Werbung für Chips und Limo bald Geschichte? Ernährungsminister Cem Özdemir will Werbung für ungesunde Lebensmittel beschränken

Christian Beneker

Interessenkonflikte

2. August 2023

Ernährungs- und Landwirtschaftsminister Cem Özdemir (B90/ Die Grünen) will Gesundheitspolitik machen und Werbung für ungesunde Lebensmittel per Gesetz verbieten. Erst im Februar hat er einen entsprechenden Referentenentwurf des Gesetzes vorgelegt. Kinderärzte und Nahrungsmittelinitiativen begrüßten nun das Vorhaben. Die Herstellerverbände hingegen kritisierten es.

Chips und Burger, süße Limos und fette Würstchen – lecker! Aber ungesund. Wenn es nach Ernährungsminister Cem Özdemir ginge, müsste die Werbung für solches Junkfood – wenn sie an Kinder gerichtet ist – von Plakatwänden und aus der Fernsehwerbung verschwinden. Tatsächlich soll die an Kinder unter 14 Jahren gerichtete Werbung für Lebensmittel mit zu viel Zucker, Salz oder Fett künftig nicht mehr erlaubt sein, heiße es in einem Referentenentwurf zum Thema, so das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) in einer Pressemitteilung. Es handelt sich um das Kinder-Lebensmittel-Werbegesetz (KLWG).

 
Seit Monaten wird die Öffentlichkeit von Befürwortern eines Werbeverbotes hinters Licht geführt, in dem behauptet wird, dass ihre Forderungen auf den Ergebnissen wissenschaftlicher Studien beruhen. Christoph Minhoff
 

Der Entwurf wolle nun die Kommunikationskanäle beschneiden, die die Hersteller zu den Kindern gefunden haben, um für ihre Produkte zu werben. Dazu gehören Außenwerbung, Fernseh- und Rundfunkwerbung und Lebensmittelwerbung, die zwar nicht speziell auf Kinder zugeschnitten sind, aber sich im sogenannten „Werbeumfeld“ von Kindern befinden, etwa im 100-Meter-Umkreis von Freizeiteinrichtungen oder Schulen oder Spielplätzen.

Die Fernsehwerbung für ungesunde Lebensmittel für Kinder soll verboten werden, „wenn sie zwischen 6 und 23 Uhr betrieben und damit bewusst in Kauf genommen wird, dass sie regelmäßig insbesondere auch von Kindern wahrgenommen wird bzw., wahrgenommen werden kann“, teilt das BMEL mit.

Lebensmittelverband spricht von „Verbrauchertäuschung“

Den Zusammenhang von Werbung und Übergewicht sieht hingegen der Lebensmittelverband Deutschland nicht und übt harsche Kritik an Özdemirs Initiative. Es gebe nachweislich keine wissenschaftliche Evidenz für einen Kausalzusammenhang zwischen Werbung und Übergewicht. Das habe ein entsprechendes Gutachten von Katharina Müller (STAT-GmbH) und Prof. Walter Krämer (TU Dortmund) im Auftrag des Lebensmittelverbandes Deutschland ergeben.

„Seit Monaten wird die Öffentlichkeit von Befürwortern eines Werbeverbotes hinters Licht geführt, in dem behauptet wird, dass ihre Forderungen auf den Ergebnissen wissenschaftlicher Studien beruhen“, so Christoph Minhoff, Hauptgeschäftsführer des Lebensmittelverbandes. „Diese Verbrauchertäuschung wird jetzt entlarvt.“

 
Daten belegen, dass Kindermarketing das Risiko erhöht, überschüssiges Gewicht zuzulegen. Thomas Fischbach
 

Unter der Kritik ist Özdemir zurückgerudert und hat in dem Interview mit der Rheinischen Post einen Kompromissvorschlag auf den Tisch gelegt. Danach soll unter anderem das Fernsehwerbeverbot für ungesunde Lebensmittel auf die Kinder-Prime-Time beschränkt werden, also auf werktags von 17 bis 22 Uhr, auf samstags zusätzlich von 8 bis 11 Uhr und sonntags von 8 bis 22 Uhr. Im Hörfunk soll es keine Sendezeit-Regelung geben und neben Milch und ungesüßten Fruchtsäften soll auch nicht nachgesüßter Joghurt unter die Ausnahmen fallen.

Zustimmung kommt von Kinderärzten und Verbraucherorganisationen

Das Bündnis für Kinder- und Jugendgesundheit begrüßte unterdessen den Vorstoß Özdemirs. „Daten belegen, dass Kindermarketing das Risiko erhöht, überschüssiges Gewicht zuzulegen“, beharrte Thomas Fischbach, Vorsitzender des Bündnisses und zugleich Präsident des Berufsverbandes der Kinder und Jugendärzt*innen e.V. (BVKJ), auf der Position Özdemirs. „Aus Sicht des Bündnisses Kinder- und Jugendgesundheit ist es eine Frage der Chancengerechtigkeit, dass alle Kinder, egal aus welchen Familien sie stammen, mit gesunden Lebensmitteln aufwachsen können“, so Fischbach weiter.

 
Auch eine deutliche Mehrheit der Bundesbürgern und -bürgerinnen hält Werbebeschränkungen für unausweichlich, um Fehlernährung bei Kindern zu bekämpfen. Luise Molling
 

Auch die Verbraucherorganisation foodwatch unterstützt das KLWG und verweist auf den Willen der Bundesbürger. „Nicht nur medizinische Fachgesellschaften, Kinderrechts- und Verbraucherorganisationen, sondern auch eine deutliche Mehrheit der Bundesbürgern und -bürgerinnen hält Werbebeschränkungen für unausweichlich, um Fehlernährung bei Kindern zu bekämpfen“, erklärte Luise Molling von foodwatch.

„Wir präsentieren einen guten Vorschlag, der gerne noch ergänzt werden darf“, sagte Özdemir der Rheinischen Post. „Dann werden wir schnell ins Kabinett kommen.“

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