Unsportlich? Ein täglicher Sprint zum Bus könnte schon vor Krebs schützen – auch kurze, starke Anstrengung reduziert Risiko

Dr. Doris Maugg

Interessenkonflikte

8. August 2023

Die Ergebnisse einer aktuellen Studie in JAMA Oncology deuten darauf hin, dass bereits kurze Phasen kräftiger, intermittierender, körperlicher Aktivität mit einem geringeren Krebsrisiko verbunden sind [1]. Diese Aktivität könnte auch für Personen, denen es ansonsten schwerfällt, regelmäßig und ausdauernd Sport zu treiben, eine vielversprechende Maßnahme zur Krebsprävention darstellen.

Bei Phasen kräftiger, intermittierender, körperlicher Aktivität handelt es sich um kurze Phasen anstrengender körperlicher Betätigung, die meist weniger als 1 oder 2 Minuten dauert, wie zum Beispiel einem kurzen Sprint zum Bus oder Treppensteigen. In der prospektiven Kohortenstudie wurde in einer großen Gruppe von unsportlichen Erwachsenen eine Dosis-Wirkungs-Beziehung zwischen täglicher kräftiger, intermittierender, körperlicher Aktivität und der Krebsinzidenz untersucht.

Die Forschenden werteten die mittels tragbaren Armtrackern generierten Daten von 22.398 Personen mit einem Durchschnittsalter von 62 Jahren der UK Biobank aus. 54,8% von ihnen waren Frauen. Nach einem mittleren Follow-up von 6,7 Jahren, was 149.650 Personenjahren entspricht, ermittelten sie die allgemeine Krebsinzidenz in dieser Kohorte sowie die Inzidenz von 13 Krebsarten, die mit geringer körperlicher Aktivität assoziiert sind (physical-activity related cancers).

In dem untersuchten Zeitraum traten insgesamt 2.356 Krebsereignisse auf, von denen 1.084 auf mit geringer körperlicher Aktivität assoziierte Krebsarten zurückzuführen waren. Fast die gesamte starke, körperliche Aktivität (92,3%) wurde in Runden von bis zu 1 Minute erreicht.

Weniger als 4 Minuten pro Tag ausreichend

Die tägliche Aktivitätsdauer war nahezu linear mit dem Outcome assoziiert, schreiben die Forschenden um Dr. Emmanuel Stamatakis von der Universität Sydney, Australien. „Die Dosis-Wirkungs-Kurven waren steiler und das Ausmaß der Risikoreduktion für mit geringer Aktivität assoziierte Krebsarten größer als für die Gesamtkrebsinzidenz.“

So betrug die Mindestdosis für kräftige, intermittierende, körperliche Aktivität von bis zu 1 Minute für Krebs im Allgemeinen 3,4 Minuten pro Tag und für mit geringer Aktivität assoziierten Krebs 3,7 Minuten pro Tag (Hazard Ratio [HR] 0,83; 95%-Konfidenzintervall [KI] 0,73-0,93; bzw. HR: 0,72; 95%-KI, 0,59-0,88).

„Die Ergebnisse der Studie mit einer durchschnittlichen Nachbeobachtungszeit von fast 7 Jahren deuten darauf hin, dass Personen mit etwas weniger als 4 Minuten pro Tag sporadischer intensiver Aktivität ein um 17 Prozent verringertes Risiko für Krebs insgesamt hatten“, schreiben Dr. Yvonne Wengström und ihre Kollegen in einem Kommentar derselben Ausgabe von JAMA Oncology  [2].

Für Krebsformen, die möglicherweise mit geringer Aktivität assoziiert sind, fanden die Forscher ein um 28 % verringertes Risiko durch die tägliche intermittierende körperliche Aktivität. „Selbst einige Minuten kurzer, intensiver körperlicher Betätigung bei Personen mit geringer Freizeitaktivität können deren Krebsrisiko senken“, schreiben die Autoren des Editorials.

 
Selbst einige Minuten kurzer, intensiver körperlicher Betätigung bei Personen mit geringer Freizeitaktivität können deren Krebsrisiko senken. Dr. Yvonne Wengström und Kollegen
 

Bereits Ende 2022 hatte Daten der Arbeitsgruppe um Stamatakis und Kollegen einen Zusammenhang nahegelegt zwischen etwas mehr als 4 Minuten kräftiger, körperlicher Aktivität pro Tag und einem geringeren Risiko von Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Krebs und der Gesamtmortalität sowohl bei Sportlern als auch bei Nichtsportlern.

Daten wurden mit Hilfe von Wearable Armtrackern gesammelt

Die Autoren der aktuellen Studie nutzten Aktivitätsdaten einer bestehenden Kohorte aus einer früheren Unterstudie der UK Biobank zur Beschleunigungsmessung am Handgelenk. Das Bewegungsverhalten wurde hier über einen Zeitraum von 7 Tagen in den Jahren 2013 bis 2015 bei über 90.000 Personen aufgezeichnet.

Die verwendeten Armtracker bewerten Wengström und Kollegen als zuverlässiger gegenüber Daten, die durch Fragebögen gesammelt werden, welche die Probanden selbst beantworten. „Eine Stärke der vorliegenden Studie besteht darin, dass die körperliche Aktivität mit Hilfe von Handgelenk-Beschleunigungsmessern bewertet wurde, obwohl Nicht-Sportler anhand von Fragebogendaten definiert wurden.“

 
Eine Stärke der vorliegenden Studie besteht darin, dass die körperliche Aktivität mit Hilfe von Handgelenk-Beschleunigungsmessern bewertet wurde. Dr. Yvonne Wengström und Kollegen
 

Auch Informationen über den generellen Lebensstil von gesünder lebenden Personen müssten mit einbezogen werden, was den Forschenden gelungen sei, so Wengström, indem sie „die Analysen um mehrere, wichtige Faktoren bereinigt“ hätten, darunter:

  • Alter,

  • Geschlecht,

  • Body-Mass-Index,

  • Bildungsgrad,

  • Raucherstatus,

  • Alkoholkonsum,

  • Schlafdauer,

  • Obst- und Gemüsekonsum,

  • Medikamenteneinnahme und

  • Krebsvorgeschichte der Eltern.

Was bedeuten die Ergebnisse für Krebspatienten?

Ob die Ergebnisse der Studie auch auf Patienten, die bereits an einer Krebserkrankung leiden, übertragen werden können, müssten weitere Studie zeigen, so Wengström. Das liege daran, dass Krebspatienten wie zum Beispiel prämenopausale und postmenopausale Frauen mit Brustkrebserkrankungen mit unterschiedlicher Biologie und hormonellem Milieu durch körperliche Bewegung unterschiedlich beeinflusst werden.

Die körperliche Aktivität spiele bei Krebspatienten aber eine Rolle, „da sie die körperliche Fitness, die Muskelkraft, die krebsbedingte Müdigkeit und die Lebensqualität der Überlebenden verbessert“, so Wengström. Jedoch sei es wichtig, für jede Patientengruppe und für jeden Patienten individuell das richtige Maß körperlicher Aktivität zu finden. Letztendlich sei aber „jede körperliche Aktivität besser als keine“, schließen Wengström und Kollegen.

Fanden Sie diesen Artikel interessant? Hier ist der  Link  zu unseren kostenlosen Newsletter-Angeboten – damit Sie keine Nachrichten aus der Medizin verpassen.
 

Kommentar

3090D553-9492-4563-8681-AD288FA52ACE
Wir bitten darum, Diskussionen höflich und sachlich zu halten. Beiträge werden vor der Veröffentlichung nicht überprüft, jedoch werden Kommentare, die unsere Community-Regeln verletzen, gelöscht.

wird bearbeitet....