Patientenorganisationen sind empört: BMG und Krankenkassen haben Neuordnung der Beratung ausgekungelt – geht´s ums Krankengeld?

Christian Beneker

Interessenkonflikte

26. Juli 2023

Die Patientenorganisationen in Deutschland haben sich empört über die geplante Zukunft der Unabhängigen Patientenberatung Deutschland (UPD) geäußert. In einer gemeinsamen Pressemitteilung kritisierten sie, Bundesgesundheitsminister Prof. Dr. Karl Lauterbach (SPD) liefere die UPD „vollständig den Krankenkassen aus“, wie es in der Veröffentlichung der Bundesarbeitsgemeinschaft Selbsthilfe (BAG Selbsthilfe) vom 20. Juli 2023 heißt. 

„Ausgerechnet der Teil der Selbstverwaltung, der seit mehr als 15 Jahren am häufigsten Anlass zur Kritik […] bietet, soll nun das absolute Sagen haben“, so die BAG weiter. „Vor allem unsere Beratungen zum Thema Krankengeld und Krankengeldbezug dürften den Kassen ein Dorn im Auge gewesen sei“, sagt BAG-Sprecher Gregor Bornes zu Medscape. „Da haben wir die Kassen empfindlich getroffen, das muss man klar sagen. Das Krankengeld macht ja bei den Kassen einen großen Posten aus.“

 
Vor allem unsere Beratungen zum Thema Krankengeld und Krankengeldbezug dürften den Kassen ein Dorn im Auge gewesen sei. Gregor Bornes
 

Das BMG hat den Kassen freie Hand gegeben

Der aktuelle Ärger war entstanden, nachdem das  Deutsche Ärzteblatt  aus einem Brief zitierte, in dem das Bundesgesundheitsministerium (BMG) dem GKV-Spitzenverband für die zukünftige Gestaltung einer Stiftung mehr oder weniger freie Hand gibt. So habe das BMG zugestimmt, dass die Kassen über die Finanzen der UPD ebenso bestimmen können wie über den Vorstand, die Themen und Zielgruppen der Beratung, die Qualifikation der Berater und über die wissenschaftliche Begleitung, berichtete das Ärzteblatt.

Der GKV-Spitzenverband hatte sich zuvor lange gegen die Neuordnung gewehrt, weil er „weder auf die inhaltliche Ausrichtung noch auf haushalterische Entscheidungen“ Einfluss nehmen konnte, wie der Verband am 20. Juli 2023 mitteilte. Wenn es schon eine Stiftung hätte sein sollen, dann sollten die Mittel dazu auch aus dem Steuertopf kommen, so die Haltung des GKV-Spitzenverbandes zu den Plänen des BMG. Weil der Verband mit den Plänen des BMG nicht einverstanden war, verweigerte er die weitere Kooperation.

Dann folgte die Kehrtwende: „Auf Basis von konstruktiven Gesprächen mit dem Bundesministerium für Gesundheit (BMG) erfolgte eine Neubewertung des Sachverhalts zur Errichtung der UPD-Stiftung“, schreibt der GKV- Spitzenverband in seiner Mitteilung. Man habe mit dem BMG eine „übereinstimmende Sichtweise“ gefunden, vor allem in Hinblick auf die Qualität und die Evidenz der Beratungen. So soll als Stiftungszweck festgelegt werden, dass sich die Beratung zukünftig auf den Leistungskatalog des SGB V und die gesetzlich Versicherten konzentrieren soll.

 
Das BMG hat die maßgeblichen Patientenorganisationen an keiner Stelle befragt oder gar einbezogen. BAG Selbsthilfe
 

Das BMG hat sich also mit dem GKV-Spitzenverband bilateral über die Neuordnung verständigt, was den Protest der BAG Selbsthilfe zur Folge hatte: „Das BMG hat die maßgeblichen Patientenorganisationen an keiner Stelle befragt oder gar einbezogen“, protestierte die BAG Selbsthilfe in ihrer Mitteilung. „Ich vermute, dass der GKV-Spitzenverband zukünftig dauerhaft das Sagen hat“, ergänzte BAG-Sprecher Bornes. „Dabei muss man sagen, dass die GKV kein guter Stifter und kein guter Finanzierer der Unabhängigen Patientenberatung ist.“ 

 
Die GKV ist kein guter Stifter und kein guter Finanzierer der Unabhängigen Patientenberatung. Gregor Bornes
 

Nun will die BAG weiter kämpfen. Sie wolle nicht an einer UPD mitwirken, die so vollständig unter der Regie des GKV-Spitzenverbands stehe, heißt es in der BAG-Mitteilung. Aber die BAG Selbsthilfe werde nicht auf das bisherige Recht verzichten, den Vorstand vorzuschlagen. Es brauche den politischen Mut, ein Beratungssystem zu etablieren, das „unabhängig von Kostenträgern, Leistungserbringern und Industrie“ arbeite und finanziert werde. „Die GKV ist hier offensichtlich nicht Teil der Lösung, sondern Teil des Problems.“

 
Die GKV ist hier offensichtlich nicht Teil der Lösung, sondern Teil des Problems. BAG Selbsthilfe
 

Bisherige und Neuregelung der UPD

Das UPD-Gesetz sieht vor, dass die UPD staatsferner und unabhängiger werden soll. Nach Auffassung der Ampelkoalitionäre ist dies am besten möglich, wenn die UPD ab 2024 zu einer Stiftung mit einem 13-köpfigen Stiftungsrat und 2 Vorständen umgewandelt wird, wie die Rednerinnen und Redner der Regierungsparteien bereits in der ersten Lesung des Gesetzes im Bundestag im Januar 2023 unterstrichen. Das Budget von jährlich 15 Millionen Euro soll als dem Portemonnaie der privaten und gesetzlichen Krankenkasse kommen. Der Anteil der privaten Krankenkassen soll bei 7% liegen.

Seit 2016 wird die UPD von einem privaten Call-Center, der Firma Sanvartis, betrieben. Zuvor waren der Sozialverband (VdK), die Verbraucherzentrale und der Bundesverband und Verbund der unabhängigen Patientenberatung (VuP) die gemeinsamen Betreiber der UPD. Im Jahr 2015 hatten sich der GKV-Spitzenverband und der Patientenbeauftragte der Bundesregierung für die Neuausschreibung entschieden. Zugleich wurden die Fördermittel von 5,2 Millionen Euro auf 9 Millionen Euro erhöht, Geld, das die gesetzlichen und privaten Kassen aufbringen mussten. Zur Neuregelung hat sich Politik entschieden, unter anderem, weil es Probleme bei der Qualität der Beratung gab.

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