die Autoren.

Die Studie berücksichtigte zwar Parameter wie Alter, Sex, ethnische Zugehörigkeit, Familienstand, Bildungsniveau, Raucherstatus, Haushaltseinkommen und Versicherungsstatus. Zum psychischen Zustand der Befragten gab es jedoch erstaunlicherweise keine Fragen. 

Offenbar waren sich die Untersucher der Tatsache nicht bewusst, welch psychischer Druck eine solche Diagnose für einen Betroffenen auslösen kann. Beispielsweise sind das teilweise schier endlos erscheinende Warten auf Befunde, die Nebenwirkungen der Behandlung, die Sorge, ob sie wirkt und die Angst vor einem Rezidiv oft schwer erträglich – Flucht in Alkohol ist deshalb nicht verwunderlich und dürfte z.T. auch Ausdruck einer mangelhaften professionellen Unterstützung sein.

Krebs: Angst und Depression nicht mit erhöhtem Risiko assoziiert

Bislang vorliegende Ergebnisse zur Assoziation zwischen Angst, Depression und erhöhtem Krebsrisiko sind uneinheitlich. Nun zeigt eine in  Cancer  publizierte Metaanalyse individueller Patientendaten aus 18 Kohorten im UK, in Norwegen und Kanada mit über 300.000 Teilnehmern, dass es keinen Zusammenhang zwischen Angst und Depression und den meisten Krebserkrankungen gibt. 

Die Arbeitsgruppe fand während einer Nachbeobachtungszeit von bis zu 26 Jahren keinen Zusammenhang zwischen Depressionen oder Angstzuständen und Brust-, Prostata-, Darm- und alkoholbedingten Krebserkrankungen insgesamt. Depressionen oder Angstzustände waren aber mit einem um 6% höheren Risiko für Lungenkrebs und rauchbedingten Krebserkrankungen assoziiert. Dieses Risiko verringerte sich jedoch erheblich, wenn andere krebsbezogene Risikofaktoren wie Rauchen, Alkoholkonsum und Body-Mass-Index berücksichtigt wurden. 

Daher belegt diese Analyse die Bedeutung der Bekämpfung des Tabakrauchens und anderer ungesunder Verhaltensweisen. 

„Die Ergebnisse der aktuellen Studie können medizinischem Personal dabei helfen, Schuldgefühle und Selbstvorwürfe bei Krebspatienten zu lindern, die ihre Diagnose auf frühere Depressionen oder Angstzustände zurückführen“, so die Autoren.

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