So gelingt die Therapie Alkohol-bedingter Lebererkrankungen – diese 2 Aspekte sind wichtig

Liam Davenport

Interessenkonflikte

7. August 2023

Ärzte sollten bei Patienten mit schwerer Alkohol-bedingter Lebererkrankung nicht nur die Leber, sondern auch die Alkoholkonsumstörung therapieren. Zu diesem Schluss kommen Spezialisten in einer Übersichtsarbeit, die im Journal of Clinical Gastroenterology erschienen ist [1]. Akshay Shetty vom Pfleger Liver Institute am UCLA Medical Center in Los Angeles und Kollegen gehen der Frage nach, wie die bestmögliche Versorgung von Patienten, die gerade ins Krankenhaus eingeliefert worden sind, gelingen könnte.

 
Das Wichtigste, was Ärzte aus dieser Studie mitnehmen sollten, ist die Tatsache, dass diese Patienten wahrscheinlich eine Doppeldiagnose haben. Akshay Shetty
 

„Das Wichtigste, was Ärzte aus dieser Studie mitnehmen sollten, ist die Tatsache, dass diese Patienten wahrscheinlich eine Doppeldiagnose haben“, sagte Shetty gegenüber Medscape. Es sei wichtig, sich mit der Lebererkrankung zu befassen, weil sie wahrscheinlich kurzfristig das größte Mortalitäts- und Morbiditätsrisiko berge, „aber wir dürfen nicht vergessen, gleichzeitig ihre Alkoholkrankheit zu behandeln“.

Mehr Alkoholmissbrauch, mehr Leberkrankheiten

Die Alkohol-assoziierte Hepatitis (AH) sei eine einzigartige, schwere Form der Alkohol-assoziierten Steatohepatitis, die aufgrund eines starken Alkoholkonsums auftrete, schreibt das Team. Die Sterblichkeitsrate bei Patienten mit schwerer AH liege zwischen 20% und 50%. In einer neueren Studie habe man einen Rückgang der 30-Tage-Sterblichkeitsrate auf 17% festgestellt, was auf eine bessere Therapie zurückzuführen sei, so die Autoren weiter.

Der Alkoholmissbrauch in den USA habe in den vergangenen 2 Jahrzehnten stark an Bedeutung gewonnen. So sei die Zahl der Menschen mit risikoreichem Alkoholkonsum – mit 4 oder mehr Getränken täglich bei Frauen, 5 oder mehr bei Männern – zwischen 2002 und 2012 um fast 30% gestiegen, insbesondere bei Frauen und bei ethnischen Minderheiten, berichten die Autoren.

Gleichzeitig stieg die Rate bei Alkoholmissbrauchsstörungen unter jungen Erwachsenen um 25%. Im Jahr 2019 wurde bei einer US-Erhebung bei 14,5 Millionen Menschen ab 12 Jahren eine entsprechende Diagnose gestellt.

Nach Ansicht von Experten werde diese Entwicklung zu einem Anstieg Alkohol-bedingter Lebererkrankungen, einschließlich Alkohol-assoziierter Hepatitis, führen. So ergab eine Auswertung für stationäre Patienten in den USA auch, dass die Zahl der AH-bedingten Krankenhausaufenthalte zwischen 2007 und 2014 um 28,3% gestiegen ist.

Trotz steigender Raten schwerer Alkohol-assoziierter Hepatitis mangele es bislang an standardisierten Leitlinien für das Management nach der Entlassung, heißt es in der Veröffentlichung. Das habe die Autoren veranlasst, wichtige Aspekte zusammenzustellen.

Lebererkrankung prägt die Kurzzeitergebnisse

Die Behandlung von Patienten mit einer kürzlich aufgetretenen schweren Alkohol-assoziierten Hepatitis erfordere einen zweigleisigen Ansatz und ein gemeinsames Patientenmanagement von Gastroenterologen/Hepatologen und Suchtspezialisten. Dieses multidisziplinäre Management verbessere die Ergebnisse und senke die Kosten im Gesundheitswesen, schreiben die Autoren.

Während Alkoholabstinenz für die Genesung unerlässlich bleibe, sei vor allem der Schweregrad der hepatischen Dekompensation entscheidend für die Sterblichkeit in den ersten 6 Monaten nach der Entlassung.

Die Erkrankung umfassend behandeln

Akshay und Kollegen haben nun einen Algorithmus für die ambulante Versorgung erstellt. Patienten sollten aufgrund ihres Risikos einer hepatischen Dekompensation in den Monaten nach der Entlassung engmaschig überwacht werden. Dazu zählen Untersuchungen auf Infektionen, aber auch Standard-Laboruntersuchungen.

Die meisten Patienten mit schwerer Alkohol-assoziierter Hepatitis seien aufgrund einer sich entwickelnden Zirrhose auch dem Risiko einer portalen hypertensiven Dekompensation ausgesetzt, schreiben die Autoren. Sie empfehlen, Patienten auf hepatische Enzephalopathien (HE) sowie auf Aszites und Varizenblutungen hin zu untersuchen.

Bei der hepatischen Enzephalopathie raten die Spezialisten, bereits niedrigschwellig eine Behandlung mit Lactulose (um den Dickdarm anzusäuern) und mit dem Antibiotikum Rifaximin einzuleiten. Außerdem schlagen sie vor, dass „die Behandlung von Aszites konservativ sein sollte, mit strikter Einhaltung einer Natrium-armen Diät als erster Maßnahme“.

Ein Hauptproblem bei Patienten mit schwerer Alkohol-assoziierter Hepatitis nach der Entlassung sei Mangelernährung, und zwar bei bis zu 100% aller Patienten, so die Autoren. Diese sei mit dem Schweregrad der Lebererkrankung, einschließlich Dekompensation und Sterblichkeit, assoziiert.

Bei Patienten mit Mangelernährung besteht die Gefahr, dass sie in einen katabolen Hungerzustand geraten. Die Autoren empfehlen Patienten deshalb, über den Tag verteilt mehrere kleine Mahlzeiten einzunehmen, inklusive später Abendimbisse.

Längerfristig sollten Patienten mit schwerer Alkohol-assoziierter Hepatitis auf eine fortgeschrittene Fibrose hin untersucht werden. Allerdings sei die frühe Diagnose oft schwierig, da klinische Befunde und Laborergebnisse typischerweise denen einer Leberzirrhose ähneln würden, schreiben die Autoren.

Entscheidend sei, Patienten rasch auf die Warteliste für eine Leber zu setzen. „Eine frühzeitige Lebertransplantation geht mit hervorragenden Transplantationsergebnissen einher“, heißt es weiter.

Die Alkoholkonsumstörung gezielt behandeln

Wie gut die Ergebnisse langfristig sind, hängt stark davon ab, ob es gelingt, die Alkoholkonsumstörung zu kontrollieren. Alkohol sei bei diesen Patienten direkt mit einer höheren Sterblichkeitsrate und Dekompensation verbunden, betonen die Experten. Sie empfehlen eine vollständige Abstinenz für Patienten, die sich von Alkohol-assoziierter Hepatitis erholen, und definieren Rückfall dabei als jeglichen Alkoholkonsum.

Shetty erklärte, Ärzte würden sich meist vorrangig der akuten Lebererkrankung widmen. Oft werde vergessen, warum Patienten das Leiden überhaupt entwickelt hätten. „Wir tun unser Bestes, um die Lebererkrankung zu behandeln, und es wird nicht viel gegen die Alkoholkrankheit unternommen, die ein Patient möglicherweise im Hintergrund hat.“

Ärzte würden oft davon ausgehen, dass es ausreiche, Patienten bei ihrer Lebererkrankung zu helfen – die Patienten würden die Lektion selbst lernen und mit dem Trinken aufhören. Stattdessen sollten alle Patienten auf eine Alkoholmissbrauchsstörung hin untersucht werden und sich zunächst monatlich einer Überwachung mit Alkohol-Biomarkern unterziehen, raten Shetty und seine Kollegen.

 
Wir tun unser Bestes, um die Lebererkrankung zu behandeln, und es wird nicht viel gegen die Alkoholkrankheit unternommen (…). Akshay Shetty
 

Außerdem sollten die Patienten an einen Spezialisten für Suchtkrankheiten überwiesen werden – wo eine Kombination aus Psychotherapie, Selbsthilfegruppen und Pharmakotherapie auf die individuellen Bedürfnisse der Patienten zugeschnitten werden kann.

Ein multidisziplinäres Management, bei dem Hepatologen, Psychiater, Psychologen, Pflegefachkräfte und Sozialarbeiter zu Rate gezogen würden, habe „vielversprechende Ergebnisse bei der Behandlung der Alkoholmissbrauchsstörung, der Verbesserung der Lebererkrankung und der Verringerung der Gesundheitsbelastung“ gezeigt.

Die Autoren betonen, zumindest kurzfristig sei ein gewisses Engagement des Patienten erforderlich, um eine therapeutische Beziehung zwischen Arzt und Patient aufzubauen und die Compliance zu fördern.

Immer noch ein schambehaftetes Thema

„Patienten mit Alkoholkonsumstörung zögern nach wie vor, sich behandeln zu lassen“, schreiben die Autoren. Es sei schwierig, die Wissenslücken in Bezug auf die Therapie der Alkoholkonsumstörung und auf deren Erfolg zu schließen.

Shetty erklärte, dass die Einbindung der Patienten wahrscheinlich der schwierigste Aspekt sei. Das liege zum Teil daran, dass Erkrankte oft keine Einsicht hätten, aber auch mit Stigmatisierung, Scham und Selbstvorwürfen kämpfen würden. Alles in allem verzögere dies den Therapiebeginn.

Shetty ist der Ansicht, dass das Stigma der Alkoholabhängigkeit nur durch eine bessere Aufklärung von Patienten und Leistungserbringern abgebaut werden kann. In der wissenschaftlichen Literatur würden Autoren den Begriff „Alkoholiker“ mittlerweile vermeiden; vielmehr sei von einer „Störung des Alkoholkonsums“ die Rede.

„Aber es wird lange dauern, bis dieser didaktische Aspekt wirklich greift, daher ist es aus der Sicht von Ärzten wichtig, bei der Behandlung dieser Patienten aufgeschlossen zu sein“, sagte er. „Das bedeutet, dass man sich nicht nur auf den medizinischen Aspekt konzentriert, sondern versucht, die Person, die zu einem kommt, um Hilfe zu bekommen, wirklich wahrzunehmen und ihre Beweggründe für die Inanspruchnahme der medizinischen Versorgung zu verstehen.“

Shetty: „Trotz all dieser Dinge kann es für manche Patienten immer noch sehr schwierig und unangenehm sein. Es sind mehrere Termine nötig, um eine echte Beziehung zu ihnen aufzubauen und ein Gefühl dafür zu bekommen, wie man sie dazu bringen kann, die schwierigen Aspekte der Krankheit mitzuteilen“, sagt Shetty.

Multidisziplinäres Management für optimale Ergebnisse

Die Ärztin Nancy S. Reau, Vorsitzende der Hepatologie am Rush Medical College in Chicago, Illinois, stimmte zu, dass sowohl das Risiko für hepatische Dekompensation und Alkoholmissbrauchsstörung als auch die Vorteile eines multidisziplinären Managements der Patienten und die Bedeutung des Engagements der Patienten für erfolgreiche Ergebnisse berücksichtigt werden müssten.

„Als Hepatologen sind wir oft am besten in der Lage, die Lebererkrankung zu behandeln, aber wenn man sich nicht auch um die Alkoholkrankheit kümmert, wird der Patient kein optimales Ergebnis haben“, erklärte sie gegenüber Medscape. „Die meisten Patienten mit schwerer Alkohol-assoziierter Hepatitis haben eine Zirrhose, was eine langfristige Nachsorge unerlässlich macht.“ Sie hätten ein erhöhtes Risiko für Leberkomplikationen, bräuchten aber auch eine aggressive Ernährungsunterstützung und ein Suchtmanagement, sagte sie. „Wenn es ihnen besser geht, können sie in der Regel die intensive Behandlung fortsetzen.“

 
Als Hepatologen sind wir oft am besten in der Lage, die Lebererkrankung zu behandeln, aber wenn man sich nicht auch um die Alkoholkrankheit kümmert, wird der Patient kein optimales Ergebnis haben. Nancy S. Reau
 

Der Suchtpsychiater Akhil Anand, Ko-Direktor des multidisziplinären Alkoholprogramms an der Cleveland Clinic, wies ebenfalls auf die Zunahme der Fälle von Alkohol-bedingter Hepatitis aufgrund des steigenden Alkoholkonsums hin. Die Übersichtsarbeit „bietet einen zeitgemäßen, umfassenden und neutralen Überblick“ darüber, wie die Erkrankung zu behandeln sei und auch darüber, „wie man in dieser lebensbedrohlichen Situation eine gleichzeitig auftretende Alkoholkonsumstörung behandelt“, sagte er gegenüber Medscape.

Der Beitrag ist im Original erschienen auf www.medscape.com und wurde von Michael van den Heuvel übersetzt und adaptiert.

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