Superager haben im hohen Alter die Gedächtnisleistung von 20 oder 30 Jahre jüngeren Menschen. Aber woran liegt das? Eine neue Studie zeigt, dass bei ihnen die altersbedingte Atrophie der grauen Hirnsubstanz speziell in den Gedächtniszentren langsamer abläuft als bei normal Alternden. Sie bestätigt aber auch die Bedeutung von körperlicher und geistiger Fitness für ein gesundes Altern.
„Eine der wichtigsten unbeantworteten Fragen zu Superagern ist: Sind sie resistent gegenüber dem altersbedingten Gedächtnisabbau, oder haben sie Bewältigungsmechanismen, die es ihnen erlauben, den Gedächtnisabbau besser auszugleichen?“, schreiben die Autoren um Dr. Marta Garo-Pascual vom Alzheimer-Zentrum der Königin-Sofia-Stiftung in Madrid, Spanien, in The Lancet Healthy Longevity [1]. „Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass Superager resistent gegenüber diesen Prozessen sind.“
Superager und Kontrollen wurden 6 Jahre nachverfolgt
Die Forschungsgruppe suchte aus einer Kohorte älterer Menschen, die an einer Studie zur Identifikation früher Indikatoren der Alzheimer-Krankheit teilnehmen, 64 Superager und 55 normale ältere Menschen heraus. Letztere dienten als Kontrollen. Während die Superager bei einem Gedächtnistest mindestens ebenso gut abschnitten wie 30 Jahre jüngere Menschen gleichen Bildungsstands, war die Leistung der Kontrollen ihrem Alter und Bildungsstand entsprechend.

Prof. Dr. Alessandro Cellerino
Alle Studienteilnehmenden waren über 79 Jahre alt. Sowohl bei den Superagern als auch in der Kontrollgruppe nahmen etwas mehr Frauen als Männer teil. Sie wurden im Schnitt 6 Jahre nachbeobachtet, wobei jedes Jahr eine Kontrolle mit MRT-Untersuchung, klinischen Tests, Bluttests und Dokumentation von Lebensstilfaktoren stattfand.
Für Prof. Dr. Alessandro Cellerino vom Leibniz-Institut für Alternsforschung - Fritz-Lipmann-Institut (FLI) in Jena ist dies der wichtigste Aspekt dieser Studie. „Wir wussten bereits vor dieser Studie, dass Superager in einigen Hirnregionen weniger Atrophie aufweisen, aber dies basierte immer nur auf einer einzigen Messung.“
Langsamerer Verlust an Hirnsubstanz in Gedächtniszentren
Die MRT-Untersuchungen bestätigten: Bei den Superagern war die graue Hirnsubstanz in Regionen, die für das Gedächtnis verantwortlich sind (medialer Temporallappen, cholinerges Vorderhirn), aber auch in Regionen, die für die Bewegung eine Rolle spielen (motorischer Thalamus), weniger stark atrophiert. Darüber hinaus nahm das Volumen der grauen Hirnsubtanz in diesen Regionen, speziell im medialen Temporallappen, bei den Superagern über die 5 Studienjahre langsamer ab als bei den Kontrollen.
Garo-Pascual und ihr Team setzten einen auf maschinellem Lernen basierenden Algorithmus ein, um Superager von den normalen älteren Menschen zu unterscheiden. Von 89 verschiedenen demografischen, Lebensstil- oder klinischen Faktoren, die in den Algorithmus einflossen, waren es 2, die für die Klassifikation am wichtigsten waren: die Bewegungsfähigkeit und die psychische Gesundheit.
Beweglichkeit und gesunde Psyche zeichnen Superager aus
Klinische Tests (Timed Up and Go Test, Finger Tapping Test) ergaben, dass Superager sich hinsichtlich Beweglichkeit und Feinmotorik von den normal alternden Kontrollen unterschieden. Ihr körperlicher Zustand war besser, obwohl sie sich eigenen Angaben zufolge im Alltag nicht mehr bewegten als die Kontrollen.
Cellerino zufolge bestätigt dies, dass körperliche Aktivität sehr wichtig für die kognitive Funktion ist. „Diese Menschen waren über 80 Jahre alt – dass sie sich hinsichtlich des Aktivitätslevels nicht unterschieden, ist nicht verwunderlich. Die Frage ist vielmehr, wie man dort hinkommt, sprich: wie aktiv man im Alter von 40, 50 und 60 Jahren ist“, betont er.
Aktivität im gesamten Lebensverlauf ist wichtig
Tatsächlich hatten die Superager angegeben, im mittleren Lebensalter im Allgemeinen aktiver gewesen zu sein als die Kontrollen. „Es ist sehr wichtig zu versuchen, körperlich fit zu bleiben, auch wenn es nur Spazierengehen oder die Treppe steigen ist“, so Cellerino.
Auch bei Tests der psychischen Gesundheit schnitten die Superager besser ab als die Kontrollen: Sie hatten signifikant weniger Depressionen und Angststörungen. „Frühere Studien deuten darauf hin, dass Depressionen und Angststörungen bei Menschen aller Altersstufen das Abschneiden bei Gedächtnistests beeinflussen können – und dass sie Risikofaktoren für die Entwicklung einer Demenz sind“, so Cellerino.
Um psychischen Problemen im Alter vorzubeugen, rät Alternsforscher Cellerino, sozial eingebunden und involviert zu bleiben. „Depression und Ängste sind häufig auch die Konsequenz von sozialer Isolation“, betont er.
Mögliche genetische Unterschiede bedürfen noch der Untersuchung
Die Analysen der Blutproben zeigten, dass die Superager niedrigere Konzentrationen an Biomarkern für Neurodegeneration aufwiesen als die Kontrollen. Keinen Unterschied gab es dagegen zwischen den beiden Gruppen hinsichtlich der Prävalenz des APOE e4-Allels, einem der wichtigsten genetischen Risikofaktoren für Alzheimer.
Dennoch gehen die Forschenden um Garo-Pascual davon aus, dass auch die Genetik eine Rolle spielt. Denn trotz 89 eingesetzter Variablen habe der verwendete Algorithmus Superager nur in 66% der Zeit von normalen Älteren unterschieden können. Das deute darauf hin, dass weitere Faktoren im Spiel sein müssen, etwa genetische Unterschiede.
Körper und Psyche müssen fit sein
Da es sich um eine Beobachtungsstudie handelt, lasse sich daraus nicht ableiten, ob die gefundenen Faktoren einen direkten Effekt auf Superaging haben, schreiben die Autoren. Allerdings sind sie konsistent mit früheren Erkenntnissen.
„Für das Management hohen Alters lernen wir aus der Studie nicht wirklich mehr als das, was wir schon wussten. Aber sie bestätigt, dass die physische und psychische Funktion eng miteinander verbunden sind und dass wir beide erhalten müssen, um gesund zu altern“, schlussfolgert Cellerino.
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Credits:
Photographer: © Diego Vito Cervo
Lead image: Dreamstime.com
Medscape Nachrichten © 2023
Diesen Artikel so zitieren: Was zeichnet Superager aus? Ihr Gehirn schrumpft langsamer – wohl auch, weil sie schon in jungen Jahren auf 2 Dinge achten - Medscape - 31. Jul 2023.
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