Alzheimer-Test mit einem Tropfen Blut aus dem Finger: Wie der Hausarzt künftig mit Biomarkern Demenz diagnostizieren könnte

Pauline Anderson

Interessenkonflikte

25. Juli 2023

Amsterdam – Ergebnisse einer Pilotstudie legen nahe, dass sich mit einem Bluttest die wichtigsten Biomarker der Alzheimer-Krankheit (AD) bestimmen lassen – ohne gut ausgestattetes Labor mit speziellen Möglichkeiten der Lagerung von Blutproben. Nur 1 Tropfen Blut aus der Fingerbeere ist dafür erforderlich. Darüber haben Forscher kürzlich auf der Alzheimer's Association International Conference (AAIC) 2023 berichtet [1].

 
Wir können eine breite Palette von Biomarkern, die mit der Alzheimer-Krankheit in Verbindung stehen, (…) auch in Kapillarblut, das aus der Fingerbeere gewonnen wurde, nachweisen. Dr. Hanna Huber
 

„Die Studie hat gezeigt, dass wir eine breite Palette von Biomarkern, die mit der Alzheimer-Krankheit in Verbindung stehen, in venösem Blut nachweisen können, nachdem wir es auf eine trockene Blutkarte getupft haben, aber auch in Kapillarblut, das aus der Fingerbeere gewonnen wurde“, sagte die Studienleiterin Dr. Hanna Huber gegenüber Medscape. Sie forscht an der Abteilung für Psychiatrie und Neurochemie, Institut für Neurowissenschaften und Physiologie der Universität Göteborg, Schweden.

Studie: Für die Alzheimer-Diagnostik reicht 1 Tropfen Blut aus

Die Entnahme von Blutproben zum Nachweis von Amyloid und von anderen Markern der Alzheimer-Krankheit, darunter Neurofilament Light (NfL), Glial Fibrillary Acidic Protein (GFAP) und phosphoryliertes Tau (p-tau), ist zum Standardverfahren für die Überwachung von Patienten in klinischen Studien geworden. Dies stellt jedoch eine logistische Herausforderung dar, da die Probenahme mit strengen Protokollen erfolgen muss. Sie sehen spezielle Temperaturen zur Lagerung der Proben und Maximalfristen bis zur Verarbeitung vor.

Damit mehr Patienten vom Nutzen dieser wichtigen Biomarker profitieren, führten die Forscher eine Pilotstudie durch. Sie haben eine neuartige Methode zur Quantifizierung dieser Proteine in kapillaren und venösen Trockenblutproben untersucht. Bei dem Test wird eine kleine Blutprobe auf eine Blutspotkarte getropft, getrocknet und bei Raumtemperatur weiterverarbeitet. Die Karte besteht aus speziellem, saugfähigem Papier, das so behandelt ist, dass es die Blutprobe aufnimmt und schnell trocknet.

Um die Genauigkeit des Tests zu evaluieren, rekrutierten die Forscher 77 Freiwillige aus Barcelona. Vollblutproben wurden aus der Vene und auch durch einen Stich in die Fingerbeere gewonnen, ähnlich wie bei der Blutuntersuchung von Diabetes-Patienten.

Bei einer Subgruppe mit 28 Patienten wurden auch Liquorproben entnommen. Die sei der „absolute Goldstandard der Alzheimer-Diagnostik“, erklärte Prof. Dr. Nicholas Ashton, Koautor der Studie, gegenüber Medscape. Er forscht an der Abteilung für Psychiatrie und Neurochemie, Institut für Neurowissenschaften und Physiologie, Universität Göteborg.

Die Blutproben auf den Karten wurden über Nacht ohne Temperaturkontrolle oder Kühlung nach Göteborg geschickt. Dort wurden sie in einem Labor auf Alzheimer-Biomarker hin untersucht.

 
Die Studie zeigt, dass die Proben bei Raumtemperatur bis zu einem Monat lang stabil bleiben, was sehr ermutigend ist (…). Prof. Dr. Nicholas Ashton
 

Die Ergebnisse zeigten eine extrem gute Übereinstimmung zwischen diagnostischen Ergebnissen aus dem Blut, das mit der normalen Methode gewonnen wurde, und aus Blut aus der Fingerbeere, schreiben die Autoren.

„Wir können NFL, GFAP und phosphorylisiertes Tau 217, die etablierten Marker für Alzheimer, mit einem einzigen Stich in den Finger messen, was bedeutet, dass man nicht zentrifugieren oder die Probe einfrieren muss“, sagte Ashton. Vielmehr sei die Entnahme überall möglich, ohne eine spezielle Infrastruktur.

Patienten künftig aus der Ferne untersuchen?

Wenn der Test in größeren Studien validiert wird, könnten Patienten mit Gedächtnisproblemen künftig aus der Ferne untersucht werden, indem sie einen Standard-Gedächtnistest online durchführen, selbst aus dem Finger etwas Blut entnehmen und die Blutspotkarte per Post an ein Labor schicken.

Die Forscher hoffen, dass ihr Verfahren eine frühere Diagnostik ermöglicht und Ärzte bei der Verlaufskontrolle der Therapie unterstützt. Ashton wies darauf hin, dass dies jetzt, da krankheitsverändernde Medikamente zur Verfügung stünden, besonders wichtig sei.

„Wenn man eine dieser Behandlungen erhält, kann man Tests an ein Labor schicken, um zu sehen, wie das Medikament anschlägt. Es handelt sich nicht nur um eine pauschale 6-Monats-Kontrolle, wenn man ein Medikament nimmt, sondern um eine wöchentliche Kontrolle, speziell zugeschnitten auf eine Person, welche das Medikament nimmt.“

 
Für Hausärzte ist es sehr schwierig, eine genaue Diagnose von Alzheimer zu stellen. Prof. Dr. Sebastian Palmqvist
 

„Die Studie zeigt, dass die Proben bei Raumtemperatur bis zu einem Monat lang stabil bleiben, was sehr ermutigend ist“, auch wenn die Blutentnahme ohne Arzt noch einige Herausforderungen mit sich bringe, so Ashton.

Alzheimer-Diagnostik in der Primärversorgung

Eine weitere, auf der Konferenz vorgestellte Studie zeigt, dass dieser Bluttest auf Alzheimer-Biomarker die Diagnosegenauigkeit in der Primärversorgung erheblich verbessern könnte.

„Wir haben jetzt Daten, die den Einsatz blutbasierter Biomarker in der ärztlichen Praxis unterstützen“, sagte Studienleiter Prof. Dr. Sebastian Palmqvist von der Clinical Memory Research Unit, Lund University, Schweden, gegenüber Medscape.

Bluttests könnten zwar eine Alzheimer-Pathologie sehr genau identifizieren, aber „wir hatten keine Ahnung, wie sie in der Primärversorgung abschneiden, wo Menschen wegen kognitiver Beschwerden zuerst Hilfe suchen“, so Palmqvist weiter.

Die Studie umfasste 307 Patienten (Durchschnittsalter 76 Jahre) mit kognitiven Beschwerden in 25 Zentren der Primärversorgung in Schweden.

 
Angesichts der kürzlich erfolgten Zulassung von Anti-Amyloid-Medikamenten kommen diese beiden Studien zur rechten Zeit (…). Dr. Percy Griffin
 

Die standardisierte Untersuchung umfasste in der Regel ein kognitives Screening, eine Untersuchung mit bildgebender Diagnostik, eine klinische Beurteilung und weitere Untersuchungen zum Ausschluss anderer Erkrankungen. Auf Grundlage der Ergebnisse sollten Hausärzte beurteilen, was sie für die wahrscheinlichste Ursache der kognitiven Beeinträchtigung hielten und wie sicher sie sich bei ihrer Diagnose waren.

Die Forscher ermittelten auch Plasma-Biomarker, darunter das p-tau217-Verhältnis und das Aβ42/Aβ40-Verhältnis. Sie fanden heraus, dass die Genauigkeit der ärztlichen Diagnosen bei etwa 55% lag. Dies sei „nicht besser war als der Zufall“, kommentiert Palmqvist. Im Vergleich dazu lag die Genauigkeit bei der Verwendung von Biomarkern aus dem Blut bei 87%.

„Wir haben beobachtet, dass es für Hausärzte sehr schwierig ist, eine genaue Alzheimer-Diagnose zu stellen“, so Palmqvist. „Es liegt nicht daran, dass sie ein schlechtes Urteilsvermögen haben, sondern einfach daran, dass sie nicht über die richtigen Instrumente verfügen.“
 

Kommentar

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