Bald Aufatmen mit erstem  Biologikum  gegen  COPD Antikörper  Dupilumab hat  in Phase-3-Studie  erfolgreich  Exazerbationen  reduziert

Dr. Angela Speth

Interessenkonflikte

31. Juli 2023

Endlich wieder Aufatmen – und zwar mit einem Biologikum? Was bei Asthma schon längst Realität ist, könnte nun auch für COPD-Patienten wahr werden, jedenfalls wenn sie an einer bestimmten Variante der Erkrankung leiden. Diese Hoffnung erweckt eine Phase-3-Studie: Mit dem Antikörper Dupilumab erlitten Teilnehmer, die zuvor trotz maximaler Therapie schwere Symptome hatten, signifikant weniger Exazerbationen als eine Gruppe mit Placebo. Auch Lungenfunktion und Lebensqualität nahmen während der Therapie stärker zu.

In der Studie namens BOREAS haben Prof. Dr. Surya P. Bhatt von der University of Alabama und seine Kollegen einen Kandidaten für das erste gegen COPD gerichtete Biologikum untersucht.[1]

Wie sie erläutern, blockiert der Wirkstoff einen gemeinsamen Rezeptor für die Interleukine (IL) 4 und 13. Dadurch hemmt er die Übertragung auf Signalwegen, die als Auslöser von Typ-2-Entzündungen bekannt sind. Etwa 20% bis 40% der COPD-Patienten leiden an dieser Form. Kennzeichen sind eine erhöhte Zahl von Eosinophilen und weiterer Entzündungszellen. Sie infiltrieren verstärkt die Lunge und fördern Hypothesen zufolge die typischen pathologischen Prozesse: Hyperreaktivität und Umbau der Atemwege, Schädigung der Epithelbarriere, Fibrose, Abnahme der Lungenfunktion, Hyperplasie der Becherzellen, Dysfunktion der Flimmerhärchen und vermehrte Sekretion von Schleim.

COPD ist die häufigste chronische Atemwegserkrankung

Der Bedarf an Medikamenten ist enorm: „Nach Schätzung der Weltgesundheitsorganisation werden COPD und Begleiterkrankungen bis zum Jahr 2060 mehr als 5,4 Millionen Todesfälle jährlich nach sich ziehen“, berichten die Forscher um Bhatt. Abgesehen von der erhöhten Sterblichkeit verschlechtern selbst weniger schwer verlaufende Exazerbationen die Lebensqualität und machen gehäuft Klinikaufenthalte erforderlich.

Das von den Unternehmen Regeneron und Sanofi hergestellte Dupilumab ist ein humaner monoklonaler Antikörper. Er ist bereits in mehreren Ländern für Indikationen wie atopische Dermatitis, Asthma, chronische Rhinosinusitis mit Nasenpolypen, eosinophile Ösophagitis oder Prurigo nodularis in unterschiedlichen Altersgruppen zugelassen.

 
Nach Schätzung der Weltgesundheitsorganisation werden COPD und Begleiterkrankungen bis zum Jahr 2060 mehr als 5,4 Millionen Todesfälle jährlich nach sich ziehen. Prof. Dr. Surya P. Bhatt und Kollegen
 

Ein Drittel rauchte trotzdem noch

An der BOREAS-Studie nahmen mehr als 900 Erwachsene mit COPD teil, die trotz der üblichen Triple-Therapie aus inhalativen Steroiden, Beta-2-Sympathomimetika und Muskarinrezeptor-Antagonisten (ICS/LABA/LAMA) weiterhin mittelschwere bis schwere Exazerbationen hatten, im vorausgegangenen Jahr durchschnittlich 2,3. 

Die Teilnehmer waren zwischen 40 bis 80 Jahre alt – im Durchschnitt 65 – und erfüllten die Kriterien für eine Typ-2-Entzündung, definiert als eine Zahl von mindestens 300 Eosinophilen pro Mikroliter Blut. Rund zwei Drittel waren Männer, 84% von heller Hautfarbe, 70% hatten früher geraucht. Unglaublich, aber wahr: 30% konnten immer noch nicht auf Zigaretten verzichten.

Subkutane Injektionen alle 2 Wochen

Je ungefähr zur Hälfte erhielten sie randomisiert alle 2 Wochen subkutan entweder 300 mg Dupilumab oder eine Placebo-Injektion.

Der primäre Endpunkt war die jährliche Rate an moderaten oder schweren Exazerbationen, die 0,78 in der Dupilumab-Gruppe gegenüber 1,10 in der Placebo-Gruppe betrug. Anders ausgedrückt: Diese COPD-Manifestation ging mit Dupilumab im Vergleich zu Placebo in einem Jahr um 30% zurück.

Bemerkenswert ist eine Subgruppenanalyse: Bei Patienten mit starker Entzündung – definiert als Konzentration des fraktionierten ausgeatmeten Stickstoffmonoxids (FeNO) von mindestens 20 ppb – ließen die Exazerbationen besonders deutlich nach, nämlich um 38% im Vergleich zu Placebo.

Lungenfunktion und Lebensqualität besserten sich

Als ein sekundärer Endpunkt wurde die Lungenfunktion – das forcierte Exspirationsvolumen vor der Bronchodilatation in 1 Sekunde (FEV1) – zu Beginn und nach 12 Wochen gemessen. Mit Dupilumab nahm es signifikant mehr zu als mit Placebo, nämlich 160 ml zu nur 77 ml. Dieser Unterschied blieb über das ganze Studienjahr bestehen.

Relevant war weiterhin die gesundheitsbezogene Lebensqualität. Zur Bestimmung diente der St. George’s Respiratory Questionnaire: 52% Patienten mit Dupilumab gaben nach einem Jahr als relevant definierte günstigere Werte an als zu Beginn, dagegen nur 43% der Patienten mit Placebo. Nach der Selbsteinschätzung auf der Skala namens Evaluation Respiratory Symptoms für COPD waren auch die Atemwegssymptome schwächer geworden.

„Die klinischen Verbesserungen bestätigen, welche Bedeutung IL-4 oder IL-13 (oder beide) für die Pathophysiologie bei Patienten mit Typ-2-Entzündung haben“, resümieren die Forscher. Durch diese Art der Hemmung trage Dupilumab offenbar dazu bei, Becherzellhyperplasie, Schleimsekretion und Umbau der Atemwege zu bremsen. 

 
Die klinischen Verbesserungen bestätigen, welche Bedeutung IL-4 oder IL-13 (oder beide) für die Pathophysiologie bei Patienten mit Typ-2-Entzündung haben. Prof. Dr. Surya P. Bhatt und Kollegen
 

Keine Sicherheitsmängel gefunden

Die Sicherheit des Medikaments war zufriedenstellend und stimmte mit dem Profil überein, wie es auch für die anderen zugelassenen Indikationen ermittelt worden war. Insgesamt berichteten in BOREAS fast gleich viele Patienten mit Dupilumab (77%) wie mit Placebo (76%) über unerwünschte Ereignisse, am häufigsten über Nasopharyngitis, Infektionen der oberen Atemwege und Kopfschmerzen. Auch Todesfälle waren in beiden Gruppen fast gleich häufig (1,7% mit Placebo, 1,5% mit Dupilumab).

Gewisse Vorbehalte gegen die Ergebnisse entstehen dadurch, dass die Studie während der COVID-19-Pandemie stattfand, geben Bhatt und Kollegen zu bedenken. In dieser Phase könnte sich das Verhalten der Patienten so verändert haben, dass Exazerbationen seltener auftraten. Als Manko erwähnen sie weiterhin, dass Teilnehmer mit dunkler Hautfarbe unterrepräsentiert waren.

NOTUS soll BOREAS bestätigen

Eine Wiederholung dieser Phase-3 -Studie unter dem Namen NOTUS ist im Gange. Ergebnisse werden für 2024 erwartet.

Prof. Dr. Aaron B. Holley von der University in Bethesda in Maryland verweist in einem Kommentar für Medscape  auf einen Widerspruch zu IL-5-Antikörpern. Diese sind nämlich ebenfalls in der Lage, eosinophile Zellen zu eliminieren. Allerdings konnte der IL-5-Antikörper Mepolizumab in seiner Wirksamkeit nicht überzeugen, so dass die US-Arzneimittelbehörde FDA die Zulassung zur Behandlung bei COPD verweigert hat. Eine Studie zum IL-5-Antikörper Benralizumab bei COPD verlief eindeutig negativ.

Das Erstaunliche daran: Die pharmakologischen Befunde entsprachen denen der IL-3/14-Hemmstoffe, und auch im Design waren die Studien ähnlich. Wie lassen sich also die klinischen Unterschiede erklären? Eine aktuelle Veröffentlichung legt nach Holleys Worten nahe, dass die Ursache in Abweichungen innerhalb des komplexen Gitters der Eosinophilen-Subtypen liegt.

Könnte ein zweites Biologikum folgen?

Derzeit werde außerdem der Wirkstoff Tezepelumab gegen COPD erprobt, der sich bereits bei schwerem Asthma bewährt hat. Es handelt sich um einen Antikörper gegen TSLP, kurz für Thymic Stromal Lymphopoietin, das unter anderem im Epithel der Atemwege gebildet wird und dessen Spiegel bei Entzündungen erhöht ist. TSPL gehört zu den sogenannten Alarminen, das sind Zytokine, die in der Reaktionskette nach dem Kontakt mit Allergenen oder Mikroorganismen ganz vorne stehen. 

Holleys Fazit: „Bis Biologika zur Verfügung stehen, müssen wir uns bei COPD-Patienten, deren Krankheit sich trotz ICS/LABA/LAMA, Roflumilast und Azithromycin verschlimmert, den Leitlinien widersetzen, indem wir ganz anachronistisch orale Kortikosteroide verschreiben.“

 
Bis Biologika zur Verfügung stehen, müssen wir bei COPD-Patienten, deren Krankheit sich trotz ICS/LABA/LAMA, Roflumilast und Azithromycin verschlimmert, … orale Kortikosteroide verschreiben. Prof. Dr. Aaron B. Holley
 

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Kommentar

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