So verbessert sich Sex nach Prostatakrebs; mehr Brustkrebs-Überdiagnosen mit steigendem Alter; Nebenwirkungen von PD1-Inhibitoren

Dr. Susanne Heinzl

Interessenkonflikte

8. August 2023

Im Onko-Blog dieser Woche berichten wir unter anderem darüber, dass beim Brustkrebs-Screening Überdiagnosen mit steigendem Alter zunehmen. Ein Capecitabin-induziertes Hand-Fuß-Syndrom kann durch topisches Diclofenac gemildert werden. Bei Männern mit Prostatakarzinom kann körperliches Training sexuelle Funktionsstörungen bessern. Immunvermittelte Nebenwirkungen von PD1-Inhibitoren können auch noch lange nach Absetzen der Therapie anhalten.

  • Mammakarzinom: Häufig Überdiagnose beim Screening Älterer

  • Mammakarzinom: Topisches Diclofenac verhindert Capecitabin-assoziiertes Hand-Fuß-Syndrom

  • Prostatakarzinom: Körperliches Training bessert sexuelle Funktionsstörungen

  • Ovarialkarzinom: Neue biologische Marker zur Vorhersage auf Therapieansprechen

  • Melanom: Immunvermittelte Nebenwirkungen bei Anti-PD1-Therapie können lange anhalten

  • Höheres Krebsrisiko nach Thymektomie

Mammakarzinom: Häufig Überdiagnose beim Screening Älterer

Nach den Ergebnissen einer retrospektiven Kohortenstudie mit über 50.000 Frauen kann es durch Brustkrebs-Vorsorgeuntersuchungen bei Frauen über 70 Jahren relativ häufig zu Überdiagnosen kommen. Eine Arbeitsgruppe an der Yale School of Medicine, New Haven, hat die Daten in den  Annals of Internal Medicine publiziert.

Der Nutzen einer Brustkrebs-Screenings bei älteren Frauen wird unterschiedlich beurteilt. Zu möglichen Nachteilen gehört eine Überdiagnose, die auch die Entdeckung einer Krebserkrankung sein kann, die aber im weiteren Leben der betroffenen Frau keine Symptome verursacht hätte.

Die Arbeitsgruppe analysierte retrospektiv in einer Kohortenstudie die Daten von  54.635 Frauen im Alter von 70 Jahren und älter, die kürzlich auf Brustkrebs gescreent worden waren. Sie fand, dass das Risiko einer Überdiagnose mit zunehmendem Alter deutlich stieg. Bei Frauen im Alter von 70 bis 74 Jahren waren ca. 31% der festgestellten Brustkrebserkrankungen überdiagnostiziert,  bei Frauen im Alter von 74 bis 84 Jahren waren es bis zu 47%. Das Risiko einer Überdiagnose war bei Frauen im Alter von 85 Jahren und älter am höchsten (Rate bis zu 54%). Außerdem ergab sich durch das Screening keine signifikante Verringerung der brustkrebsspezifischen Todesfälle. 

Mammakarzinom: Topisches Diclofenac verhindert Capecitabin-assoziiertes Hand-Fuß-Syndrom

Topisch appliziertes Diclofenac kann die Häufigkeit eines Hand-Fuß-Syndroms aller Schweregrade bei Brustkrebs-Patientinnen vermindern, die mit Capecitabin behandelt werden. Der Einsatz von Diclofenac führte auch zu weniger Capecitabin-Dosisreduktionen. Dies ergab eine explorative Subgruppenanalyse der D-ToRCH-Studie (Diclofenac-topical for reduction of capecitabine related HFS), die beim ASCO Breakthrough in Yokohama Anfang August 2023 vorgestellt worden ist (Abstract 18). 

In der D-ToRCH-Studie erhielten 264 Patienten mit Brustkrebs oder mit gastrointestinalen Tumoren, die mit Capecitabin behandelt wurden, randomisiert Diclofenac Gel 1% oder Placebo-Gel.

Die Mammakarzinom-Gruppe umfasste 148 Frauen im medianen Alter von 47 Jahren. Insgesamt entwickelten 20 Frauen ein Hand-Fuß-Syndrom, und zwar 6 im Diclofenac-Arm und 14 im Placebo-Arm (7,8 vs. 19,7%). Bei 3 Frauen unter Diclofenac und 11 unter Placebo war das Hand-Fuß-Syndrom dem Schweregrad 2/3 zuzuordnen. 

Eine Dosisreduktion von Capecitabin war im Diclofenac-Arm bei 3,9%, im Placebo-Arm bei 15,5% nötig. Andere Capecitabin-Nebenwirkungen wie Durchfall, Mukositis und Myelosuppression traten in beiden Armen ähnlich häufig auf. 

Prostatakarzinom: Körperliches Training bessert sexuelle Funktionsstörungen

Überwachtes Krafttraining und Aerobic können die Sexualfunktion bei Männern mit Prostatakarzinom bessern. Dies ergab eine randomisierte Studie mit 112 Patienten, die beim ASCO Breakthrough in Yokohama Anfang August 2023 vorgestellt worden ist (Abstract 71). Außerdem verhinderten die Übungen eine Zunahme an Körperfett, besserten die körperlichen Funktionen sowie die Muskelkraft.

Sexuelle Funktionsstörungen sind häufige und belastende Nebenwirkungen der Therapie von Prostatakarzinomen. In einer 3-armigen, multizentrischen Parallelgruppenstudien erhielten 112 Patienten randomisiert über 6 Monate ein beaufsichtigtes Krafttraining und Aerobic 3-mal wöchentlich ohne (n=39) und mit psychosexueller Therapie (n=36) beziehungsweise die normale Versorgung (n=37).

Die erektile Funktion erhöhte sich mit Training um 5,1 Punkte, ohne Training um 1 Punkt. Die Zufriedenheit beim Geschlechtsverkehr nahm mit Training um 2,2 Punkte, ohne Training um 0,2 Punkte zu. Die psychosexuelle Therapie hatte keinen weiteren Effekt.

„Diese Daten erweitern die Kenntnisse zum Nutzen von Bewegung für Patienten mit Prostatakrebs und umfassen auch sexuelle Funktionsstörungen, was die Bedeutung körperlicher Aktivität für diese Patienten unterstreicht“, so Dr. Peter Paul Yu, Hartford HealthCare Cancer Institute, Hartford, in einer Pressemitteilungder ASCO.

Ovarialkarzinom: Neue biologische Marker zur Vorhersage auf Therapieansprechen

Forscher der Icahn School of Medicine am Mount Sinai in New York und Kollegen haben mit Hilfe einer neuen proteogenomischen Strategie eine 64-Protein-Signatur identifiziert, um zu prognostizieren, welche Eierstockkrebs-Patientinnen wahrscheinlich nicht auf eine Chemotherapie ansprechen. Die multizentrische Studie ist in  Cell  publiziert.

Die Arbeitsgruppe analysierte 242 Tumorproben von Frauen mit hochgradigem serösem Ovarialkarzinom, die Chemotherapie-refraktär oder Chemotherapie-sensitiv waren. Sie fanden eine Gruppe von 64 Proteinen, mit deren Hilfe sich vorhersagen lässt, welche Tumoren auf eine platinbasierte Erstlinientherapie nicht ansprechen. Dies wurde in 2 unabhängigen Patientenkohorten bestätigt. 

Außerdem identifizierte die Arbeitsgruppe anhand der Proteogenomik-Daten 5 neue Subgruppen eines hochgradig serösen Ovarialkarzinoms, die in 2 Patientengruppen und in Tumormodellen der Maus validiert wurden. Diese Befunde deuten darauf hin, dass bei diesen Tumoren möglicherweise unterschiedliche Therapiestrategien erforderlich sind.

Melanom: Immunvermittelte Nebenwirkungen bei Anti-PD1-Therapie können lange anhalten

Immunvermittelte Nebenwirkungen einer adjuvanten Therapie mit PD1-Inhibitoren können noch Monate nach Therapieende anhalten, so die Ergebnisse einer retrospektiven, multizentrischen Kohortenstudie mit den Daten von 318 Patienten mit fortgeschrittenem und metastasiertem Melanom. Sie ist in  JAMA Network Open erschienen.

Von 318 Patienten entwickelten unter der adjuvanten Anti-PD1-Tnerapie 63,7% akute immunvermittelte Nebenwirkungen (irAE). In 13,8% der Fälle waren sie vom Schweregrad 3-5. Chronische irAE, die mindestens 3 Monate nach Ende der Therapie anhielten, wurden bei 46,2% der Patienten boebachtet, wovon 50,3% dem Schweregrad 2 oder höher und 4,1% dem Schweregrad 3 bis 5 zuzuordnen waren. 68% waren symptomatisch.

Beim Langzeit-Follow-Up über 2,9 Jahre im Median klangen chronische irAE bei 36,7% der Patienten ab. Im Median dauerte es 11,9 Monate ab dem Ende der Therapie, bis die irAE verschwunden waren.

Von 29,2% aller Patienten der ursprünglichen Kohorte mit persistierenden irAE waren 44% symptomatisch, 25,8% verwendeten systemische Steroide. Hiervon wurden die Steroide bei 67% zur Substitution bei Hypophysitis oder Nebenniereninsuffizienz eingesetzt.

Diese Ergebnisse zeigen nach Aussage der Autoren die Notwendigkeit einer langfristigen Überwachung und Behandlung von Patienten, die mit PD1-Inhibitoren behandelt wurden.

Höheres Krebsrisiko nach Thymektomie

Eine Thymektomie ist mit einem erhöhten Gesamt-Sterberisiko und einem erhöhten Krebsrisiko assoziiert, so eine im  New England Journal of Medicine  publizierte retrospektive Studie aus Boston. 

„Insgesamt unterstützen diese Ergebnisse die Rolle der Thymusdrüse bei der Produktion neuer T-Zellen im Erwachsenenalter und bei der Erhaltung der Gesundheit. Die durch die Thymektomie verursachte Störung der Homöostase reicht aus, um die Gesundheit der Betroffenen negativ zu beeinflussen. Dies ist ein starkes Argument dafür, dass der Thymus des Erwachsenen funktionell wichtig ist“, so die Schlussfolgerung der Autoren.

Bei Herz-Thorax-OPs kommt es relativ häufig zu einer Thymektomie, weil sich das Organ in der Brust vor dem Herzen liegt und Chirurgen einen Zugang zum Operationsfeld benötigen. Bislang galt die Entfernung bei Erwachsenen als sicher, weil sich die Thymusdrüse mit zunehmendem Alter zurückbildet.

Die Arbeitsgruppe analysierte nun das Risiko für Tod, Krebs und Autoimmunerkrankungen bei 1.146 Erwachsenen, die sich einer Thymektomie unterzogen hatten, im Vergleich zu 6.021 Kontrollpersonen ohne Thymektomie. 

5 Jahre nach der Operation hatten Erwachsene mit Thymektomie ein mindestens doppelt so hohes Risiko zu sterben oder an Krebs zu erkranken als Erwachsene ohne Thymektomie:

  • Gesamtmortalität 8,1% vs. 2,8%; relatives Risiko (RR) 2,9

  • Krebsrisiko 7,4% vs. 3,7%; RR 2,0

Das Risiko einer Autoimmunerkrankung unterschied sich zwischen den Gruppen in der gesamten Kohorte nicht wesentlich (RR 1,1). Wurden jedoch Patienten mit präoperativer Infektion, Krebs oder Autoimmunerkrankung ausgeschlossen, traten Autoimmunerkrankungen nach Thymektomie häufiger auf: 12,3% vs. 7,9%; relatives Risiko 1,5.

Die Studie wird im begleitenden Editorial als „bahnbrechend“ eingestuft. „Es ist bemerkenswert, dass die Möglichkeit, dass eine Thymektomie bei Erwachsenen ohne zugrunde liegende pathologische Erkrankung schädliche Effekte haben könnte, erst 25 Jahre später eingehend untersucht wurde“, heißt es weiter.

Die Studie habe wichtige Auswirkungen auf die Versorgung von Patienten, die sich einer Herz-Thorax-Operation unterziehen, und sie spreche entschieden gegen eine vollständige Thymektomie, wenn sie vermieden werden könne.

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Kommentar

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