Im Medscape-Corona-Newsblog finden Sie regelmäßig eine Auswahl von klinisch relevanten Kurzmeldungen zu COVID-19.
Corona-Newsblog, Update vom 27. Juli 2023
Lebenserwartung in Deutschland sinkt durch die Pandemie um ein halbes Jahr
RKI: Was die Corona-Mahnahmen wirklich gebracht haben
Weniger Nicht-COVID-Infektionen während der Pandemie
Vitamine gegen Long-COVID: Verbraucherschützer kritisieren Apotheken
COVID-19-Folgen: Neurologische Symptome klingen nach mehreren Monaten wieder ab
USA: Pandemiehilfe sorgte für rekordverdächtige Krankenhauseinnahmen
Lebenserwartung in Deutschland sinkt durch die Pandemie um ein halbes Jahr
Das Statistische Bundesamt (DESTATIS) hat umfassende Daten zur Pandemie analysiert. Demnach liegt die durchschnittliche Lebenserwartung für im Jahr 2021 für geborene Mädchen bei 83,2 Jahren und für Jungen bei 78,2 Jahre. Das entspricht einem Rückgang um 0,4 Jahre bzw. um 0,6 Jahre, gemessen am Jahr 2019. Hauptgrund für diese Entwicklung seien die „außergewöhnlich hohen Sterbefallzahlen während der Coronawellen“, heißt es in einer Pressemeldung.
In Ostdeutschland war der Rückgang der Lebenserwartung besonders deutlich. Jungen verloren 1,3 Jahre, Mädchen 0,9 Jahre. In Westdeutschland betrug der Rückgang bei Jungen 0,4 Jahre und bei Mädchen 0,3 Jahre. Zur Erklärung: Die ostdeutschen Bundesländer waren ab der 2. Welle besonders stark von der Pandemie betroffen.
Bezogen auf die Jahre 2020 und 2021 gab es in Summe etwa 70.000 bis 100.000 zusätzliche Sterbefälle. Dem Robert Koch-Institut (RKI) wurden in diesen beiden Jahren insgesamt fast 115.000 COVID-19-Todesfälle gemeldet.
RKI: Was die Corona-Mahnahmen wirklich gebracht haben
Im Abschlussbericht der StopptCOVID-Studie bewertet das Robert Koch-Institut (RKI) nicht-pharmakologische Interventionen während der Pandemie. Kontakt- und Versammlungsbeschränkungen im öffentlichen Raum haben demnach zu einem besonders starken Rückgang der Ansteckungsquote geführt. Dadurch sei der R-Wert um etwa 20% bis 30% gesunken, schätzen die Autoren. Allgemein gelte: Je schärfer die Maßnahmen gewesen seien, desto mehr sei auch der R-Wert zurückgegangen.
Ein überraschendes Ergebnis: Die Infektionszahlen sanken im Beobachtungszeitraum noch vor der Umsetzung einer neuen Verordnung mit zusätzlichen Maßnahmen. Das liege wahrscheinlich daran, dass Menschen – in dem Wissen, dass eine neue Maßnahme kommen werde – diese schon befolgt hätten, etwa ihre Kontakte reduziert hätten, heißt es vom RKI.
Klar sei, dass es viele unterschiedliche Maßnahmen brauche, um die Pandemie zu kontrollieren. Ob eine bestimmte Maßnahme wirkungslos gewesen ist oder nicht – oder ob sie auch einzeln etwas gebracht hätte – konnten die Forscher jedoch nicht ermitteln. Generell raten sie, zu berücksichtigen, dass die psychische Gesundheit bei solchen Interventionen in Mitleidenschaft gezogen werde.
Weniger Nicht-COVID-Infektionen während der Pandemie
Kaum Kontakte, kaum Veranstaltungen, Lockdowns und der Mund-Nasen-Schutz: Bekannte Maßnahmen in Pandemie-Zeiten hatten auch Effekte auf Nicht-COVID-Infektionserkrankungen, wie eine Datenanalyse aus Rheinland-Pfalz jetzt zeigt.
In den Jahren vor der Pandemie gab es im Bundesland regelmäßig mehrere tausend Meldefälle mit viralen Atemwegsinfektionen wie Influenza. Die Zahl verringerte sich im Jahr 2021 auf 72 Fälle. Nach dem Ende fast aller Corona-Maßnahmen im Jahr 2022 traten wieder 10.543 Influenzafälle auf.
Dieser Effekt war auch bei viralen Durchfallerkrankungen zu beobachten. 2019 hatten die Gesundheitsämter in Rheinland-Pfalz noch 4.240 Fälle von Noroviren gemeldet, in den beiden Pandemiejahren 2020 und 2021 waren es nur noch 1.206 bzw. 1.225 Erkrankungen. Im Jahr 2022 verdoppelte sich die Zahl der Meldefälle wieder auf 2.480.
Auch bei der Legionellose waren die Auswirkungen der Corona-Pandemie deutlich zu beobachten. Im Jahr 2020 wurden insgesamt 55 Fälle gemeldet, was einem Rückgang von 26% im Vergleich zum Vorjahr 2019 entsprach; damals waren es 74 Fälle. 2020 kam jegliche Reisetätigkeit zum Erliegen, so dass auch Meldefälle von Legionellosen mit Reisebezug vollständig ausblieben. Im Gegensatz dazu waren 2021 wieder Reisen in größerem Umfang möglich. Hier zeigt sich die bislang höchste Zahl an Legionellose-Meldefällen in Rheinland-Pfalz (91).
Vitamine gegen Long-COVID: Verbraucherschützer kritisieren Apotheken
Schätzungsweise jeder 10. Patient mit COVID-19 entwickelt Long-COVID. Betroffene suchen nicht immer beim Arzt, sondern oft zuerst in der Apotheke oder im Reformhaus Hilfe. Das kann durchaus schief laufen, wie die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen jetzt berichtet.
Sie hat 2 Frauen und 2 Männer in verschiedene Apotheken und Reformhäuser in Köln, Düsseldorf, Essen und Bonn geschickt. Die Testkäufer stellten stets die gleiche Frage, nämlich „Haben Sie irgendwelche Vitamine oder so, die bei Long-COVID helfen?“. In jeder der Städte suchten sie jeweils 5 Apotheken und 1 Reformhaus auf. Die Testkäufer gaben an, vermutlich an Long-COVID zu leiden. Sie nannten Müdigkeit, Abgeschlagenheit, Konzentrationsschwierigkeiten und leichten Geruchsverlust als Beschwerden.
Nur in 4 der 20 befragten Apotheken haben Mitarbeiter darauf hingewiesen, dass Nahrungsergänzungsmittel nicht zur Behandlung von Krankheiten eignen. In den Reformhäusern gab es überhaupt keine Warnung. Ungeeignete Produktempfehlungen wurden in 13 von 20 Apotheken und in allen Reformhäusern ausgesprochen.
COVID-19-Folgen: Neurologische Symptome klingen nach mehreren Monaten wieder ab
Neurologische Symptome schränken die Gesundheit und die Lebensqualität nach SARS-CoV-2-Infektionen stark ein. Im Rahmen der Neuro-COVID-Italia-Studie, einer multizentrische Beobachtungs-Kohortenstudie, haben Forscher untersucht, welche Unterscheide es zwischen den Wellen gab – und wie das Langzeit-Outcome von Neuro-COVID ist.
Von 52.759 hospitalisierten COVID-Patienten wurden 1.865 Patienten für die Studie rekrutiert. Sie hatten insgesamt 2881 neu aufgetretene neurologische Diagnosen in Zusammenhang mit der COVID-19-Infektion (Neuro-COVID).
Die Inzidenz der Neuro-COVID-Fälle ging im Laufe der Zeit deutlich zurück, wobei die ersten 3 Pandemiewellen miteinander verglichen wurden
Welle 1: 8,4%, 95%-KI 7,9%-8,9%
Welle 2: 5,0%, 95%-KI 4,7%-5,3%
Welle 3: 3,3%, 95%-KI 3,0%-3,6%
Die häufigsten neurologischen Störungen waren akute Enzephalopathien (25,2%), Riech- und Schmerckstörungen (20,2%), akute ischämische Schlaganfälle (18,4%) und kognitive Beeinträchtigungen (13,7%).
Neurologischen Störungen traten häufiger in der Prodromalphase von COVID-19 (44,3%) oder während der akuten Atemwegserkrankung (40,9%) auf, mit Ausnahme der kognitiven Beeinträchtigung, die vor allem während der Genesung zu beobachten (48,4%).
Die meisten Neuro-COVID-Patienten (64,6%) hatten während der Nachbeobachtungszeit (Median 6,7 Monate) ein gutes funktionelles Ergebnis, und der Anteil der guten Ergebnisse nahm während des gesamten Studienzeitraums zu. Leichte Restsymptome wurden häufig gefunden (28,1%). Starke Einschränkungen hingegen traten nur bei vielen Überlebenden eines Schlaganfalls (47,6 %) auf.
USA: Pandemiehilfe sorgte für rekordverdächtige Krankenhauseinnahmen
Die COVID-19-Pandemie hat sich zweifellos auf die Finanzen der Krankenhäuser ausgewirkt, aber die staatlichen Hilfen haben die Bilanzen einiger Einrichtungen möglicherweise übermäßig gestärkt. Eine neue Studie, die im JAMA Health Forum veröffentlicht wurde, hat ergeben, dass viele Krankenhäuser in den USA 2 Jahre nach der Pandemie trotz steigender Kosten ein finanzielles Allzeithoch erreicht haben, was darauf hindeutet, dass sie möglicherweise zu viele Hilfsgelder erhalten haben. Darüber berichtet Medscape.com .
Forscher der RAND Corporation bewerteten die Finanzergebnisse von 4.423 US-Krankenhäusern für die Jahre 2020 und 2021 anhand des Nettobetriebsergebnisses, das sich aus den Betriebseinnahmen abzüglich der Betriebsausgaben errechnet.
Die durchschnittlichen Betriebsmargen stiegen bis 2021 auf 6,5% im Vergleich zu 2,8% vor der Pandemie: ein Zeichen dafür, dass die finanzielle Unterstützung möglicherweise höher gewesen sei als nötig, um die meisten Krankenhäuser auf den Stand vor der Pandemie zurückzuführen, so die Autoren der Studie.
Insgesamt erhielten 80% der Krankenhäuser in den Jahren 2020 und 2021 Hilfsgelder, und die Mehrheit (75%) blieb profitabel. Zum Vergleich: Ein Drittel (36%) der Krankenhäuser schrieb zu Beginn der Pandemie rote Zahlen, verglichen mit 23% in den Jahren 2020 und 2021. Fast 1 von 5 Krankenhäusern konnte seine finanzielle Leistung während der Pandemie so weit verbessern, dass es von einem negativen zu einem positiven Ergebnis kam.
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Credits:
Photographer: © Dmitry Kalinovsky
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Diesen Artikel so zitieren: Apotheken beraten schlecht zu Long-COVID und Vitaminen; 6 Monate weniger Lebenszeit durch COVID; RKI bewertet Corona-Maßnahmen - Medscape - 27. Jul 2023.
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