Im aktuellen Onko-Blog berichten wir unter anderem über Langzeitergebnisse der SIENDO-Studie zum Einsatz von Selinexor beim fortgeschrittenen/rezidivierten Endometriumkarzinom und über Ergebnisse der CARES-310-Studie zur First-Line-Therapie eines Leberkarzinoms mit Camrelizumab plus Apatinib.
Zweifellos wird sich der Klimawandel auch auf die Gesundheit der Menschen auswirken – eine US-amerikanische Kohortenstudie ergab nun, dass Patienten nach Operation eines Lungenkarzinoms kürzer lebten, wenn sie nach der OP einem Waldbrand ausgesetzt waren. Mit Hilfe moderner Therapieverfahren gelingt es, dass jüngere Myelom-Patienten immer länger überleben.
Endometriumkarzinom: Erhaltungstherapie mit Selinexor verlängert das PFS bei TP53-Wildtyp
Leberkrebs: First-Line-Therapie mit PD-1-Hemmer und TKI verlängert PFS und OS
Lungenkrebs: Waldbrand-Exposition mit kürzerer postoperativer Überlebenszeit assoziiert
Nierenzellkarzinom: Höheres Hypertonie-Risiko bei jüngeren Patienten bei Behandlung mit VEGF-Inhibitoren
Multiples Myelom: Jüngere Patienten können nach auto-HCT lange überleben
MGUS: Häufigkeit von Komorbiditäten bislang oft falsch eingeschätzt
Endometriumkarzinom: Erhaltungstherapie mit Selinexor verlängert das PFS bei TP53-Wildtyp
Bei Frauen mit fortgeschrittenem oder rezidiviertem Endometriumkarzinom vom TP53-Wildtyp kann eine Erhaltungstherapie mit Selinexor im Anschluss an eine systemische Therapie im Vergleich zu Placebo das progressionsfreie Überleben (PFS) signifikant verlängern (HR 0,42), so die Langzeitauswertung der Phase-3-Studie SIENDO, die bei der Plenarserie der ASCO am 25. Juli 2023 vorgestellt worden ist.
Die Therapieoptionen für Frauen mit fortgeschrittenem/rezidiviertem Endometriumkarzinom haben sich in den letzten Jahren verbessert. Molekulare Marker, etwa hochgradige Mikrosatelliteninstabilität (MSI-H), können Therapieentscheidung erleichtern. Einige Immuncheckpoint-Inhibitoren zeigten bei MSI-H/dMMR-Tumoren eine gute Wirkung, während die Effekte bei MSS/pMMR-Karzinomen begrenzt waren. Dabei steht dMMR für „deficient mismatch repair“ (defektes DNA-Reparatursystem).
Etwa 50% der fortgeschrittenen Endometriumkarzinome weisen einen TP53-Wildtyp-Status auf, von diesen wiederum sind etwa 70% MSS/pMMR.
Selinexor ist in der EU bislang bei vorbehandeltem multiplem Myelom zugelassen. Es ist ein oraler Exportin-1-Hemmer (XPO1), der den XPO1-vermittelten Export verschiedener Tumorsuppressor-Proteine einschließlich Wildtyp p53 verhindert.
Die primäre Analyse der Phase-3-Studie SIENDO hatte ergeben, dass eine Erhaltungstherapie mit Selinexor das PFS im Vergleich zu Placebo in der Gesamtgruppe nur von 3,8 auf 5,7 Monate, in der Untergruppe der Frauen mit TP53-Wildtyp jedoch auf 13,7 Monate verlängerte.
Die Langzeit-Nachbeobachtung über 25,3 Monate im Median zeigte nun, dass 77 Frauen mit Wildtyp-TP32 unter Selinexor ein deutlich längeres PFS von 27,4 Monaten aufwiesen als 36 Frauen unter Placebo mit 5,2 Monaten (Hazard-Ratio 0,42, p = 0,0003). 79 Frauen mit mutiertem TP53 hatten mit einem PFS von 4,2 Monaten ein schlechteres Ergebnis, als die 47 Frauen in der Placebo-Gruppe mit 5,4 Monaten.
Nach Aussage der Autoren deuteten die Ergebnisse auch darauf hin, dass der TP53-Wildtyp ein prognostischer Marker für das Ansprechen auf Selinexor sei.
Leberkrebs: First-Line-Therapie mit PD-1-Hemmer und TKI verlängert PFS und OS
Bei Patienten mit nicht resezierbarem hepatozellulären Karzinom verlängerte die Erstlinien-Kombinationstherapie mit dem PD1-Inhibitor Camrelizumab und dem VEGF-Hemmer Apatinib (Rivoceranib) das progressionsfreie und das Gesamtüberleben im Vergleich zu Sorafenib. Dies ergab die offene, randomisierte, internationale Phase-3-Studie CARES-310, die im Lancet erschienen ist.
543 Patienten mit nicht vorbehandeltem, inoperablem Leberkrebs erhielten randomisiert Camrelizumab 200 mg i.v. alle 2 Wochen plus Apatinib 250 mg oral 1mal täglich oder Sorafenib 400 mg oral 2mal täglich. Die Patienten waren im Mittel 58 Jahre alt, 84% waren Männer und 83% Asiaten.
Bei den 272 Patienten der Kombinationsgruppe verbesserten sich PFS und OS im Vergleich zur Sorafenib-Gruppe. Das PFS nahm mit der Kombi von 3,7 Monaten auf 5,6 Monate zu (HR 0,52), das OS von 15,2 auf 22,1 Monate (HR 0,62). Das ist die derzeit längste Gesamtüberlebensrate, die unter einer systemischen Behandlung in einer Phase-3-Studie bei inoperablem hepatozellulärem Karzinom beobachtet worden ist. Die Ansprechrate war mit 25% in der Kombi-Gruppe ebenfalls höher als mit 6% in der Sorafenib-Gruppe.
Nach Meinung der Autoren stellt die Kombination aus Camrelizumab und Apatinib eine neue und wirksame Option für die Erstlinienbehandlung bei dieser Population dar.
Die Autoren des begleitenden Editorials weisen darauf hin, dass die hohe Zahl der asiatischen Patienten in dieser Studie bedinge, dass häufig eine viral bedingte Lebererkrankung vorgelegen habe. In nicht asiatischen Ländern sei eine nicht-alkoholisch bedingte Fettleber wichtigste Ursache des Leberkarzinoms. Man müsse deshalb bei der Generalisierung der Studienergebnisse vorsichtig sein.
Außerdem sei Sorafenib als Standardtherapie veraltet. Man müsse die Ergebnisse dieser Kombination eher im Kontext mit anderen Kombinationstherapien wie Atezolizumab/Bevacizumab oder Durvalumab/Tremelimumab betrachten.
Lungenkrebs: Waldbrand-Exposition mit kürzerer postoperativer Überlebenszeit assoziiert
Sind Patienten nach der Operation eines Lungenkarzinoms einem Waldbrand ausgesetzt, ist dies mit einer kürzeren Überlebenszeit assoziiert. Eine US-amerikanische Arbeitsgruppe fand dies in einer Kohortenstudie, deren Ergebnisse in JAMA Oncology erschienen sind. Angesichts der zunehmenden Waldbrände aufgrund des Klimawandels deuten die Ergebnisse dieser Studie nach Aussage der Autoren darauf hin, dass die Identifizierung medizinisch gefährdeter Bevölkerungsgruppen, wie z. B. von Patienten mit Lungenkrebs, für die Katastrophenvorsorge und -reaktion von großer Bedeutung sei.
Von den 466.912 in die Studie einbezogenen Personen waren 48.582 (10,4%) einem Waldbrand zwischen 0 und 3 Monaten, 48.328 (10,6%) zwischen 4 und 6 Monate und 71.735 (15,3%) zwischen 7 und 12 Monaten nach der Entlassung aus dem Krankenhaus nach einer kurativen Operation eines NSCLC ausgesetzt. Die mediane Nachbeobachtungszeit betrug 39 Monate.
In allen Gruppen war das Gesamtüberleben schlechter als bei Patienten, die keinem Waldbrand ausgesetzt waren: In der Gruppe mit einer Waldbrandexposition von 0 bis 3 Monaten nach Entlassung lag die adjustierte Hazard-Ratio bei 1,43, bei 4 bis 6 Monaten bei 1,39 und bei 7 bis 12 Monaten bei 1,17.
Das höhere Sterberisiko von operierten NSCLC-Patienten durch einen Waldbrand, die erst vor kurzem aus dem Krankenhaus entlassen wurden, erklären die Autoren damit, dass sie möglicherweise durch die sozialen, psychischen und physischen Gefahren eines Waldbrands besonders gefährdet sind.
Nierenzellkarzinom: Höheres Hypertonie-Risiko bei jüngeren Patienten bei Behandlung mit VEGF-Inhibitoren
Jugendliche und junge Erwachsene (AYAs) mit Nierenzellkarzinom haben bei der Behandlung mit VEGF-Inhibitoren häufig Bluthochdruck. „Dieses Ergebnis legt nahe, dass auch Personen ohne Risikofaktoren wie höheres Alter, Übergewicht und männliches Geschlecht einem erheblichen Risiko ausgesetzt sind, bei Behandlung mit diesen Substanz eine Hypertonie zu bekommen“, so die Autoren im Journal of the National Comprehensive Cancer Network .
Sie hatten retrospektiv die Daten von 1.572 Patienten aus der ASSURE-Studie der ECOG-ACRIN Cancer Research Group analysiert. 103 Patienten gehörten zu Gruppe der AYAs und waren zwischen 18 und 39 Jahre alt. Randomisiert waren alle Patienten mit Sunitinib, Sorafenib oder Placebo behandelt worden.
Während der 54-wöchigen Behandlung unterschied sich die Häufigkeit einer linksventrikulären Funktionsstörung Inzidenz zwischen AYAs (3%) und älteren Personen (2%) nicht signifikant.
Eine Hypertonie war bei den AYAs im Placebo-Arm signifikant seltener als bei älteren Menschen (8 versus 46%). In der Sunitinib-Gruppe kam es bei 29% der AYAs und 47% der Nicht-AYAs zum Bluthochdruck, in der Sorafenib-Gruppe bei 54 versus 63%.
Multiples Myelom: Jüngere Patienten können nach Auto-HCT lange überleben
Jüngere Erwachsene mit neu diagnostiziertem multiplem Myelom, die eine autologe Stammzelltransplantation (Auto-HCT) erhalten, haben ein mittleres progressionsfreies Überleben (PFS) von etwa 3,5 Jahren und ein mittleres Gesamtüberleben (OS) von 12 Jahren. Dies ergab eine retrospektive Studie aus dem MD Anderson Cancer Center in Houston, die im British Journal of Haematology erschienen ist.
Von 117 jüngeren Patienten im medianen Alter von 37 Jahren erreichten 10% vor der Transplantation eine mindestens vollständige Remission (≥ CR) und 44% eine zumindest sehr gute teilweise Remission (≥VGPR). Nach der Transplantation wiesen 56 bzw. 77 % eine ≥CR bzw. eine ≥VGPR auf. Medianes PFS und OS dauerten 43,1 bzw. 146,6 Monate.
Im Vergleich zu früher transplantierten Patienten hatten Patienten, die sich nach 2010 einer Auto-HCT unterzogen, ein besseres mittleres PFS (84,9 gegenüber 28,2 Monaten) und ein besseres Gesamtüberleben (nicht erreicht versus 91,8 Monaten). Eine ≥CR als bestes Ansprechen nach der Transplantation war mit einem längeren PFS assoziiert (HR 0,55), eine ≥VGPR ging mit einem längeren Gesamtüberleben einher (HR 0,32).
„Jüngere Patienten mit multiplem Myelom erreichten nach der Auto-HCT ein dauerhaftes Überleben, das sich durch die Verfügbarkeit neuer Medikamente in den letzten Jahren weiter verbesserte“, schreiben die Autoren.
MGUS: Häufigkeit von Komorbiditäten bislang oft falsch eingeschätzt
Nur durch ein systematisches Screening kann erfasst werden, wie hoch das Risiko bestimmter Komorbiditäten bei Patienten mit einer monoklonalen Gammopathie unklarer Signifikanz (MGUS) ist. Dies ist die Schlussfolgerung aus aktuellen Ergebnissen der Iceland Screens, Treats, or Prevents Multiple Myeloma (iStopMM) Study, einer großen prospektiven Populations-basierten Studie in Island, die in Haematologica publiziert sind.
Eine MGUS ist eine asymptomatische Vorläufererkrankung des multiplen Myeloms und verwandter Erkrankungen, die aber auch mit Autoimmunerkrankungen oder soliden Tumoren in Verbindung gebracht wird. Da ein systematisches Screening auf eine MGUS derzeit nicht empfohlen wird, diagnostizieren sie Ärzte typischerweise aufgrund von anderen Grunderkrankungen. Die meisten bisherigen Studien zur Assoziation von MGUS mit anderen Erkrankungen basieren auf klinischen Kohorten, was möglicherweise zu einer Selektionsverzerrung führte.
Unter den über 75.400 Teilnehmer der iStopMM-Studie wurden durch Screening 3.353 Personen mit MGUS identifiziert. Davon waren 240 (7,2%) Fälle zuvor aufgrund einer anderen Grunderkrankung erkannt worden (sog. klinische MGUS).
Personen mit klinischer MGUS hatten mit höherer Wahrscheinlichkeit mindestens eine Komorbidität (Odds Ratio 2,24) und litten unter mehr Komorbiditäten als die gescreente MGUS-Gruppe (3,23 vs. 2,36). Bei klinischer MGUS war es auch wahrscheinlicher, dass die Betroffenen an rheumatologischen (OR 2,98), neurologischen Erkrankungen (OR 2,77), chronischen Nierenerkrankungen (OR 2,55), Lebererkrankungen (OR 2,39), Herzinsuffizienz (OR 2,37) oder endokrinen Störungen (OR 1,61) litten. Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass Personen mit klinischer MGUS mehr Komorbiditäten aufweisen als die allgemeine MGUS-Bevölkerung und dass frühere Studien von einem erheblichen Selektions-Bias betroffen waren.
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Credits:
Photographer: © Elantsev
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Diesen Artikel so zitieren: Mehr Krebs-Tote durch den Klimawandel?; neue Perspektiven beim Endometriumkarzinom und bei Leberkrebs - Medscape - 1. Aug 2023.
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